Angriff auf die weiße Substanz

Leukodystrophien besser zu verstehen, betroffene Kinder und Familien medizinisch gut zu versorgen und die Therapieentwicklung voranzubringen – das ist Ziel der Spezialambulanz für Leukodystrophien im Kinder-UKE.

Knapp 50 Krankheiten sind bekannt, die sich hinter dem sperrigen Begriff Leukodystrophien verbergen. Er stammt aus dem Altgriechischen und bedeutet so viel wie „schlecht ernährtes Weiß“. Gemeint ist das Myelin, die weiße Gehirnsubstanz, die die Nervenbahnen schützend umgibt. „Bei Leukodystrophien ist diese Schutzschicht angegriffen, sodass das Myelin den Informationsfluss der Nervenströme nicht mehr richtig weiterleiten kann“, erklärt Dr. Annette Bley. In der Folge verlieren die Kinder unaufhaltsam alle motorischen Fähigkeiten wie Greifen, Sitzen, Laufen, Sehen, Sprechen und Schlucken. Bemerkbar machen sich die Erbkrankheiten meist im frühen Kindesalter. „Je schneller die Diagnose klar ist, desto besser können wir den Kindern helfen“, sagt Dr. Bley. Daher kommen bei neurologischen Auffälligkeiten heute frühzeitig gendiagnostische Verfahren zum Einsatz. Zudem werden Methoden entwickelt, um behandelbare Leukodystrophien bereits im Neugeborenenscreening feststellen zu können. Allerdings ist eine Therapie meist nur dann erfolgreich, wenn noch keine Symptome aufgetreten sind.

In der Spezialsprechstunde behandelt Dr. Bley mit einem multidisziplinären Team anderer Fachbereiche alle Formen von Leukodystrophien, jährlich rund 150 Patient:innen aus der ganzen Welt. Die Linderung von Symptomen steht dabei im Fokus, denn heilbar sind bislang nur sehr wenige Leukodystrophie-Formen. „Für zwei Varianten verfügen wir mittlerweile über zell- und gentherapeutische Ansätze, die den Verlauf verlangsamen können.“ Mit klinischen Studien werde versucht, auch Lösungen für andere Leukodystrophien zu finden. „Der Schlüssel liegt im genauen Verständnis dieser Krankheiten. Gelingt es uns, ihre Mechanismen zu knacken, werden wir auch Therapien entwickeln können.“

Foto: Eva Hecht