Arbeitsgruppe Kutsche

- Stellvertretende Institutsdirektorin
- Wissenschaftliche Arbeitsgruppenleiterin
- Fachhumangenetikerin (GfH)
Mitarbeiter
Dr. rer. nat. Frederike L. Harms
Tess Holling
Jane Rehberg
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Forschungsschwerpunkte
Ein Schwerpunkt unserer Forschungsarbeiten ist bereits seit vielen Jahren die Aufdeckung neuer Krankheitsgene für die seltenen, nach den Mendel’schen Regeln vererbten Krankheiten. Die Anwendung der neuen Hochdurchsatzsequenziertechnologien (next-generation sequencing), zu denen die Exom-, Genom- und Transkriptom-Sequenzierung gehören, hat zu schnellen Fortschritten und einem enormen Erkenntnisgewinn in diesem Teilgebiet der Humangenetik geführt. Wir wenden diese Techniken an, um bei Patienten mit einer genetisch bedingten Erkrankung die ursächliche Veränderung zu finden. Das Spektrum an Erkrankungen, das wir bearbeiten, reicht von Entwicklungsstörung und Intelligenzminderung bis zu komplexen Fehlbildungssyndromen, wobei wir ein besonderes Forschungsinteresse am Microphthalmia with linear skin defects (MLS)-Syndrom, Zimmermann-Laband-Syndrom, den RASopathien (neuro-kardio-fazio-kutane Syndrome) und Entwicklungsstörungen in Kombination mit Gehirnfehlbildungen (z. B. pontozerebelläre Hypoplasie) haben. Darüber hinaus untersuchen wir in ausgewählten Projekten, wie sich genetische Veränderungen auf die Funktion des vom Krankheitsgen kodierten Proteins auswirken.
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Ausgewählte Publikationen
- Schneeberger PE, Kortüm F, Korenke GC, Alawi M, Santer R, Woidy M, Buhas D, Fox S, Juusola J, Alfadhel M, Webb BD, Coci EG, Abou Jamra R, Siekmeyer M, Biskup S, Heller C, Maier EM, Javaher-Haghighi P, Bedeschi MF, Ajmone PF, Iascone M, Peeters H, Ballon K, Jaeken J, Rodríguez Alonso A, Palomares-Bralo M, Santos-Simarro F, Meuwissen MEC, Beysen D, Kooy RF, Houlden H, Murphy D, Doosti M, Karimiani EG, Mojarrad M, Maroofian R, Noskova L, Kmoch S, Honzik T, Cope H, Sanchez-Valle A, Undiagnosed Diseases Network, Gelb BD, Kurth I, Hempel M, Kutsche K (2020) Biallelic MADD variants cause a phenotypic spectrum ranging from developmental delay to a multisystem disorder.
Brain, Online ahead of print.
- Bauer CK, Schneeberger PE, Kortüm F, Altmüller J, Santos-Simarro F, Baker L, Keller-Ramey J, White SM, Campeau PM, Gripp KW, Kutsche K (2019) Gain-of-function mutations in KCNN3 encoding the small-conductance Ca(2+)-activated K(+) channel SK3 cause Zimmermann-Laband syndrome.
Am J Hum Genet 104: 1139-1157
. - Harms FL, Kloth K, Bley A, Denecke J, Santer R, Lessel D, Hempel M, Kutsche K (2018) Activating mutations in PAK1 encoding p21-activated kinase 1 cause a neurodevelop-mental disorder.
Am J Hum Genet 103: 579-591
. - Meyer zum Büschenfelde U, Brandenstein LI, von Elsner L, Flato K, Holling T, Zenker M, Rosenberger G, Kutsche K (2018) RIT1 controls actin dynamics via complex formation with RAC1/CDC42 and PAK1.
PLoS Genet 7: e1007370
. - Harms FL, Girisha KM, Hardigan AA, Kortüm F, Shukla A, Alawi M, Dalal A, Brady L, Tarnopolsky M, Bird LM, Ceulemans S, Bebin M, Bowling KM, Hiatt SM, Lose EJ, Primiano M, Chung WK, Juusola J, Akdemir ZC, Bainbridge M, Charng WL, Drummond-Borg M, Eldomery MK, El-Hattab AW, Saleh MAM, Bézieau S, Cogné B, Isidor B, Küry S, Lupski JR, Myers RM, Cooper GM, Kutsche K (2017) Mutations in EBF3 Disturb Transcriptional Profiles and Cause Intellectual Disability, Ataxia, and Facial Dysmorphism.
