06.02.2020        AKTUELLES

Der ältere Patient in der perioperativen Medizin

Hochbetagte Menschen sind nicht selten nach einer Narkose und einer Operation von Komplikationen betroffen. Es kann zu Einschränkungen im Alltag, in der Selbstständigkeit oder in der kognitiven Leistungsfähigkeit kommen. Wie eine Versorgung älterer Menschen vor, während und nach einer Operation aussehen sollte, darüber informieren Prof. Dr. Christian Zöllner, Prof. Dr. Rainer Kiefmann und Dr. Cynthia Olotu aus der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie auf einem interdisziplinären Symposium am 7. und 8. Februar im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). Wir sprachen mit den Organisatoren zum Thema „Der ältere Patient in der perioperativen Medizin“.

Ältere Patientinnen und Patienten haben oft nicht mehr die Reserven, die Belastungen einer Krankenhausbehandlung wegzustecken. Welche Vorbereitungen sollten schon im Vorfeld eines Krankenhausaufenthalts getroffen werden?

Prof. Zöllner: Vor einer Operation sollten Mangelzustände aufgedeckt und rechtzeitig ausgeglichen werden. Dies betrifft zum Beispiel den im Alter häufigen Proteinmangel. Gerade bei Patienten mit reduzierter Körperkraft und niedrigem Aktivitätsniveau ist es von Vorteil, vor der Operation die körperliche Fitness und Muskelkraft zu steigern. Insbesondere das Atemtraining ist hier von Bedeutung, um das Risiko von Lungenentzündungen nach einer Operation zu vermeiden. Ein wichtiges Thema ist auch die Einbindung von Angehörigen und Vertrauenspersonen in den gesamten Behandlungsprozess. Es ist hilfreich, wenn Patienten in dem für sie oft sehr undurchsichtigen Krankenhausalltag ein bekanntes Gesicht an ihrer Seite haben.


Krank ist nicht gleich krank. Ältere Menschen haben häufig mehrere Beschwerden, hat das auch Auswirkungen auf die Art der Narkose und Medikation?

Prof. Kiefmann: Ja. Ältere Patienten haben ein höheres Risiko für postoperative Komplikationen und kommen nach einer Operation oftmals nicht mehr so schnell auf die Beine wie jüngere Menschen. Es gibt Medikamente, die für ältere Menschen ungeeignet sind, weil sie z.B. unverhältnismäßig lange wirken, das Sturzrisiko erhöhen oder mit langfristigen Auswirkungen auf die geistige Leistungsfähigkeit in Verbindung gebracht werden. Auf diese Medikamente verzichten wir und ersetzen sie durch andere, sicherere Substanzen. So ist die Schmerzbehandlung nach einer Operation bei älteren Menschen anspruchsvoller, denn viele hochwirksame Schmerzmedikamente gehen mit einem erhöhten Risiko für Verwirrtheitszustände einher. Für ältere Patienten ist die Verwendung von Schmerzkathetern, die schon vor der Operation angelegt werden können, oftmals eine sehr sinnvolle Alternative. Regionalanästhesien können schonender sein, als eine Vollnarkose, jedoch nur, wenn sie gut toleriert werden und ohne zusätzliche Beruhigungsmittel auskommen. Genauso muss aber eine gut geführte Vollnarkose kein Nachteil sein, wenn einige Regeln bei der Steuerung und der altersgerechten Medikation beachtet werden und der Patient dabei sorgfältig überwacht wird.


Bei hochbetagten Patientinnen und Patienten gibt es das Risiko, dass sie nach einer Operation eine akute psychische Störung erleiden und sich anschließend nicht mehr zurecht finden können. Woran liegt das und wie gehen Sie mit diesen Patienten um?

