Digitale Helfer im Klinikalltag
Künstliche Intelligenz zieht als unterstützendes Werkzeug für Ärzt:innen und Pflegende in den Klinikalltag ein. Im UKE treibt dies das gemeinnützige Tochterunternehmen IDM voran. Mit seinen Produkten ORPHEUS und ARGO erleichtertes den Klinikalltag und verbessert die medizinische Dokumentation.
Text: Berit Waschatz, Fotos: Axel Kirchhof, Anja Meyer
Konsile, Visiten und OP-Berichte können im UKE jetzt unkompliziert per Sprachnachricht erfasst werden – jederzeit und überall. Möglich macht dies die von der IDM (InnovativeDigitale Medizin) gGmbH entwickelte Spracherkennungssoftware ORPHEUS. Sie wandelt gesprochene Inhalte präzise und kontextbasiert in Text um – datenschutzkonform und mit medizinischem Vokabular trainiert. Seit Sommer 2025 ist ORPHEUS auch mobil verfügbar: Die unterwegs aufgenommenen Sprachnachrichten werden automatisch transkribiert und im persönlichen Nutzerkonto gespeichert. Zurück am Rechner können sie in die Patient:innenakte integriert werden. „Sprechen statt Tippen ist nicht nur effizienter, sondern auch näher an der tatsächlichen Versorgung“, sagt Dr. Nils Schweingruber, Geschäftsführer der IDM.
Ein Vorteil, den auch die Station 4B des UKE zuschätzen weiß. „Bei uns nutzen die Pflegefachpersonen ORPHEUS vor allem für die Verlaufsdokumentation.Trotz offener Tresenbereiche funktionieren die Mikrofone zuverlässig – Nebengeräusche sind kaum ein Problem. Besonders positiv wird aufgenommen, dass die Software auch Dialekte und Akzente gut versteht. Ich selbst habe schon Besprechungsprotokolle damit angefertigt – eine große Arbeitserleichterung“, sagt Tobias Bieker, Stationsleitungder 4B in der III. Medizinischen Klinik und Poliklinik.
ORPHEUS erkennt Fachbegriffe und Alltagssprache
ORPHEUS funktioniert nicht nur in medizinischen Dokumentationssystemen,sondern auch mit alltäglichen Anwendungen wie Word oder E-Mail-Programmen. Es erkennt neben Fachbegriffen auch Alltagssprache und eignet sich daher für alle Berufsgruppen im Gesundheitswesen – nicht nur für Ärzt:innen oder Pflegekräfte. Außerdem können Mitarbeitende bei ORPHEUS auf persönliche Textbausteine zugreifen, die sie flexibel gestalten können. Neben dem UKE wird ORPHEUS deutschlandweit in 24 Kliniken genutzt; insgesamt wurden bereits 4,5 Millionen Audiodateien transkribiert. „Auch aus den niedergelassenen ambulanten Bereichen erreichen unsvermehrt Anfragen – mit unserer neuen cloudbasierten Version können wir nun auch diese Zielgruppen bedienen“, sagt Jan Bremer, Technischer Leiter der IDM.
Mit dem zweiten Produkt, ARGO, hat die IDM eine weitere KI-basierte Anwendung in die Kliniken gebracht. ARGO ist ein großes Sprachmodell (engl. Large Language Model, LLM), das mit deutschsprachigen medizinischen Texten des UKE trainiert wurde und Ärzt:innen bei der Erstellung von Zusammenfassungen von Arztbriefen unterstützt. Im August 2024 wurde die Anwendung im UKE eingeführt. „In diesem Jahr haben wir ARGO generalüberholt und noch einmal deutlich verbessert“, sagt Bremer.
Das begrüßt Marlon Tessarzyk, Assistenzarzt in der Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie und Orthopädie und zugleich Clinical Expert der IDM, sozusagen ein Poweruser: „Früher musste ich mich durch die einzelnen Eingabefelder klicken. Jetzt kann ich meine Inhalte frei und unstrukturiert eingeben, das System sortiert automatisch. Außerdem wird der Text nun nicht mehr Wort für Wort, sondern satzweise erstellt – das fühlt sich natürlicher an und spart Zeit.“
Neu ist auch die automatische Quellenanzeige. Wer mit dem Cursor über einen Satz fährt, sieht, aus welchem Dokument dieser stammt. Fehlende Angaben werden markiert. „Das ermöglicht eine deutlich schnellere Kontrolle der erstellten Epikrise, weil Ärzt:innen nicht mehr zwischen der KI-Anwendung und der Patient:innenakte hin- und herwechseln müssen“, erklärt Dr. Schweingruber. Eine Epikrise ist als Teil des Arztbriefs ein zusammenfassender, kritischer Bericht über den Verlauf einer Krankheit oder Behandlung.
Dokumente werden automatisiert umgewandelt
Anfangs lief ARGO vor allem in hoch digitalisierten Kliniken des UKE reibungslos. Kliniken, in denen viele Dokumente nur gescannt vorlagen, stellte die Software dagegen vor eine Herausforderung. Inzwischen hat das IDM-Team, das aus Ärzt:innen, Spezialist:innen in Künstlicher Intelligenz, Softwareentwickler:innen und regulatorischen Expert:innen besteht, dieses Problem gelöst: Eingescannte Dokumente werden nun automatisiert in durchsuchbare Textformate umgewandelt und zentral archiviert. „Unsere enge Anbindung ans UKE ist dabei von großem Vorteil. Rückmeldungen aus der Klinik fließen direkt in die Weiterentwicklung ein und ermöglichen so praxisnahe und schnelle Verbesserungen“, sagt Bremer.
Momentan arbeitet die IDM an einer ISO-Zertifizierung, um von 2026 an als offizieller Hersteller von Medizinprodukten die Versorgung entscheidend zu verbessern. „Wir wollen Technologie aktiv mitgestalten und nutzen die Daten der Patient:innen verantwortungsvoll. Zugleich sind wir davon überzeugt, dass der Zugang zu KI in der Klinik niederschwellig und bezahlbar sein muss“, sagt Dr. Schweingruber.
Sprachmodelle auch in der Rheumatologie
Sogenannte Large Language Modelle könnten künftig in der Rheumatologie die Versorgung von Patient:innen verbessern. ChatGPT kann schon jetzt bei der Beantwortung von Patient:innenfragen durchaus mit gelernten Rheumatolog:innen mithalten, wie das Team um Dr. Isabell Haase aus der III. Medizinischen Klinik des UKE gemeinsam mit Wissenschaftler:innen der Philipps-Universität Marburg
in einer wissenschaftlichen Studie
herausgefunden hat. „Bei der verblindeten Evaluation erreichten die KI-generierten Antworten höhere Qualitätswerte als die der Rheumatolog:innen“, sagt Dr. Haase. ChatGPT hat zudem einen hohen Empathiegehalt. In einer weiteren Studie stellten die Forschenden die Überlegenheit von großen Sprachmodellen gegenüber klassischen Symptomcheckern im Erkennen von Patient:innen mit rheumatologischen Erkrankungen fest.
Mehr Informationen?
Hier kann OPRHEUS heruntergeladen und Kontakt mit der IDM aufgenommen werden: uke.de/idmedizin