Erfolgreiche CAR-T-Zelltherapie


Moderne Zell- und Gentherapien wie die CAR-T-Zelltherapie bieten nicht nurdie Chance auf Genesung von Blutkrebs. Auch bei Autoimmunerkrankungenzeigen sie eine verblüffende Wirkung, wie neue Forschungen in der Rheumatologiedes UKE zeigen.


Text: Ingrid Kupczik, Fotos: Axel Kirchhof, Anja Meyer

Besonders beindruckend ist der Fall jener Patientin, die vor drei Jahren am Antisynthetase-Syndrom erkrankte, einer seltenen und aggressiven Form von entzündlichem Rheuma. Das Syndrom befällt Haut, Gelenke und Lunge. Sie war Anfang 50, als ihr Immunsystem begann, gegen den eigenen Körper zu wüten: Nach und nach versteiften nahezu alle Gelenke, die Schmerzen wurden immer schlimmer. Keine Therapie half – bis sie im Frühjahr 2024 im UKE eine CAR-T-Zelltherapie erhielt. Die Symptome verbesserten sich rasant. Heute kann die Pferdeliebhaberin ihre Gelenke schmerzfrei bewegen, plant sogar wieder Ausritte mit ihrem 15-jährigen Wallach.

„Als eines der weltweit ersten rheumatologischen Zentren behandeln wir Patient:innen mit entzündlich rheumatischen Erkrankungen, bei denen die gängigen Therapien keine Besserung der Beschwerden bringen, mit CAR-T und anderen zellbasierten, experimentellen Therapiekonzepten“, sagt Dr. Isabell Haase, Oberärztin in der III. Medizinischen Klinik des UKE. Zwar gebe es zur Behandlung des klassischen Gelenkrheumas eine Reihe unterschiedlicher zugelassener Medikamente, „doch bei selteneren rheumatischen Erkrankungen wie dem Antisynthetase-Syndrom stößt man immer wieder an Grenzen“. Daher sei die im UKE eng verzahnte, sehr erfolgreiche interdisziplinäre Zusammenarbeit von Onkologie und Stammzelltransplantation mit der rheumatologischen Abteilung besonders wichtig. „Daneben erfolgt über eine Kooperation mit der Berliner Charité und dem Deutschen Rheumaforschungszentrum translationale Forschung, um das pathophysiologische Verständnis zu diesen Krankheitsbildern und dem Wirkmechanismus der Therapie zu erweitern.“

Eine Stammzelltransplantation, wie sie gelegentlich bei drastischen Krankheitsverläufen von Rheuma durchgeführt wird, komme wegen des Risikos von Komplikationen durch die hochdosierte Chemotherapie nur bedingt inFrage, so Expertin Haase und Oberarzt-Kollege Dr. Martin Krusche. Alternativ kommen nun ganz aktuell Zell- und Gentherapien wie die CAR-T-Zelltherapiein schwerwiegenderen Fällen zum Einsatz. Deren Anwendung ist in Deutschland seit 2018 für bestimmte Blutkrebsarten (B-Zell-Lymphome, Multiples Myelom) zugelassen, wenn andere Therapien keine Besserung für die Patient:innen bringen. Hinsichtlich der Anwendung bei rheumatischen Erkrankungen gilt sie noch als experimentell.

Zitat Frau Dr. Isabell Haase
Zitat Frau Dr. Isabell Haase
Zitat Frau Dr. Isabell Haase

Die CAR-T-Zelltherapie kombiniert eine Zell- und Gentherapie: Aus dem Blut der Patient:innen werden T-Zellen entnommen. Diese Immunzellen werden gentechnisch so verändert, dass sie auf ihrer Oberfläche einen „Chimären Antigen-Rezeptor“ (CAR) tragen, der an ein bestimmtes Antigen auf den Zielzellen (zum BeispielB-Zellen) bindet. Die modifizierten T-Zellen werden im Labor vermehrt und den Patient:innen per Infusion zurückgegeben. Die CAR-T-Zellen wandern zu den B-Zellen und binden an das Antigen. Dadurch wird die CAR-T-Zelle aktiviert und die B-Zelle gezielt vernichtet. B-Zellen sind normalerweise ein wichtiger Bestandteil der Abwehr. Doch bei Autoimmunerkrankungen bilden sie Antikörper, die den eigenen Körper angreifen. Das führt zu schweren Entzündungen, die sich gegen Gelenke, aber auch gegen innere Organe wie Herz, Lunge oder Nieren richten.

Auch bei Multipler Sklerose (MS) hat die CAR-T-Zelltherapie Wirkung gezeigt: Im UKE wurden erstmals fünf an MS erkrankte Patient:innen mit den gentechnischveränderten Zellen im Rahmen eines individuellen Heilversuchs behandelt. Die bisherige Nachverfolgung zeigte, dass die Entzündungsaktivität im Nervensystem unter Kontrolle war, die Nachbeobachtung ist jedoch noch zu kurz, um den Erfolg der Therapie hinreichend beurteilen zu können.

Zell- und Gentherapien

gelten als medizinische Meilensteine, da sie nicht nur Symptome lindern, sondern zugrunde liegende genetische Defekte korrigieren können. So lassen sich bestimmte Formen von Krebs, Erbkrankheiten oder seltene Stoffwechselstörungen gezielt und nachhaltig behandeln. Diese Therapien eröffnen neue Heilungschancen und markieren Forschenden zufolge einen Durchbruch in der personalisierten Medizin.

Zitat Prof. Dr. Francis Ayuk
Zitat Prof. Dr. Francis Ayuk
Zitat Prof. Dr. Francis Ayuk

„Die CAR-T-Zelltherapie ist eine Erfolgsgeschichte, die in Zukunft noch um viele Kapitel erweitert werden könnte. Die Ergebnisse sind zum Teil sehr beeindruckend, sodass man kurzfristig die Hoffnung haben darf, dass einige dieser Krankheiten vielleicht langfristig geheilt werden“, sagt Prof. Dr. Francis Ayuk, Direktor der Interdisziplinären Klinik und Poliklinik für Stammzelltransplantation des UKE. Er hat in den vergangenen sieben Jahren bereits zahlreiche Patient:innen mit der neuartigen Therapieform versorgt. Trotz aller Zuversicht gibt er zu bedenken: „Über Langzeitwirkungen wissen wir noch nicht viel.“

Eine Alternative zur CAR-T-Zelltherapie befindet sich mit den T-Zell-Engagern ebenfalls bereits in der Entwicklung. Dabei handelt es sich um einen bispezifischen Antikörper, der zwei unterschiedliche Zielstrukturen erkennen und daran binden kann – je eine auf der T-Zelle und eine auf der Zielzelle. Auf diese Weise wird die T-Zelle des Immunsystems an die B-Zelle gebunden und aktiviert und kann die B-Zelle gezielt vernichten. Das Verfahren wird aktuell im UKE im Rahmen von individuellen Heilversuchen bei schweren Verläufen von rheumatischen Erkrankungen eingesetzt.

Prof. Dr. Francis Ayuk

ist Direktor der Interdisziplinären Klinik für Stammzelltransplantation. Er hat eine Professur für Stammzelltransplantation und zellbasierte Therapien inne und sieht großes Potenzial in innovativen gen- und zellbasierten Therapieansätzen.

Mehr Informationen?

Hier erfahren Sie mehr zu innovativen Gen- und Zelltherapien im UKE: uke.de/car