Dr. Olotu: Man spricht in diesem Fall von dem sogenannten „postoperativem Delir“, gekennzeichnet durch einen plötzlich einsetzenden Verwirrtheitszustand, der einige Tage andauern kann und während dessen sich häufig bessere und schlechtere Phasen abwechseln. Das dramatische an dem Delir ist, dass oftmals Spätschäden zurückbleiben und die Patienten danach ihr altes Leistungsniveau nicht mehr erreichen. Das höchste Risiko für die Entstehung eines Delirs haben ältere Patienten mit bereits eingeschränkter Funktionalität, d.h. geringer Körperkraft, niedrigem Aktivitätsniveau und rascher Erschöpfung im Alltag. Auch bereits bestehende Einschränkungen der geistigen Leistungsfähigkeit – lange schon, bevor man von dementiellen Syndromen sprechen kann – stellen ein Risiko dar. Die Vermeidung des Delirs ist ein zentrales Behandlungsziel in der Versorgung älterer Patienten. Dabei kommt es vor allem auf die Prävention an: die Begleitung eines Patienten durch Angehörige oder Vertrauenspersonen, die zeitliche und räumliche Orientierung, persönliche Ansprache und soziale Interaktion, die Förderung der Mobilisation, die Aufrechterhaltung eines gesunden Tag-Nacht-Rhythmus, eine gute Schmerztherapie und Förderung des Wohlbefindens.


Die fremde Umgebung, ständig wechselnde Bezugspersonen und eine unklarer Tag-Nacht-Rhythmus machen gerade älteren Patientinnen und Patienten zu schaffen – wie kann sich eine Klinik darauf einstellen?

Prof. Zöllner: Wir versuchen, den Krankenhausaufenthalt für unsere älteren Patienten so angenehm wie möglich zu gestalten. Dies beginnt bereits vor der Operation mit einem strukturierten Vorbereitungsgespräch, in dem der Patient über den Ablauf und die Besonderheiten des Krankenhausaufenthaltes informiert wird. Gerade Patienten mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung eines Delirs empfehlen wir, vertraute Gegenstände mitzunehmen, seien es Fotos von den Enkelkindern, das Lieblingskissen oder auch gern gehörte Musik. Wir setzen auf nicht-medikamentöse Schlafhilfen – z.B. einen beruhigenden Tee am Abend, Ohrstöpsel oder Schlafbrillen. Die Mobilisierung von Patienten spielt eine wichtige Rolle – wer den ganzen Tag im Bett liegt, ist in der Nacht nicht müde. Die Behandlungsteams auf Station versuchen, Bezugspflege umzusetzen und unnötige Zimmer- oder Stationswechsel zu vermeiden.


Welche weiteren präventiven Möglichkeiten würden Sie älteren Patientinnen und Patienten empfehlen, bevor sie sich einem Eingriff unterziehen?

Dr. Olotu: Es ist immer ratsam, sich vor einem Eingriff genau zu informieren, was durch die Operation und die Zeit danach genau auf einen zukommt – ist ein Intensivaufenthalt oder eine längere Immobilisation nötig? Mit welchen Einschränkungen ist zu rechnen? Wie sieht es mit einer Patientenverfügung aus? Häufig stürzen aber sehr viele Informationen auf einmal auf den Patienten ein und es ist schwierig, den Überblick zu behalten. Manchmal trauen sich Patienten auch nicht, kritisch nachzufragen, weil sie dies fälschlicherweise als ungebührlich empfinden. Ich empfehle, Angehörige oder andere Vertrauenspersonen zu Aufklärungsgesprächen mitzunehmen. Sinnvoll ist es auch, einen Termin beim Hausarzt zu vereinbaren, um die aktuelle Medikation auf den Prüfstand zu stellen: Viele Patienten nehmen täglich viele verschiedene Arzneimittel ein, die ungünstig miteinander interagieren und das Risiko für bestimmte Komplikation erhöhen können. Der Hausarzt kann einen aktuellen Medikationsplan ausstellen, der zu der Aufnahme im Krankenhaus mitgebracht werden sollte. Bei chronischen Vorerkrankungen sollte man alles vorher noch einmal kontrollieren: Ist die Schilddrüse gut eingestellt, die Blutarmut behandelt, die Blutdrucktherapie optimiert, der Herzschrittmacher kontrolliert? In dieser Hinsicht ist eine Operation nichts anderes als eine körperliche Extremsituation – wie ein Marathon oder eine Bergbesteigung. Je besser die Startbedingungen, desto besser kann die Herausforderung gemeistert werden.

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