wissen + forschen 2018

Willkommen auf den Seiten des Magazins "wissen + forschen" zum Thema Neuroforschung, das Gehirn im Fokus.

"Eine Revolution"

Die Therapiefortschritte bei neurologischen Erkrankungen sind gewaltig; vielen Patienten kann heute besser als noch vor wenigen Jahren geholfen werden. Voraussetzung hierfür ist eine intensive neurowissenschaftliche Forschung, wie Prof. Dr. Burkhard Göke und Prof. Dr. Dr. Uwe Koch-Gromus betonen.

Vorstand
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Prof. Dr. Göke, Prof. Dr. Koch-Gromus im ZMNH mit
MS-Forschern Prof. Dr. Friese und Prof. Dr. Heesen

Demenz, Schlaganfall, Parkinson – Erkrankungen aus dem neurologischen Spektrum sind in hohem Maße angstbesetzt. Ist die Angst begründet?

Prof. Dr. Dr. Uwe Koch-Gromus, Dekan der Medizinischen Fakultät: Es handelt sich um sehr unterschiedliche Krankheitsbilder mit meist gravierenden Folgen. Die Angst davor ist nachvollziehbar.

Prof. Dr. Burkhard Göke, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des UKE: Gleichwohl, in den Neurowissenschaften hat praktisch eine Revolution stattgefunden. Patienten mit einem Schlaganfall etwa, die früher aussichtlos von Lähmungen betroffen gewesen wären, können heute dank kathetergestützer Verfahren eine Wiederherstellung aller Körperfunktionen erreichen. Bei der Multiplen Sklerose bewirken neue Immunsuppressiva und bei Parkinson technische Hilfsmittel wie die Tiefe Hirnstimulation erstaunliche Behandlungserfolge.

Neue Behandlungsmöglichkeiten erfordern große Forschungsanstrengungen. Welchen Stellenwert hat die neurologische Forschung im UKE?

Gromus: Die Neurowissenschaften gehören zu den besonders erfolgreichen Schwerpunkten des UKE; hier wurden in den vergangenen Jahren Sonderforschungsbereiche, klinische Forschergruppen und internationale ERC Grants eingeworben. Wir haben die neurologische Forschung im UKE optimiert, indem wir Netzwerke gebildet haben. So arbeiten klinische Forscher, die täglichen Kontakt mit Patienten haben, eng mit Grundlagenforschern zum Beispiel aus dem ZMNH oder dem Institut für Neurophysiologie zusammen. Das hat sich als sehr fruchtbar erwiesen. Auch aus der Vernetzung unserer Forschungsschwerpunkte, etwa der Neurowissenschaften mit den Bereichen Inflammation, Immunität und Infektion, ergeben sich neue Ansätze.

Neurowissenschaftler des UKE haben in den vergangenen Jahren große Summen an Fördergeldern eingeworben. Dennoch sind viele Projekte auf Unterstützung durch Stiftungen und private Förderer angewiesen. Ist Spitzenforschung ohne privates Geld nicht mehr möglich?

Koch-Gromus: Das UKE hat in den vergangenen drei Jahren 15 Stiftungsprofessuren eingeworben. Nur deshalb können wir den Aufschwung in der Forschung aufrechterhalten. Bei einer festgelegten jährlichen Steigerung des Etats für Forschung und Lehre um lediglich 0,88 Prozent müssen wir einen Verlust von rund 1,5 Prozent pro Jahr kompensieren. Dies ist ohne private Unterstützung nicht möglich.

Göke: Die Förderer unterstützen uns aus persönlicher Betroffenheit und Dankbarkeit, weil sie unsere Arbeit im UKE für wichtig, erfolgversprechend und besonders unterstützenswert erachten. Wir leben in einer Zeit, in der es klinische Antworten auf viele drängende Fragen gibt. Es ist also für Förderer und Wissenschaftler befriedigend, dass wir bahnbrechende Therapieverbesserungen erreichen können.

Wie gut sind die strukturellen Voraussetzungen am UKE für eine erfolgreiche neurologische Forschung?

Koch-Gromus: Für die neurologische Forschung gilt das Gleiche wie für die gesamte Forschung im UKE: Wir sind ein Opfer unseres eigenen Erfolges der vergangenen Jahre geworden. Wir haben unsere jährlich eingeworbenen Drittmittel von 30 auf annähernd 100 Millionen Euro gesteigert. Das bedeutet ein Plus von 500 Wissenschaftlern, davon allein 150 bis 200 Neurowissenschaftler. Für diese Wissenschaftler benötigen wir ausreichend räumliche Kapazitäten, es ist überall zu eng. Wir sind dringend auf ein neues Forschungsgebäude, den Campus Forschung II, angewiesen.

Göke: Forschung ist kein Selbstzweck! Wir betreiben sehr großen Aufwand zur Verbesserung von Therapien. Je mehr Menschen mit guten Ideen zusammenkommen, desto schneller werden die Patienten merken, dass es vorangeht.

Wann ist mit dem Baubeginn des Campus Forschung II zu rechnen?

Göke: Wir hoffen, dass wir in zwei bis drei Jahren den ersten Spatenstich setzen können.

Koch-Gromus: Der Campus Forschung II ist entscheidend dafür, dass wir das erreichte Niveau halten und gegebenenfalls weiter steigern können.

Kann es noch zu Verzögerungen kommen?

Göke: Die Stadt muss entscheiden, welche Prioritäten sie setzen will. Es gibt in Hamburg etwa mit der Zukunft des Hafens oder der HSH Nordbank weitere wichtige Projekte. Aus meiner Sicht lässt die Gesamtentwicklung erahnen, dass das Konzept einer Gesundheits- und Wissenschaftsstadt sehr gut ist. Nur: Diese Entwicklung geschieht nicht von allein, die knospenden Pflanzen müssen stetig gegossen werden.

Text: Uwe Groenewold
Fotos: Axel Kirchhof