Am J Hum Genet 100: 117-127
. - Kortüm F, Caputo V, Bauer CK, Stella L, Ciolfi A, Alawi M, Bocchinfuso G, Flex E, Paolacci S, Dentici ML, Grammatico P, Korenke GC, Leuzzi V, Mowat D, Nair LDV, Nguyen TTM, Thierry P, White SM, Dallapiccola B, Pizzuti A, Campeau PM, Tartaglia M, Kutsche K (2015) Mutations in KCNH1 and ATP6V1B2 cause Zimmermann-Laband syndrome.
Nat Genet 47: 661-667
. - Endele S, Rosenberger G, Geider K, Popp B, Tamer C, Stefanova I, Milh M, Kortüm F, Fritsch A, Pientka FK, Hellenbroich Y, Kalscheuer VM, Kohlhase J, Moog U, Rappold G, Rauch A, Ropers HH, von Spiczak S, Tönnies H, Villeneuve N, Villard L, Zabel B, Zenker M, Laube B, Reis A, Wieczorek D, Van Maldergem L, Kutsche K (2010) Mutations in GRIN2A and GRIN2B encoding regulatory subunits of NMDA receptors cause variable neurodevelopmental phenotypes.
Nat Genet 42: 1021-1026
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- Schneeberger PE, Kortüm F, Korenke GC, Alawi M, Santer R, Woidy M, Buhas D, Fox S, Juusola J, Alfadhel M, Webb BD, Coci EG, Abou Jamra R, Siekmeyer M, Biskup S, Heller C, Maier EM, Javaher-Haghighi P, Bedeschi MF, Ajmone PF, Iascone M, Peeters H, Ballon K, Jaeken J, Rodríguez Alonso A, Palomares-Bralo M, Santos-Simarro F, Meuwissen MEC, Beysen D, Kooy RF, Houlden H, Murphy D, Doosti M, Karimiani EG, Mojarrad M, Maroofian R, Noskova L, Kmoch S, Honzik T, Cope H, Sanchez-Valle A, Undiagnosed Diseases Network, Gelb BD, Kurth I, Hempel M, Kutsche K (2020) Biallelic MADD variants cause a phenotypic spectrum ranging from developmental delay to a multisystem disorder.
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Projekt: Das Microphthalmia with linear skin defects (MLS)-Syndrom
Das MLS (microphthalmia with linear skin defects)-Syndrom ist eine seltene, X-chromosomal erbliche Entwicklungsstörung, die sich in der Regel im weiblichen Geschlecht manifestiert und mit in utero-Letalität von männlichen Individuen einhergeht. Neben der klassischen Symptom-Trias aus linearen erythematösen Hautdefekten im Gesichts- und Halsbereich, uni- oder bilateraler Mikrophthalmie und Sklerokornea wurden zahlreiche fakultative klinische Merkmale bei den Betroffenen beschrieben. Bei der Mehrzahl der Patienten mit MLS-Syndrom wurde bei vorliegendem XX-Komplement eine partielle Monosomie die Region Xp22.2 betreffend nachgewiesen. In Xp22.2 befindet sich das für die Holocytochrom c-Typ-Synthase kodierende HCCS-Gen, in dem pathogene Punktmutationen bei Patientinnen mit MLS-Syndrom und offensichtlich normalem Karyotyp gefunden wurden.
In den letzten Jahren waren wir an der Aufdeckung von zwei weiteren, X-chromosomalen Krankheitsgenen für das MLS-Syndrom maßgeblich beteiligt: COX7B und NDUFB11. HCCS, COX7B und NDUFB11 kodieren für Komponenten oder Untereinheiten der Multienzymkomplexe der Atmungskette, die eine zentrale Rolle bei der Energiegewinnung der Zelle durch die oxidative Phosphorylierung einnehmen. Erste Untersuchungen zu den Auswirkungen einer NDUFB11-Defizienz in einem in-vitro-Zellsystem haben gezeigt, dass die Zellen langsamer wachsen und vermehrt apoptotisch sterben. Durch weiterführende funktionelle Analysen wollen wir die zugrunde liegenden Mechanismen der reduzierten Zellproliferation und des vermehrten Zellsterbens in NDUFB11-defizienten Zellen aufklären. Ein weiteres Ziel dieses Projektes ist die Aufdeckung neuer Krankheitsgene für das MLS-Syndrom und verwandte Phänotypen mit Hilfe der Exom-Sequenzierung.
