Ein Herz aus dem Labor

Bei einem von hundert Neugeborenen arbeitet das Herz nicht so, wie es soll. Und bei rund zwei Prozent dieser herzkranken Babys kommt es zu einem schwerwiegenden Defekt, dem Hypoplastischen Linksherzsyndrom– den Säuglingen fehlt ein halbes Herz.

„Unser Körper kann vieles selbst reparieren, aber keine fehlenden Organe ersetzen. Da müssen wir helfen“, sagt Kinderherzchirurg Dr. Daniel Biermann. Beim Hypoplastischen Linksherzsyndrom handelt es sich um eine der schwersten angeborenen Herzerkrankungen, die unbehandelt rasch zum Tod des Neugeborenen führt. Die unterentwickelte linke Herzkammer kann jedoch vorgeburtlich mittels Ultraschall diagnostiziert und meist sehr erfolgreich operativ behandelt werden. Dazu werden Zugänge und Abflüsse operativ verlegt, schließlich ein Kunststoffröhrchen implantiert, damit verbrauchtes Blut direkt zur Lunge fließt. Dennoch muss auch künftig eine Herzkammer für zwei pumpen. Das führt nicht selten zu Komplikationen, etwa 30 Prozent der Patient:innen sterben vor der Pubertät.

Was wäre, wenn das Implantat nicht aus Kunststoff, sondern aus humanem Gewebe bestünde, das wie ein Herz pumpen und mitwachsen kann? Diese Vorstellung ist inzwischen mehr als eine Vision. Nach intensiven, von Prof. Dr. Thomas Eschenhagen und seinem Team initiierten Forschungen ist es am UKE gelungen, einen Tunnel aus menschlichen Herzmuskelzellen zu züchten, der pocht und selbst leichte elektrische Signale weiterleitet. Tissue Engineering heißt das Fachgebiet, Gewebezüchtung. Die Kammer aus dem Reagenzglas ist erst 1,8 Zentimeter klein, ihre Wände sind hauchdünn. Doch Dr. Biermann ist mit seinem Team aus der von Prof. Dr. Michael Hübler geleiteten Kinderherzchirurgie angeborener Herzfehler zuversichtlich:„In fünf Jahren wollen wir mit ersten klinischen Versuchen starten.“ Damit aus zartem Gewebe ein starker Muskel wachsen kann.

Die Kinderherzforschung ist aufwendig. Hier können Sie unterstützen: uke.de/spenden

Text: Silvia Dahlkamp, Foto: Eva Hecht

Eine Herzkammer aus dem Labor

Hier wächst die künstliche, aus Stammzellen gezüchtete Herzkammer heran – noch ist es die Medizin der Zukunft, doch in fünf Jahren wollen die Wissenschaftler:innen viele Schritte weiter sein. Im Video erklären Dr. Biermann und sein Team, wie das Verfahren der Zellzüchtung abläuft.