Lern- und Gedenkort

Medizinverbrechen im Nationalsozialismus

Der Lern- und Gedenkort ist als Teil der Dauerausstellung in das Medizinhistorische Museum integriert. Seine Einrichtung im Jahr 2017 geht insbesondere auf zivilgesellschaftliche Initiativen zurück. Die Ausstellungseinheit erinnert an die Opfer von "Euthanasie" und Zwangssterilisationen und bietet einen Rahmen für die Auseinandersetzung mit den Medizinverbrechen im Nationalsozialismus.

Im Jahr 2015 entschied der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg, neben einer künstlerischen Arbeit am Ort der früheren Staatskrankenanstalt Langenhorn einen informierenden Lern- und Gedenkort zu schaffen. Zusätzlich sollten ein Gedenkbuch sowie eine Web-Datenbank an die Opfer erinnern. Das Gesamtprojekt wurde durch die ZEIT-Stiftung, die Joachim Herz-Stiftung und aus Mitteln der Senatskanzlei finanziert. Mit der Ausgestaltung und Umsetzung des Lernorts wurde das Medizinhistorische Museum betraut, in dem zwei Räume der bestehenden Dauerausstellung umgestaltet wurden.

Die Räume widmen sich eingehend auch den sich vor 1933 entwickelnden ideologischen Grundlagen und Diskursen (Eugenik, Sozialdarwinismus), um verschiedene Kontinuitäten über die politischen Systeme hinaus aufzuzeigen. Unter dem Titel "Fortschritt und Erfassung" rückt ein Ausstellungsteil die Entwicklung von Medizin und Sozialhygiene nach dem Ersten Weltkrieg in den Fokus. Die Gesundheitspolitik der Weimarer Republik veranschaulicht die Ambivalenz von staatlicher Wohlfahrt und Gesundheitsüberwachung sowie der fortschreitenden bürokratischen Erfassung und Kontrolle der Bevölkerung.

Der zweite Raum fokussiert auf die konkreten Verbrechen, ausgehend vom "Hungersterben" in den Psychiatrien des Ersten Weltkriegs über die Kinder-"Euthanasie", die T4-Mordaktionen, Patientenversuche in Konzentrationslagern und den Zwangssterilisationen. Dabei werden Opferbiographien ebenso wie verschiedene Täter anhand von Objekten beleuchtet. Die räumliche Verortung ist anhand einer wandgroßen Übersichtskarte nachvollziehbar. Anhand verschiedener Beispiele wird die juristische, gesellschaftliche und erinnerungskulturelle Aufarbeitung ersichtlich - im privaten wie im öffentlichen Raum.

Als größtes Exponat prägt den Raum eine bis zur Decke reichende Bücherwand mit medizinisch-wissenschaftlichen Titel von 1900-1970 - auf beinahe bedrohliche Weise symbolisiert sie die Mittäterschaft der vermeintlich "reinen" Wissenschaften als ideologische Basis für die Gräueltaten. Die Bücherwand bietet jedoch zugleich das Material für eine vertiefende Auseinandersetzung und weitere Recherchen. So umfasst ein Abteil auch eine Sammlung aktueller Sekundärliteratur zur Medizin und Gesellschaft im Nationalsozialismus.

In einem direkt anschließenden kleinen Raum, der ehemaligen Dunkelkammer des Institutsgebäudes, steht ein Datenbankterminal für die Recherche der Opferbiographien zur verfügung. Die Website ist auch unter www.hamburger-euthanasie-opfer.de zugänglich.
Die Räume sind barrierefrei zugänglich. Eine Broschüre in einfacher Sprache hilft bei der Orientierung. Die Ausstellungstexte sind durchgehend zweisprachig (deutsch und englisch).