Zusammengefasst möchten wir mit dem hier beschriebenen Forschungsansatz neben neuen genetischen Erkenntnissen auch Einblicke in den Pathomechanismus des MLS-Syndroms erhalten.
Förderung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft ( KU 1240/6-2 ) von 2017 bis 2021.
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Projekt: Identifizierung neuer Krankheitsgene für neuro-kardio-fazio-kutane Syndrome mit Hilfe der gesamtexomischen Sequenzierung sowie Untersuchungen zu funktionellen Auswirkungen pathogener Mutationen
Das Noonan-, kardio-fazio-kutane (cardio-facio-cutaneous, CFC) und Costello-Syndrom gehören zu einer Gruppe klinisch ähnlicher Erkrankungen, die durch heterozygote Keimbahnmutationen in für Proteine des RAS-MAPK (mitogen-activated protein kinase)-Signalwegs kodierenden Genen verursacht werden. Sie werden als neuro-kardio-fazio-kutane (neuro-cardio-facio-cutaneous, NCFC) Syndrome oder RASopathien zusammengefasst. In etwa 30% der Patienten mit RASopathie-Phänotyp wird in den bekannten Krankheitsgenen keine pathogene Mutation aufgedeckt. Wir wollen neue Gene für die RASopathien durch Exom-Sequenzierung bei ausgewählten Patienten mit klinisch gut definiertem Phänotyp identifizieren. Die Bestätigung potentieller Kandidatengene und das mit den Mutationen assoziierte klinische Spektrum soll durch eine Mutationsanalyse in einer großen Kohorte erfolgen, die Patienten mit variablen Phänotypen aus dem RASopathie-Spektrum einschließt. Ein weiterer Schwerpunkt unserer Arbeiten ist die Charakterisierung der funktionellen Auswirkungen von Mutationen, die mit RASopathien assoziiert sind. Hier wollen wir bei der Analyse von bereits in Vorarbeiten identifizierten neuen Mutationen in bekannten bzw. neuen Krankheitsgenen/Proteinen, die mit RAS-Signalwegen in Zusammenhang stehen, ein gut etabliertes Methodenspektrum von biochemischen und zellbiologischen Untersuchungen einsetzen und ausbauen. Wir erwarten einen bedeutsamen Erkenntnisgewinn, nicht nur hinsichtlich der genetischen Grundlagen der RASopathien und ihrer pathophysiologischen Ursachen, sondern auch im Hinblick auf die Aufklärung der komplexen Regulation des RAS-MAPK-Signalwegs.
Förderung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft ( KU 1240/9-2 ) von 2020 bis 2023.
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Projekt: Die Calcium/Calmodulin-abhängige Serin-Protein-Kinase CASK
Bei Patienten mit schwerer Intelligenzminderung und ggf. weiteren klinischen Auffälligkeiten, wie Mikrozephalie und einer Fehlbildung des Kleinhirns und der Pons (pontozerebelläre Hypoplasie; MICPCH), deckte unsere Arbeitsgruppe Mutationen im X-chromosomalen CASK-Gen auf. CASK kodiert für die Calcium/Calmodulin-abhängige Serin-Protein-Kinase CASK. In Synapsen des zentralen Nervensystems trägt CASK zur Bildung präsynaptischer Proteinkomplexe und zum Transport von NMDA-Rezeptoren zur Postsynapse bei. Zusätzlich aktiviert CASK in neuronalen Zellkernen gemeinsam mit dem Transkriptionsfaktor Tbr1 die Transkription der Zielgene Reelin und NR2B; letzteres kodiert für eine Untereinheit der NMDA-Rezeptoren. NMDA-Rezeptoren steuern die synaptische Plastizität und fungieren so als “Schalter” für Lernen und Gedächtnis; daher legt die Beteiligung von CASK an Expression und Transport der NMDA-Rezeptoren eine Rolle bei synaptischer Plastizität und Lernvorgängen nahe.
