Einwilligung erforderlich

Für eine gerichtsfeste Dokumentation der Folgen von Gewalt z.B. auf einem dafür vorgesehenen Formular, ist die Einwilligung der Patientin bzw. des Patienten (bzw. der gesetzlichen Vertretung) notwendig. Sollen Fotos von den sichtbaren Verletzungen angefertigt werden, setzt dies ebenfalls voraus, dass den Aufnahmen zugestimmt wird.


Wenn keine Einwilligung vorliegt

Willigt eine von Gewalt betroffene Person nicht in die gerichtsverwertbare Dokumentation und ggf. Fotodokumentation der Verletzungen bzw. Beschwerden ein, notieren Sie dies in der Patientenakte und nehmen Sie die Befunde so auf, wie es der sorgfältigen Erfüllung Ihrer ärztlichen Dokumentationspflicht entspricht.

Wenn Sie anhand der Befundlage den Verdacht haben, eine Person könnte von Gewalt betroffen sein, diese sich aber nicht über das Erlebte äußern will bzw. auf Ihre Ansprache hin Gewalt als Ursache von Verletzungen oder Beschwerden verneint, dokumentieren Sie dies bitte auch in der Patientenakte. Es könnte sein, dass Sie später dazu Aussagen treffen können, die z.B. bei Partnergewalt oder familiärer Gewalt relevant sein können, um eine Gewaltgeschichte nachzuweisen.


Wer ist einwilligungsfähig?

Einwilligungsfähig ist grundsätzlich, wer die Art, Bedeutung und Tragweite der ärztlichen Maßnahme
erfassen kann. Die Kriterien für die Einwilligungsfähigkeit sind Einsichtsfähigkeit, Urteilsfähigkeit und
Steuerungsfähigkeit. Die Person, der mutmaßlich Gewalt widerfahren ist, muss also
verstehen, was passiert, die Informationen verarbeiten und einschätzen können, welche Folgen
die Befundung und Dokumentation haben können. Bei Personen, bei denen die Einwilligungsfähigkeit

nicht von vorneherein angenommen wird, sollten Sie dokumentieren, woran Sie die Einwilligungsfähigkeit fest gemacht haben.Bewusstlose Personen sind nicht einwilligungsfähig.
In diesem Fall darf zunächst davon ausgegangen werden, dass die betroffene Person ein Interesse an der Dokumentation der Befunde hat.
Kognitiv beeinträchtigte Personen gelten als einwilligungsfähig bis das Gegenteil festgestellt wurde. Sie haben das Recht, über das weitere Vorgehen selbst zu bestimmen, solange ihr Wille erkennbar ist.

Für die dokumentierende Person besteht hier allerdings die besondere Herausforderung, das Geschehen und dessen Konsequenzen auch in einer gut verständlichen Form zu vermitteln. Bei Kindern und Jugendlichen ist zu prüfen, ob eine eigene Einwilligungsfähigkeit vorliegt. Sie ist nicht an ein bestimmtes Alter oder an die Geschäftsfähigkeit gebunden, sondern an die Reife, die nötig ist, um die Folgen einschätzen zu können. Rechtlich gesehen wäre eine Altersgrenze ab 14 meist begründbar. Liegt die Einwilligungsfähigkeit vor, ist eine Information der Eltern nicht notwendig, sondern hat sogar im Rahmen der ärztlichen Schweigepflicht zu unterbleiben. Ist die Einwilligungsfähigkeit nicht zu vermuten und geben die Eltern bzw. Betreuenden ihr Einverständnis nicht bzw. sind die möglichen Täterinnen bzw. Täter, oder stimmt ein sorgeberechtigter Elternteil zu, der andere nicht, so sollte eine Insofern erfahrene Fachkraft zur Beratung hinzugezogen werden.


Selbstbestimmungsrecht beachten

Im Idealfall werden Kindern und Jugendliche nach Gewaltwiderfahrnissen von ihren sorgenden Eltern begleitet. Ist dies nicht der Fall, mögen Jugendliche ihre Gründe dafür haben. Grundsätzlich könnte auch ein Elternteil oder die betreuende Person die Gewalthandlung vollzogen haben.

Kinder und Jugendliche könnten hier unabhängig von ihrer Einwilligungsfähigkeit das Jugendamt beratend mit hinzuziehen. Sie haben einen Anspruch auf Beratung durch die Kinder- und Jugendhilfe „ohne Kenntnis des Personensorgeberechtigten, wenn die Beratung auf Grund einer Not- und Konfliktlage erforderlich ist und solange durch die Mitteilung an den Personensorgeberechtigten der Beratungszweck vereitelt würde“ (§ 8 Abs. 3 SGB VIII).

Dass Eltern oder betreuende Personen auch Täter sein könnten, ist aber nicht der alleinige Grund, warum es nach Gewalt wichtig ist, das Selbstbestimmungsrecht der Person, der Gewalt widerfahren ist, zu beachten. Gewaltwiderfahrnisse sind damit verbunden, dass das Selbstbestimmungsrecht der Person verletzt wird. In der Verarbeitung dieser Situation ist es entsprechend besonders wichtig, ihr ihr Selbstbestimmungsrecht zurückzugeben.

„Kinder und Jugendliche brauchen das Vertrauen, dass ihr Hilfewunsch gehört und ihr Wunsch nach Vertraulichkeit respektiert wird“.