Replace: Wie Tierversuche ersetzt werden können

Seit mehreren Jahren arbeiten Wissenschaftler:innen im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf konstant und mit großem Erfolg daran, Methoden zu entwickeln, die Tierversuche ersetzen. Dabei greifen sie verstärkt auf Computersimulationen, Multiorganchips oder permanente Zellkulturen zurück, um schwere Erkrankungen beim Menschen besser verstehen, behandeln und heilen zu können.

Fünf innovative Beispiel-Forschungsprojekte, die zum Ersetzen von Tierversuchen beitragen und die in den vergangenen Jahren von der Medizinischen Fakultät ausgezeichnet und gefördert wurden:

Mikroglia-ähnliche Immunzellen aus menschlichem Blut

Mikroglia-Immunzellen spielen eine wesentliche Rolle in der Entwicklung von neurodegenerativen Krankheiten wie Alzheimer. Sie sind Teil der Immunabwehr im Gehirn, spüren etwa defekte Zellen auf und bauen sie ab, um das Gehirn zu schützen. Stehen diese Zelltypen unter Dauerbelastung, können ihre förderlichen Eigenschaften ins Gegenteil umschlagen und sie tragen aktiv zum Fortschreiten von neurodegenerativen Krankheiten bei. Bisher wurden Mikrogliazellen in Mausmodellen erforscht. Dank einem von Priv.-Doz. Dr. Susanne Krasemann und Dr. Diego Sepulveda-Falla vom Institut für Neuropathologie entwickelten Ansatz können spezielle Mikroglia-ähnliche Zellkulturen aus menschlichem Blut hergestellt und an diesen die unerwünschten Begleiterscheinungen von überaktivierten Mikrogliazellen aufgespürt werden.

Züchtung von Gewebe aus menschlichen Stammzellen

Multisystemische Speicherkrankheiten wie Morbus Fabry, Morbus Gaucher oder Mukopolysaccharidosen sind auf Gendefekte der betroffenen Patient:innen zurückzuführen. Fehlende Enzyme verhindern den Abbau bestimmter Stoffwechselprodukte in den Zellen. Die Anreicherung dieser Stoffwechselprodukte in den Zellen führt bei den Erkrankten zu fortschreitenden Organschädigungen. Einer UKE-Forscher:innengruppe um Prof. Dr. Arne Hansen, Institut für Experimentelle Pharmakologie und Toxikologie, sowie Dr. Fabian Braun, III. Medizinische Klinik, ist es gelungen, aus menschlichen pluripotenten, das heißt, noch undifferenzierten Stammzellen Gewebe zu züchten, das Eigenschaften von Herzmuskel- und Nierengewebe besitzt. An diesen menschlichen Zellkulturmodellen können zum Beispiel neue Pathomechanismen bei Morbus Fabry untersucht werden. Morbus Fabry ist eine Multisystemerkrankung, die eine Vielzahl von Organen des menschlichen Körpers befallen und schwere Krankheitssymptome insbesondere durch die Nieren- und Herzschädigungen hervorrufen kann.

3D-Zellkulturmodelle

Bei Multipler Sklerose (MS) kommt es zu einer entzündlichen Erkrankung des zentralen Nervensystems. Zurzeit besteht die Therapie in der Unterdrückung der Immunantwort, eine kontinuierlichen Schädigung der Nervenzellen ist dadurch bisher nicht aufhaltbar. Um die schwere Erkrankung weiter zu erforschen, werden Mausmodelle genutzt. UKE-Forscher:innen um Prof. Dr. Manuel A. Friese, Institut für Neuroimmunologie und Multiple Sklerose, und Dr. Dr. Angelique Hölzemer, I. Medizinische Klinik und Poliklinik, ist es gelungen, ein neuartiges 3D-Zellkulturmodell des menschlichen Gehirns zu entwickeln. Mit den sogenannten zerebralen Organoiden können entzündliche degenerative Prozesse nachgeahmt werden, die zur Entwicklung neuer Therapieansätze genutzt werden können.

Künstliche Intelligenz und menschliche Organoide

Drei Arbeitsgruppen im UKE, die von Prof. Dr. Stefan Bonn, Institut für Systembiologie, Prof. Dr. Samuel Huber, I. Medizinische Klinik, sowie Prof. Dr. Nicola Gagliani, I. Medizinische Klinik und Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie, geleitet werden, verfolgen einen tierversuchsfreien Ansatz, der vorhandene Daten, Methoden der Künstlichen Intelligenz sowie im Labor erzeugte Gewebestrukturen, sogenannte menschliche Organoide kombiniert. Auf diese Weise können mögliche Wirkungen von Therapien bei chronisch entzündlichen und autoimmunen Erkrankungen wie Morbus Crohn ohne Einsatz von Mäusen erkundet werden.

Nierengewebe aus Schlachtabfällen

Durch die Lebensmittelproduktion von Fleischprodukten ohnehin anfallende Gewebeabfälle können für die Forschung genutzt werden und so dabei helfen, In-vivo-Tierversuche, also den Einsatz lebender Forschungstiere, zu ersetzen. Dr. Desirée Loreth und Dr. Helga Vitzthum, beide aus dem Institut für Zelluläre und Integrative Physiologie, haben einen Ansatz entwickelt, um Gewebekulturen aus Schweinenieren zur Aufklärung von Erkrankungsmechanismen der menschlichen Niere zu nutzen. Dabei greifen sie auf organotypische Slice-Kulturen des tierischen Gewebes zurück. Auf diese Weise stehen der intakte Zellenverbände für die Forschung zur Verfügung, um funktionelle Untersuchungen an der Niere vorzunehmen. Die Schweinenieren aus den Schlachtbetrieben bieten gegenüber Mausmodellen sogar eine bessere Übertragbarkeit auf den Menschen.