Wo (mein) Leben beginnt
Welche Rolle spielen Hebammen bei einer Geburt? Müssen in einer Uniklinik Ärzt:innen dabei sein? Wie möchten Frauen heute ihre Babies gebären? Fragen wie diesen geht Kinderreporterin Milou im Gespräch mit der Leitenden Hebamme Izabel Ohlsenaus dem Universitären Perinatalzentrum auf den Grund. Zugleich möchte sie sehen, wo im UKE sie vor 15 Jahren selbst das Licht der Welt erblickt hat.
Milou: Ich habe gehört, es gibt bei Ihnen die Möglichkeit, sich von nur einer Hebamme während der Geburt begleiten zu lassen. Was heißt das genau?
Izabel Ohlsen: Den Hebammenkreißsaal haben wir im Mai eröffnet. Hier begleitet nur eine Hebamme eine Frau, bei der unter der Geburt keine Risiken zu erwarten sind. Inwiefern das der Fall ist, klären wir im Vorweg ausführlich ab. Sollten Komplikationen auftreten, steht ein Team an Ärzt:innen bereit, mit dem wir die Geburt gemeinsam weiter begleiten. Ansonsten erleben die Frauen mit ihrer Hebamme eine selbstbestimmte natürliche Geburt in ruhiger Umgebung. Das erfüllt uns Hebammen mit Stolz und stärkt unsere Rolle.
Finden Sie es ansonsten angenehmer, wenn ärztliche Kolleg:innen dabei sind?
Hebammen lernen in ihrem Studium, Geburten von Anfang bis Ende allein zu begleiten, das ist also unser Beruf. Wenn es aber schwierig wird, ist es gut, Teil eines Geburtsteams aus mehreren Berufsgruppen zu sein und Kolleg:innen an der Seite zu wissen, die Mutter und Kind bestens medizinisch versorgen. Für dieses erfahrene Team bin ich nach 20 Jahren Berufserfahrung nach wie vor sehr dankbar.
Wann macht eine medizinische Versorgung Sinn?
Auch wenn wir Hebammen viele Schmerzmittel zur Linderung von Geburtswehen zur Verfügung haben, kann es sein, dass eine Frau zum Beispiel eine Rückenmarksbetäubung wünscht – diese müssen Anästhesist:innen legen. Oder wenn Babies per Kaiserschnitt auf die Welt geholt werden, können nur Ärzt:innen diese Bauchdecken-OP durchführen. Dennoch bleibt auch dann immer eine Hebamme an der Seite der werdenden Mutter und nimmt das Neugeborene inEmpfang.
Ist eine Geburt ohne ärztliche Begleitung gefährlicher?
Nein, eine Geburt, die nur von einer Hebamme begleitet wird, ist nicht gefährlicher. Eine Hebamme lernt während ihres Studiums, wann eine Geburt von normalen Abläufen abweicht. Dann sind wir verpflichtet, medizinische Hilfe dazu zu holen.
Welche Geburt haben Sie als besonders berührend erlebt?
Unter den 1.000 Kindern, die ich schon mit auf die Welt gebracht habe, ist mir eine Zwillingsgeburt in der Schweiz besonders in Erinnerung. Ich war sehr beeindruckt von der Stärke und dem Vertrauen der Frau, mit dem sie ihre Kinder auf natürlichem Weg geboren hat. Ein Moment voller Liebe und Glück.
Haben Sie schon mal eine Totgeburt erlebt?
Dass ein Kind unter der Geburt verstirbt, kommt eher selten vor. Häufiger verstirbt es bereits im Mutterleib. Diese schweren Momente gehören zu unserem Beruf dazu, dann gilt es, den Familien Trost zu spenden.
Was hat das mit Ihnen gemacht?
Eine Totgeburt macht mich immer traurig. Aber ich versuche, den Familien einen tröstlichen Abschied zu bereiten – ihre Dankbarbeit berührt mich einmal mehr.
Warum sind Sie Hebamme geworden?
Die Schwangerschaft meiner Mutter mit meiner kleinen Schwester habe ich als so intensiv erlebt, dass mir klar wurde, ich möchte auch beruflich Familien bei diesem wichtigen Ereignis im Leben begleiten. Außerdem bringt die Tätigkeit wegen ihrer Akademisierung und der Digitalisierung viele Weiterentwicklungsmöglichkeiten mit sich.
Bei wie viel Prozent der Geburten sind die Väter dabei?
Darüber erheben wir keine Daten. Aber aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass Frauen nur sehr selten allein zur Geburt kommen. Meist bringen sie eine Begleitperson mit, ihren Partner, ihre Partnerin, jemand Verwandtes oder aus dem engen Freundeskreis.
Warum nehmen die Kaiserschnittgeburten in Deutschland immer mehr zu?
Tatsächlich sind gerade die Raten für geplante Kaiserschnitte in Deutschland gestiegen. Das liegt vor allem an dem höheren Durchschnittsalter der Gebärenden, die ihr erstes Kind inzwischen erst mit Mitte 30 bekommt. Damit einher geht ein erhöhtes Risiko für Komplikationen und Erkrankungen. Diese Entwicklung zeigt, wie wichtig Aufklärung vor der Geburt ist. Viele denken fäschlicherweise, dass sie Babies in Beckenendlage oder Mehrlinge nicht spontan zur Welt bringen können oder ein Kaiserschnitt per se geringere Schmerzen mit sich bringt. Genau diese Aspekte klären wir vorab und räumen dabei Vorurteile aus.