„Krebs macht keine Pause“

Versorgung auch in der Pandemie sichergestellt

Wie wirkt sich die COVID-19-Pandemie auf Patientinnen und Patienten mit einer Krebserkrankung aus: Infizieren sie sich häufiger als andere? Müssen sie mit schwereren Verläufen rechnen? Erste Antworten liefert die COVIDHELP-Studie.

Prof. Katja Weisel lächelt in die Kamera, eine Porträtaufnahme.
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„Sehen auch milde Verläufe“
Onkologin Prof. Dr. Katja Weisel

Die Beobachtungsstudie wird seit April 2020 vom Uni­versi­tären Cancer Center Hamburg (UCCH) in
Kooperation mit den Unikliniken Kiel und Lübeck durchgeführt. Dabei werden ein Jahr lang die Krankenverläufe von Krebspatienten mit COVID-19 erfasst. In Hamburg beteiligen sich 39 Praxen und Kliniken im vom UKE geleiteten UCCH-Netzwerk an der Studie. „Unser Ziel ist es, möglichst alle Patienten aus unserem Netzwerk mit einer COVID-19-Infektion einzuschließen“, erklärt Studien­leiterin Prof. Dr. Katja Weisel.

Im UKE werden jene Krebspatienten mit COVID-19 erfasst, die stationär behandelt werden müssen. „Ent­gegen unserer Befürchtungen sehen wir bei onkologischen Patienten nicht nur schwere, sondern auch durchaus milde Verläufe“, betont die Stellvertretende UCCH-Direktorin auch im Rückblick auf die tragischen Geschehnisse im April, als in der Onkologie zunächst jeweils rund 20 lebensbedrohlich krebskranke Patienten und Beschäftigte an COVID-19 erkrankten. Unmittelbar nach Entdeckung der Infektion waren die Patienten in einen separat eingerich­teten Intensivbereich verlegt worden. Nicht alle haben die Infektion überstanden. Jedoch konnten im Verlauf 11 von 14 betroffenen Leukämiepatienten die Leukämietherapie nach Plan fortsetzen.

Manche Krebsmedikamente können offenbar auch vor einer
lebensgefährlichen Entgleisung des Immunsystems schützen.

Prof. Dr. Katja Weisel, Stellvertretende Direktorin der II. Medizinischen Klinik

Prof. Weisel und Dr. Böschel stehen coronabedingt weit auseinander im Flur der Klink. Sie lächeln in die Kamera
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Biobank im Aufbau
Prof. Dr. Katja Weisel und Dr. Niklas Börschel

Krebspatienten gelten als besondere Risikogruppe in der Corona-Pandemie. Zwei Faktoren spielen dabei zusammen: Krebs tritt mit zunehmendem Alter häufiger auf und das Immunsystem ist meist geschwächt – entweder durch die Krebserkrankung selbst, wie beispielsweise bei Blut- und Lymph­drüsenkrebs, oder durch die medikamentöse Therapie. Wie sich im Verlauf der Pandemie gezeigt hat, können manche Krebsmedikamente aber offenbar auch vor einer lebensgefährlichen Entgleisung des Immunsystems schützen. Prof. Weisel nennt als Beispiel das Dexamethason, seit langem ein fester Bestandteil der Therapie hämatologischer Erkrankungen und mittlerweile im Einsatz bei COVID-19.

„Wir gehen heute davon aus, dass Krebspatienten ein erhöhtes Risiko für einen schwereren Erkrankungs­verlauf haben“, erklärt die Expertin. Grundsätzlich gelte: „Je besser der Krebs kontrolliert wird, insbesondere bei Blut- und Knochenmarkserkrankungen, desto geringer ist das Risiko schwerer Verläufe.“ Im Rahmen der COVIDHELP-Studie wird aktuell eine Biobank mit Blutproben aufgebaut, um weitere Erkenntnisse über die Wechselwirkungen von Krebs und COVID-19 zu gewinnen.

Soviel steht fest: „Krebs macht keine Pause“, betont Prof. Weisel, „bei den meisten Patienten ist der Krebs die bedrohlichere Erkrankung“. Die ärztliche Herausforderung sei, die Therapie so anzupassen, dass der Patient COVID-19 überwindet und gleichzeitig nicht zu viel Boden in der Krebstherapie verliert. „Das ist mitunter ein Balanceakt.“

Fotos: Eva Hecht, Axel Kirchhof (Stand: 1. Dezember 2020)