Unser jetziger Wissensstand deutet darauf hin, dass ein komplexes genetisches und molekulares bzw. synaptisches Netzwerk den Phänotyp von Personen mit CASK-Mutation bestimmt. Die phänotypische Variabilität deutet darauf hin, dass eine Reihe von modifizierenden Genen CASK-abhängige Prozesse beeinflusst. CASK agiert an drei verschiedenen zellulären Orten in unterschiedlichen Proteinkomplexen, und es ist z. Zt. unklar, welcher dieser Komplexe relevant für den Pathomechanismus ist. Unsere Ziele sind:
- Etablierung einer Genotyp-Phänotyp-Korrelation für Patienten mit CASK-Mutation,
- Identifizierung von Modifier-Genen, die für phänotypische Unterschiede bei Patientinnen mit CASK-Mutation verantwortlich sind,
- Analyse der Auswirkungen von CASK-Missense-Mutationen auf Protein-Protein-Interaktionen des CASK-Proteins, den intrazellulären Transport von Neurotransmitterrezeptoren und die transkriptionelle Regulation von Ziel-Genen des CASK-Tbr1-Komplexes.
Förderung durch die Landesforschungsförderung Hamburg von 2015 bis 2017 und die Deutsche Forschungsgemeinschaft (KU 1240/10-1), gemeinsam mit Herrn Prof. Dr. Hans-Jürgen Kreienkamp (KR 1321/7-1), von 2016 bis 2020.
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Projekt: Identifizierung neuer monogener Krankheitsgene mittels Next-Generation Sequencing
Die Exom-Sequenzierung ist heutzutage die Methode der Wahl, um krankheitsrelevante DNA-Sequenzveränderungen bei Patienten mit erblichen Krankheiten aufzudecken. In diesem Vorhaben wollen wir diese Technik anwenden, um neue Krankheitsgene für das Zimmermann-Laband-Syndrom, das Hallermann-Streiff-Syndrom, eine syndromale Extremitätenverdopplung und eine familiäre Lebererkrankung zu identifizieren sowie bei Einzelpatienten mit einer seltenen syndromalen Erkrankung die höchstwahrscheinliche krankheitsrelevante genetische Veränderung aufzudecken.
Nach dem erfolgreichen Auffinden von neuen Krankheits- und Kandidatengenen in der ersten Förderperiode dieses Projektes wollen wir weiterführende funktionelle Analysen zur Aufklärung der pathophysiologischen Grundlagen ausgewählter Erkrankungen durchführen. Konkret wollen wir die strukturellen und funktionellen Auswirkungen von Aminosäureaustauschen, die wir in den Krankheitsgenen für das Zimmermann-Laband-Syndrom, KCNH1 und ATP6V1B2, gefunden haben, aufklären. Bei anderen Familien und Patienten haben wir Veränderungen in Genen gefunden, die potenziell krankheitsursächlich sein können. Für die von diesen Genen kodierten Proteine wollen wir biochemische und zellbiologische Untersuchungen durchführen, um einen möglichen Einfluss der jeweiligen Aminosäureveränderung auf die Proteinfunktion herauszufinden.
Zusammenfassend wollen wir in diesem Forschungsprojekt mit der Exom-Sequenzierung und den anschließenden funktionellen Studien an Krankheits- und Kandidatengenen die große methodische Bandbreite der modernen humangenetischen Forschung nutzen, um zur genetischen und funktionellen Charakterisierung seltener syndromaler Erkrankungen und damit zu deren grundlegendem Verständnis beizutragen.
Förderung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft ( KO 4576/1-2 ) von 2016 bis 2021.
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Projekt: Verbesserte klinische Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit Marfan-Syndrom und verwandten Erkrankungen durch molekulargenetische Diagnostik mittels der „next-generation“-Sequenzierung
Das Vorhaben ist eine Initiative zwischen zwei humangenetisch/klinisch-genetisch tätigen Instituten (UKE und Kasturba Medical College, Manipal, Indien), um die klinische Versorgung von Patienten mit Marfan-Syndrom und verwandten Erkrankungen in Indien nachhaltig zu verbessern. Das Marfan-Syndrom und verwandte Erkrankungen, die als Aortopathien zusammengefasst werden, sind mit einem erhöhten Risiko für ein frühes Versterben durch eine Aortendissektion oder -ruptur assoziiert. Die klinischen Merkmale manifestieren sich in der Kindheit; das Risiko einer Aortendissektion oder -ruptur steigt im Jugendalter. Dementsprechend ist eine frühe klinische und genetische Diagnose für eine optimale medizinische Versorgung, inklusive abgestimmter therapeutischer Maßnahmen, eine verbesserte Prognose und Lebensqualität der Kinder und Jugendlichen von großer Bedeutung. Ziel des Projektes ist es, die genetische Ursache bei den betroffenen Personen mit state-of-the-art-Technologien auf dem Gebiet der Molekulargenetik aufzudecken. Konkret ist folgendes geplant:
- Mit Hilfe eines auf der next-generation sequencing (NGS)-Technologie basierten Genpanels soll bei indischen Kindern und Jugendlichen mit V. a. eine Aortopathie nach der ursächlichen genetischen Veränderung gesucht werden, um die klinische Diagnose molekular zu bestätigen.
