Bewegung ist Medizin

Körperliche Aktivität kann bei einer Vielzahl chronischer Erkrankungen – so genannter „nicht übertragbarer Erkrankungen“ (engl.: non-communicable diseases (NCDs) oder „Lebensstil assoziierter Erkrankungen“ – einerseits präventiv als „Impfung“ wirken und hat darüber hinaus auch einen therapeutischen Effekt, der dem von Medikamenten gleichkommen kann – allerdings mit geringeren Risiken und Nebenwirkungen. Und umgekehrt gilt: Wer sich nicht ausreichend bewegt, schadet seinem Körper. Dazu gibt es inzwischen eine Vielzahl so genannter „Inaktivitätsstudien“, die diesen Zusammenhang eindrucksvoll belegen. In unseren wissenschaftlichen Studien untersuchen wir mit unterschiedlichen Patientengruppen und Kooperationspartnern Fragestellungen wie:

  • Welchen Zusammenhang hat die Lebensweise (Ernährung, Bewegung, psychosoziale Faktoren) mit der Entwicklung von Erkrankungen? Wie lassen sich chronische Erkrankungen vorbeugen?
  • Welchen Effekt hat körperliche Aktivität auf die menschliche Biologie (sportmedizinisch, endokrinologisch, immunologisch, neurobiologisch, psychologisch)?
  • Welche Form und Dosierung (Dauer, Frequenz und Intensität) körperlicher Aktivität ist für die verschiedenen Krankheitsbilder indiziert?

Prävention

In der Primärprävention und Rehabilitation körperlicher Erkrankungen gilt körperliche Aktivität schon seit einigen Jahrzehnten als ein wesentlicher schützender bzw. therapeutischer Faktor. So senkt körperliche Aktivität erwiesenermaßen das Risiko unter anderem für

  • Diabetes mellitus
  • Koronare Herzerkrankungen
  • Arterielle Verschlusserkrankungen
  • Arterielle Hypertonie
  • Osteoporose
  • Übergewicht
  • Tumorerkrankungen
Das Expertengremium des World Cancer Research Funds kommt zu dem Schluss, dass „regelmäßige körperliche Aktivität der Neubildung von bösartigen Tumoren vorbeugen kann. Speziell für Dickdarmkarzinome und für hormonabhängig wachsende Tumoren der weiblichen Brustdrüse in der Postmenopause ist die Evidenz für schützende Effekte sehr hoch.“ (Food, Nutrition, Physical Activity, and the Prevention of Cancer: a Global Perspective.Washington DC: AICR, 2007)

Therapie

Weit weniger bekannt und erforscht ist die therapeutische Wirkung körperlicher Aktivität bei bestehenden chronischen Erkrankungen. Im Mittelpunkt der aktuellen wissenschaftlichen Arbeit steht die Klärung der biologischen Mechanismen, durch die richtig dosierte körperliche Aktivität beispielsweise den Verlauf von Tumor- oder Herzerkrankungen positiv beeinflusst. Der Muskel muss nicht nur als Bewegungsorgan, sondern auch als endokrinologisch und immunologisch aktives Organ angesehen werden, das Myokine (Muskelhormone) produziert. Entsprechend sezerniert auch das Fettgewebe so genannte Adipokine mit z.T. adversen Konsequenzen für den Organismus.

Immer mehr wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass Bewegung eine effektive unterstützende Therapieoption bei der Behandlung chronischer Erkrankungen ist. So konnten deutliche Erfolge bei der Therapie von Tumor-, Herz-, Stoffwechsel-, Lungen-, neurologischen, psychiatrischen und muskuloskeletalen Erkrankungen gezeigt werden. „Wenn es ein Medikament gäbe, das all die erwiesenen positiven Effekte körperlicher Aktivität hätte, würde dann nicht jeder alles Mögliche tun, um Zugang zu dieser Wunder-Droge zu bekommen?“ (Sallis RE Br J Sports Med, 2009, 43, 3-4)

Gefahren durch Bewegungsmangel

Auf der anderen Seite erhöht körperliche Inaktivität das Risiko für chronische Erkrankungen deutlich:

  • Koronare Herzerkrankungen um 45%
  • Schlaganfall um 60%
  • Bluthochdruck um 30% und
  • Osteoporose um 59%.
Diese Erkrankungen haben immense gesundheitspolitische Bedeutung und verursachen hohe Kosten im Gesundheitswesen. In einer Studie zur Auswirkung von Inaktivität (Olsen et al., JAMA. 2008; 299(11):1261-1263) reduzierten Probanden ihre durchschnittliche Schrittzahl für drei Wochen auf etwa ein Zehntel. Die körperlichen Veränderungen waren dramatisch:
  • Entwicklung einer Zuckerstoffwechselstörung (Prädiabetes)
  • Entwicklung einer Fettstoffwechselstörung
  • Vermehrte Fettspeicherung
  • Abnahme der Muskelmasse
Körperlich träge zu sein, bedeutet also nicht nur, dem Körper nichts Gutes zu tun, sondern ihm aktiv zu schaden.