Weltfrühgeborenentag: Oskar und Anton feiern ersten Geburtstag
Etwa jedes zehnte Kind kommt zu früh zur Welt, also vor der vollendeten 37. Schwangerschaftswoche. Allein in Deutschland betrifft das 60.000 Kinder pro Jahr: Viele von ihnen starten in ihr Leben auf einer Neugeborenen-Intensivstation – so auch die Zwillinge Oskar und Anton, die im Oktober 2024 im UKE auf die Welt kamen. Jedes Jahr am 17. November findet der Weltfrühgeborenentag statt, um auf die besondere Situation von Frühgeborenen und deren Familien aufmerksam zu machen.
Text: Stefanie Gerling, Fotos: Eva Hecht
Anne-Kristin Hohnschild und Benjamin Karberg sind voller Vorfreude, als sie erfahren, dass sie Zwillingseltern werden. „Bis zur 20. Schwangerschaftswoche verlief alles unauffällig, wir konnten es kaum erwarten“, so die Hamburgerin. Bei einer Routineuntersuchung wurde festgestellt, dass einer der Zwillinge unterversorgt ist. Die werdenden Eltern kommen ins UKE, „schnell stand fest, dass unsere Jungs geholt werden müssen“, erinnert sich Anne-Kristin. Weil sich die Versorgung des kleinen Zwillings im Mutterleib weiter verschlechtert hat, mussten die Zwillinge bereits in der 29. Schwangerschaftswoche per Kaiserschnitt entbunden werden.
„In solchen Momenten zählt nicht nur jede Minute, sondern auch die interdisziplinäre Zusammenarbeit“, weiß Prof. Dr. Stefan Verlohren, Direktor der Klinik und Poliklinik für Geburtshilfe und Pränatalmedizin am UKE, der gemeinsam mit einem interprofessionellen Team den Kaiserschnitt durchführte. „Unser Ziel ist es, Mutter und Kind sicher durch diese kritische Phase zu begleiten. Dank moderner Technik und erfahrener Teams können auch sehr frühe Geburten heutzutage gut versorgt werden.“
Am 23. Oktober 2024 erblicken Oskar Mads und Anton Louis das Licht der Welt: Oskar mit 39,5 cm Größe und einem Geburtsgewicht von 1490 Gramm, sein Bruder Anton mit 29 cm Größe und gerade einmal 730 Gramm. Beide werden unmittelbar nach der Geburt auf die Neugeborenen-Intensivstation im UKE verlegt. „Die ersten Stunden nach der Geburt waren eine Mischung aus Glück und Angst. Es ging plötzlich alles so schnell“, erinnert sich Vater Benjamin. „Wir wussten nicht, wie die beiden alles überstehen würden“.
Ein starkes Team für die Kleinsten
Im Perinatalzentrum Level 1 des UKE arbeiten Geburtshilfe, Pränataldiagnostik und Neonatologie Hand in Hand. Jährlich werden hier etwa 440 Frühgeborene betreut, rund 60 davon mit einem Geburtsgewicht von unter 1500 Gramm. „Diese interdisziplinäre Zusammenarbeit ist unser größter Vorteil. Wir beziehen die Eltern in die Entscheidungen mit ein und arbeiten auf Augenhöhe“, so Prof. Dr. Irwin Reiss, Ärztlicher Leiter der Sektion Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin. Von der Schwangerschaftsdiagnostik über den Kreißsaal bis zur intensivmedizinischen Betreuung laufen hier alle Prozesse ineinander. „Das ermöglicht schnelles Eingreifen, wenn Komplikationen auftreten“.
Anton muss in seinen ersten Lebenswochen mehrere Operationen überstehen. Für die Eltern eine kräftezehrende Zeit, in der sie sich dennoch gut begleitet fühlen: „Wir hatten immer das Gefühl, dass alles für unsere Jungs getan wird“, so Mutter Anne-Kristin. „Alle waren unglaublich liebevoll und einfühlsam zu uns, das hat uns in dieser herausfordernden Zeit sehr viel Halt gegeben und geholfen“.
Auch Mandy Lange, Stationsleitung der Intensivstation für Früh- und Neugeborene, weiß, wie entscheidend Nähe und Vertrauen sind. Die Pflegekräfte begleiten die Familien und Kinder oft über mehrere Wochen und Monate. „In der Versorgung geht es nicht allein um medizinische Expertise. Ebenso wichtig ist es, die Familie von Beginn an einzubeziehen: Eltern werden aktiv in die Versorgung und Pflege ihrer Kinder eingebunden, erhalten Halt und Sicherheit und erleben, dass sie ein unverzichtbarer Teil des Behandlungsteams sind“.
Vom Klinikalltag in ein neues Familienleben
Nach einem Monat Intensiv- und einem Monat Überwachungsstation darf Oskar nach Hause, sein Bruder Anton bleibt insgesamt vier Monate im UKE. „Durch die Zeit im UKE konnten wir viele Erfahrungen sammeln und gestärkt in den Alltag zuhause starten“, erinnert sich Vater Benjamin. Ein Jahr später entwickelt sich Oskar sehr gut, Anton ist noch auf etwas mehr Unterstützung angewiesen. „Aber er kämpft – jeden Tag. Wir sind unendlich stolz!“, strahlen beide Eltern. Den ersten Geburtstag der Jungs haben sie im Kreis der Familie gefeiert und blicken zuversichtlich in die Zukunft.
Für die Familie hat der Weltfrühgeborenentag eine besondere Bedeutung. Er erinnert sie daran, wie klein ihre Kinder einmal waren und wie groß ihr Weg bisher bereits ist. Dem Team des UKE ist die Familie unendlich dankbar. Und was raten Anne-Kristin und Benjamin Eltern, die in einer ähnlichen Situation sind? „Schaut nach vorn, lasst euch helfen, tauscht euch mit anderen betroffenen Eltern aus. Und das wichtigste: Gebt niemals auf, auch wenn die Zeit Kraft kostet – es lohnt sich!“