- Mit Hilfe der Exom-Sequenzierung soll in indischen Familien mit mehreren, von einer Aortopathie betroffenen Mitgliedern nach der genetischen Ursache gesucht und neue Krankheitsgene aufgedeckt werden.
Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (D1DQ17003) von 2017 bis 2019.
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Projekt: Genom- und RNA-Sequenzierung in 25 Familien mit von einer Mendel'schen Erkrankung betroffenen Person/en
Mit der Hochdurchsatzsequenzierung, zu der whole-exome sequencing (WES) und whole-genome sequencing (WGS) zählen, wurde die Aufdeckung genetischer Ursachen für monogene Erkrankungen revolutioniert. WES und WGS sind höchst sensitiv gegenüber der Detektion von single nucleotide variants (SNVs) und small insertions and/or deletions (indels). Durch Trio-WES wird eine Aufklärungsrate von ~40% erreicht, die durch computergestützte Analysen von copy number variants (CNVs) um 2-10% gesteigert werden kann. WGS hat gegenüber WES entscheidende Vorteile, wie die gleichmäßige Datenqualität über das gesamte Genom hinweg und den Zugang zu bestimmten Varianten. Hierzu gehören Varianten in Promotor- und untranslatierten Regionen von proteinkodierenden Genen, solche in RNA-Genen und nicht-kodierenden Regionen sowie strukturelle Varianten (SVs) wie Inversionen und Translokationen. Mit der Aufdeckung von 4-5 Millionen Varianten pro Genom wächst die Schwierigkeit der systematischen Variantenpriorisierung. Komplementär zu WGS kann RNA sequencing (RNA-seq) eingesetzt werden, wodurch aberrante Transkripte sowie eine differentielle und/oder monoallelische Expression eines Gens aufgedeckt werden können. Aktuelle Studien zeigen, dass RNA-seq ein unverzichtbarer Begleiter von WGS ist, um eine erfolgreiche Priorisierung und Interpretation der Millionen Varianten zu erreichen.
Wir wollen die genetische Ursache in 25 Familien, in denen eine/mehrere Person/en eine monogene Erkrankung und keine durch WES gestellte genetische Diagnose haben, identifizieren und damit zur Aufklärung neuer Krankheitsgene beitragen. Zunächst werden vorhandene Exom-Daten von 42 Betroffenen mittels verschiedener computergestützter Algorithmen auf das Vorliegen von möglichen pathogenen CNVs analysiert. Bei 25 klinisch gut charakterisierten Patienten ohne genetische Diagnose und Eltern wird anschließend WGS durchgeführt. Die Filterung und Priorisierung der Varianten erfolgt stufenweise nach (i) in proteinkodierenden und Spleiß-Regionen lokalisierten SNVs/indels, (ii) CNVs und SVs, die exonische, proteinkodierende und Spleiß-Regionen umfassen, und (iii) de novo vorliegenden nicht-kodierenden Varianten in putativ regulatorischen Regionen. Hierfür werden verschiedene bioinformatische Methoden evaluiert und etabliert. Validierung und Segregation der genetischen Varianten erfolgt durch klassische molekulargenetische Methoden. Mit Hilfe von RNA-seq an RNA aus Fibroblasten der 25 o. g. Patienten sollen fehlgespleißte mRNAs und monoallelisch/differentiell exprimierte Gene aufgedeckt werden. Durch die Integration von WGS- und RNA-seq-Daten sollen potentiell krankheitsrelevante Varianten herausgefiltert werden. Mit dem Auffinden von Kandidatengenen wird international nach weiteren Betroffenen gesucht. Die funktionellen Auswirkungen verschiedener Varianten auf das Genprodukt und assoziierte Signalwege werden durch biochemische und zellbiologische Assays untersucht.
Förderung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft ( KU 1240/13-1 ) von 2020 bis 2023.