Ausgefragt?! –

Krebs in der Familie: Erblich bedingtes Risiko für Brust- und Eierstockkrebs erkennen


Interview mit Dr. Alma-Verena Müller-Rausch

Zentrum für familiären Brust- und Eierstockkrebs


In Deutschland erkrankt jede achte Frau im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs. Eierstockkrebs kommt zwar deutlich seltener vor, ist aber im Falle einer Erkrankung schwerer zu heilen. Dank moderner genetischer Diagnostik können Risikopatient:innen heute frühzeitig identifiziert werden. Dr. Alma-Verena Müller-Rausch, Leiterin des Zentrums für familiären Brust- und Eierstockkrebs am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), erklärt, was auf eine erbliche Veranlagung hindeuten kann und wann sich eine genetische Beratung lohnt.

  • Mein Name ist Alma-Verena Müller Rausch und ich bin Leiterin des Zentrums für familiären Brust- und Eierstockkrebs des UKE

    Was bedeutet „erblich bedingter Brust- und Eierstockkrebs“ und wie häufig kommt das vor?

    Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung der Frau. Jede 10. Frau erkrankt im Laufe des Lebens an einem Brustkrebs. Ein Teil dieser Brustkrebsfälle, etwa 5 bis 10 Prozent, sind erblich bedingt. Das bedeutet: Die Krebsentstehung wird durch eine vererbbare Veränderung (Mutation) in bestimmten Genen begünstigt. Auch der Eierstockkrebs gehört in dieses Spektrum. Bis zu 15 Prozent aller Eierstockkrebserkrankungen sind erblich bedingt.Trägerinnen und Träger solcher Veränderungen haben ein deutlich erhöhtes Risiko, im Laufe ihres Lebens an Brust- oder Eierstockkrebs zu erkranken. Das Wissen darum kann helfen, frühzeitig Vorsorgemaßnahmen zu treffen.

    Ab wann sollte man über eine genetische Beratung nachdenken?

    Eine genetische Beratung und ggf. Testung kann sinnvoll sein, wenn in der Familie bestimmte Hinweise auf ein familiäres Risiko vorliegen, zum Beispiel, wenn es eine Häufung von Brust- und Eierstockkrebserkrankungen in der Familie gibt, die Erkrankungen in einem jungen Alter auftreten oder beispielsweise ein Mann in der Familie an Brustkrebs erkrankt ist. Das deutsche Konsortium für familiären Brust- und Eierstockkrebs hat spezielle Kriterien definiert, wann eine genetische Beratung sinnvoll sein kann. Die Beratung hilft, das persönliche Risiko einzuschätzen und über das Für und Wider eines Tests zu entscheiden.

    Wie läuft eine genetische Testung ab und wer kann sich testen lassen?

    Vor einer Testung erfolgt ein interdisziplinäres Beratungsgespräch durch spezialisierte Ärzt:innen der Gynäkologie und Humangenetik. Dabei wird der Familienstammbaum erhoben, es werden genetische und gynäkologische Hintergründe erläutert sowie die möglichen Konsequenzen besprochen, welche das Ergebnis der genetischen Untersuchung haben können.Die genetische Untersuchung sollte möglichst an einer Person erfolgen, die selbst erkrankt ist, da dann die Wahrscheinlichkeit, eine Genveränderung nachzuweisen, höher ist und die Aussage der Untersuchung besser ist. Der Test selbst erfolgt anhand einer Blutprobe. Das Labor analysiert bestimmte Gene auf Veränderungen, das Ergebnis erwarten wir innerhalb von 4 bis 6 Wochen und wird dann ausführlich besprochen.

    Was passiert, wenn eine Genveränderung festgestellt wird?

    Wenn tatsächlich eine krankheitsverursachende Genveränderung nachgewiesen wurde, bedeutet das nicht, dass man zwangsläufig erkrankt – aber die Wahrscheinlichkeit dazu ist erhöht. Wir haben unterschiedliche Möglichkeiten, wie wir das Risiko beeinflussen können. So können wir eine intensivierte Früherkennung anbieten, die ein jährliches MRT, einen halb- oder jährlichen Brustultraschall sowie ab dem 40. Lebensjahr eine Mammographie umfasst. Bei Nachweis eines Hochrisikogenes gibt es ebenfalls die Möglichkeit, sich hinsichtlich einer risikoreduzierenden Entfernung des Brustdrüsengewebes oder der Eierstöcke beraten zu lassen. Ziel ist es, eine mögliche Krebserkrankung frühzeitig zu erkennen oder ganz zu verhindern.

    Was können Angehörige tun, wenn eine Genveränderung in der Familie bekannt ist?

    Wenn in der Familie eine genetische Veränderung nachgewiesen wurde, können sich Angehörige ebenfalls beraten lassen und ggf. gezielt auf die Genveränderung testen lassen. Die genetische Beratung hilft, das persönliche Risiko einzuschätzen und über das Für und Wider eines Tests zu entscheiden. So kann jedes Familienmitglied informiert und eigenverantwortlich mit dem Thema umgehen.

    Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es, wenn man selbst erkrankt ist und eine Genmutation vorliegt?

    Der Nachweis einer Mutation kann Einfluss auf die operative oder auch medikamentöse Therapieplanung haben. So gibt es beispielsweise im Fall einer sog. BRCA1 oder BRCA2 Mutation die Möglichkeit eine zielgerichtete Therapie mit einem PARP-Inhibitor.Diese Medikamente wirken gezielt auf die veränderten Reparaturmechanismen in den Krebszellen und können so das Tumorwachstum hemmen.

    Welche Unterstützung und Angebote gibt es am UKE speziell für Menschen mit familiärem Risiko?

    Das Zentrum für familiären Brust- und Eierstockkrebs am UKE ist Teil des deutschlandweiten Konsortiums für erblichen Brust- und Eierstockkrebs. Wir können hier eine umfassende interdisziplinäre Beratung hinsichtlich des individuellen Risikos anbieten und ggf. eine genetische Testung, eine intensivierte Früherkennung oder zielgerichtete Therapien einleiten. Auch die Möglichkeit einer psychosozialen Unterstützung ist Teil des Angebots. Unser Ziel ist es, medizinische Sicherheit zu geben, menschlich bestmöglich zu begleiten und Raum für persönliche Sorgen und Fragen zu geben.