Wenn die Seele weint

Khadiga weiß, wie es ist, neu in der Schule zu sein und kein Deutsch zu verstehen. Wie geht es erst Kindern und Jugendlichen, die in ihrer Heimat oder auf der Flucht nach Deutschland Opfer von Krieg und Gewalt wurden? Dies und mehr hat unsere Kinderreporterin Dr. Areej Zindler, Ärztliche Leiterin der Flüchtlingsambulanz des UKE, gefragt.

Khadiga: Woran erkennt man, dass Kinder oder Jugendliche Hilfe brauchen?

Dr. Zindler: Viele Opfer von Gewalt und Krieg können sich schlecht konzentrieren, haben Albträume, sprechen vielleicht nicht, ziehen sich nur zurück oder sind aggressiv – manche nässen auch nachts wieder ein. Wir nennen das „Weinen der Seele“.

Welche Hilfe bieten Sie an, und wie erfahren Betroffene davon?

In der Flüchtlingsambulanz versorgen wir Kinder und Jugendliche sowohl psychisch als auch sozial. In Einzel- und Gruppentherapien, in Familien- oder Kunsttherapien etwa finden wir gemeinsam heraus, was die Ursachen für mögliche Probleme sind. Und wir geben Hilfe zur Selbsthilfe, damit sie ihr Leben wieder besser meistern können. Aber: Betroffene müssen die Hilfe auch wollen und sich an uns wenden.

Wie klären Sie Familien und Schulen auf?

Wir gehen in viele Einrichtungen, bieten Schulungen vor Ort oder in der Flüchtlingsambulanz an. Das Umfeld einzubinden, ist uns besonders wichtig. Denn: Nur wenn die Eltern glücklich sind, ist auch das Kind glücklich. Und: Wir möchten die traumatisierten Kinder und Jugendlichen in die Gesellschaft integrieren. Da hat sich viel getan bis heute wenn man bedenkt, dass viele Erwachsene ihre Kinder vor 50 Jahren geschlagen haben und es noch kein Recht auf gewaltfreie Erziehung gab.

Wonach priorisieren Sie, wer welche Hilfe braucht?

Wir führen diagnostische Gespräche, schauen, ob Kinder und Jugendliche sich selbst oder andere gefährden oder verletzten. Je nach Schwere der Symptome entscheiden wir über die Art der Therapie. Und: Nicht alle mit schrecklichen Erlebnissen werden überhaupt krank und benötigen Therapie.

Wie lange dauert in der Regel eine Unterstützung?

Das ist sehr unterschiedlich. Einige Kinder und Jugendlichen kommen nur fünf Mal zu uns, andere begleiten wir mehrere Jahre lang.

Wie koordinieren Sie die Hilfen, und was können Eltern und Lehrer:innen zum Behandlungserfolg beitragen?

Für ukrainische Kinder und Jugendliche etwa, die in Hamburg ankommen und Hilfe brauchen, vermitteln wir Angebote zur Unterstützung und Therapie. Wichtig ist, genau hinzuschauen: Wie geht es dem Kind? Was braucht es? Wir sehen viele Kinder, bei denen das Umfeld den engen Kontakt verloren hat – dann ist es viel schwieriger für das Kind, überhaupt Hilfe zu erfahren.

Bieten Sie Hilfsprogramme auch online an?

Während der Corona-Pandemie und in Teilen auch jetzt bieten wir Therapie per Video an. Außerdem gibt es für Helfer:innen der ukrainischen Kinder und Jugendliche, die in Hamburg angekommen sind, eine wöchentliche telefonische Sprechstunde.

Welche Voraussetzungen müssen Dolmetscher:innen bei den Therapien erfüllen?

Tatsächlich gibt es keine einheitliche Ausbildung für das Dolmetschen bei Therapien. In der Flüchtlingsambulanz schulen wir unsere Sprachvermittler:innen deshalb: Sie müssen nicht nur Deutsch und die Fremdsprache fließend sprechen können, sondern auch wissen, dass sie Situationen nicht interpretieren oder mit eigenen Ansichten vermischen dürfen. Außerdem müssen sie sich an eine Schweigepflicht halten.

Welche erfolgreiche Therapie ist Ihnen am stärksten in Erinnerung geblieben?

Viele! Sehr beeindruckt hat mich vor zwei Jahren das ehrliche Geständnis einer Mutter, die ihre Kinder schlug und dies trotz aller Ängste vor dem Jugendamt und einem möglichen Entzug der Kinder offen geäußert hat. Gemeinsam konnten wir neue Möglichkeiten im Umgang mit den Kindern finden. Alle Kinder leben heute noch bei der Mutter – das erfüllt mich mit Stolz.


Wer Hilfsbedürftige unterstützen möchte – die Expertin rät…

…das zu tun, was einem selbst liegt

…eigene Grenzen der Belastbarkeit zu kennen

…sich an professionelle Stellen in Wohnortnähe zu wenden

…lieber weniger Zeit zu investieren, dafür längerfristig dabeizubleiben

Text: Kathrin Thomsen, Fotos: Axel Kirchhof

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