Prof. Dr. Klaus Pantel kontrolliert die Probenbeschickung an einem Gerät zur automatisierten Anreicherung von Tumorzellen aus dem Blut von Krebspatienten

Der letzte Schritt

Forschen als Selbstzweck – das ist nicht die Maxime von Prof. Dr. Klaus Pantel. Sein Ziel: eine neue Methode zur Blutanalyse von Krebspatienten in die Krankenversorgung zu bringen. In wenigen Jahren, hofft der Mediziner, ist es soweit: „Wir gehen jetzt den letzten Schritt.“

Die Wahrscheinlichkeit, an Krebs zu erkranken, liegt bei 50 Prozent und hat sich in den vergangenen 30 Jahren nahezu verdoppelt. Nüchterne Zahlen? Für Klaus Pantel, Direktor des Instituts für Tumorbiologie, weit mehr als das, sie sind sein Antrieb. „Jeder von uns hat eine persönliche Beziehung zum Thema Krebs. Früher waren es Onkel und Tanten, die es getroffen hat; jetzt, mit über 50, sind es Freunde oder auch nahe Angehörige. Man kann gar nicht so viel dafür tun, dass es einen nicht trifft. Aber das Risiko, an der Krankheit zu versterben, lässt sich minimieren. Krebs lässt sich kontrollieren. Das haben die Forschungen der vergangenen Jahre gezeigt.“

Pantel selbst – vielfach ausgezeichnet, unter anderem 2010 mit dem Deutschen Krebspreis – hat maßgeblichen Anteil an diesen bahnbrechenden neuen Erkenntnissen; das Prinzip der sogenannten Flüssigbiopsie („Liquid Biopsy“), das derzeit die herkömmliche Krebsmedizin umzukrempeln scheint, wurde von ihm entwickelt. Aus wenigen Millilitern Blut können die Wissenschaftler bei einzelnen Patienten ablesen, wie weit der Krebs fortgeschritten ist und ob eine Therapie wirkt oder nicht. In der Konsequenz können Behandlungen daraufhin individuell angepasst werden. Vorbei die Zeiten, in denen Krebskranke standardisiert mit Chemotherapien überzogen wurden, die nur wenigen geholfen, aber vielen erhebliches Leid zugefügt haben.

„Wenn ich mir die Biologie der Krebszellen anschaue, bin ich immer wieder überrascht, dass man überhaupt einen Menschen heilen kann. Krebszellen verändern sich ständig und entziehen sich allen Angriffen“, erläutert Pantel. Beispiel Brustkrebs: Etwa 20 Prozent der Patientinnen haben den Rezeptor Her2Neu auf der Oberfläche der Tumorzellen. Mit der Substanz Herceptin lässt er sich blockieren und das Tumorwachstum erfolgreich bremsen. Bei vielen Patientinnen, deren Ursprungstumor frei von Her2Neu war und die Jahre später Metastasen entwickelt haben, hat Pantel den Rezeptor identifiziert – die Tumorzellen hatten ihren genetischen Code in der Zwischenzeit verändert. Vielen Patientinnen konnte mit einer Umstellung der Therapie entscheidend geholfen werden; Pantel wurde für diese Erkenntnisse von der Selbsthilfeorganisation mammazone zum „Busenfreund des Jahres“ gekürt.

Doktorandin Claudia Hille analysiert Blutproben am CellSearch-Gerät
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Doktorandin Claudia Hille analysiert Blutproben am CellSearch-Gerät


Therapie individuell anpassen

Solide Tumoren wie Brust-, Lungen-, Prostata- oder Darmkrebs geben ständig Krebszellen oder Bestandteile davon in die Blutbahn ab. Die Analyse der Gene, der Mikro-RNA und mikroskopisch kleiner Vesikel bietet die Möglichkeit, schnell Informationen über die Eigenschaften eines Tumors und der von ihm ausgehenden Metastasen zu gewinnen. Wie aggressiv ist er? Reagiert er auf bestimmte Medikamente oder nicht? Wesentliche Fragen, die mit dem neuen Bluttest beantwortet werden sollen. „In Zukunft wird es möglich sein, eine Therapie besser an den Patienten anzupassen und ihm unnötige Behandlungen zu ersparen“, sagt Prof. Pantel. „Selbstverständlich muss es für die Behandlung von Tumorpatienten Richtlinien geben. Ich bin aber vorsichtig mit Paradigmen, denn es gibt sehr unterschiedliche Krankheitsverläufe, wir müssen für jeden Patienten eine individuelle Lösung finden.“

Flüssigbiopsien sind vor allem für die Analyse fortgeschrittener Krebserkrankungen von Interesse. Gewebebiopsien sind für den Patienten sehr belastend, wenn sich Metastasen zeitgleich in Lunge, Leber, Gehirn oder Knochen angesiedelt haben. Flüssigbiopsien scheinen hier der verträglichere, schnellere und aussagekräftigere Weg zu sein, basieren sie doch auf einer einfachen Blutentnahme. Prof. Pantel: „Darüber hinaus ist es dank zunehmend sensitiverer Nachweismethoden möglich, eine drohende Metastasierung bereits im Anfangsstadium zu erkennen. Dies wird gezieltere therapeutische Interventionen ermöglichen, um Metastasen vorzubeugen.“

Tumorzellen werden magnetisch in der Kassette des CellSearch- Geräts angereichert
Tumorzellen:
Magnetische Anreicherung in der Kassette des CellSearch-Geräts

Aus dem Labor ans Krankenbett

Unter seiner Leitung laufen im UKE die Fäden des europäischen Krebsforschungsprojektes Cancer-ID zusammen. Ehrgeiziges Ziel ist es, das Konzept der Flüssigbiopsie aus dem Forschungslabor ans Krankenbett zu bringen. „Cancer-ID trägt wesentlich dazu bei, den Traum einer personalisierten Medizin Wirklichkeit werden zu lassen“, so Pantel. Für ihn selbst schließt sich dann ein Kreis. „Wenn nichts von dem, was ich hier mit meinem Team im Labor mache, jemals die Behandlung eines Krebspatienten beeinflussen würde, dann wäre ich mit meiner Lebensarbeitsleistung nicht zufrieden.“ Diese Gefahr scheint gebannt.

Austausch im Labor: Forscherinnen und Forscher des Instituts für Tumorbiologie
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Austausch im Labor: Forscherinnen und Forscher des Instituts für Tumorbiologie
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    Das Projekt Cancer-ID

    37 Institute und Unternehmen aus 13 Ländern haben sich zum Forschungsverbund Cancer-ID zusammengeschlossen. Das Projekt läuft fünf Jahre und fokussiert sich auf Patienten mit Lungen- und Brustkrebs. In internationalen klinischen Studien werden neue Bluttests bezüglich ihrer Aussagekraft für die Therapiesteuerung bei Krebspatienten getestet. Ziel ist es, eine Empfehlung für spezifische Methoden und Anwendungsgebiete der Flüssigbiopsie zu geben. Das Projekt wird von der EU und den industriellen Partnern mit rund 15 Millionen Euro gefördert.

Text: Uwe Groenewold

Fotos: Axel Kirchhof