Schnitt gegen das Vergessen

Die enzymatische Spaltung des Prionproteins als therapeutisches Ziel bei Demenzen

In Deutschland leiden ca. 1,2 Mio. zumeist ältere Menschen an einer Demenz, weltweit sind es sogar ca. 46,8 Mio Menschen. Eine neue Forschungsarbeit des UKE, die die schützende enzymatische Freisetzung eines körpereigenen Eiweißes im Nervensystem untersucht, gibt Hoffnung auf neue Therapiestrategien.

Wir leben in einer alternden Gesellschaft und das Alter ist der größte Risikofaktor für die Entwicklung neurodegenerativer Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson. Für die Betroffenen, ihre Angehörigen, aber auch für das Gesundheitssystem und die Gesellschaft stellt dies eine enorme und stetig wachsende Herausforderung dar. Noch immer gibt es keine kausalen Therapien für diese fortschreitend das Gehirn und somit die Persönlichkeit zerstörenden Krankheiten.

Fehlgefaltete und mit sich selbst verklumpende Eiweiße sind wesentliche Merkmale und schädliche Triebkraft der krankhaften Vorgänge. Deren Bindung an bestimmte Rezeptoren auf den Nervenzellen führt zu Signalwegen, die letztlich zum Absterben der Zellen führen. Das sogenannte Prionprotein ist ein solcher Rezeptor.

Wissenschafter:innen des UKE fanden heraus, dass bestimmte körpereigene Enzyme, also molekulare Scheren, ständig in gewissem Umfang Prionproteine von der Nervenzelloberfläche abspalten. Dadurch werden nicht nur die Mengen des Rezeptors und somit die schädlichen Signale reduziert. Aktuelle Befunde deuten darauf hin, dass das so von den Zellen abgelöste und im Hirngewebe frei bewegliche Prionprotein – ähnlich einem Antikörper in der Immunabwehr – in der Lage ist, die schädlichen Eiweiße zu binden und zu blockieren. So werden Letztere offenbar von den Nervenzellen ferngehalten und stattdessen in große und vermutlich weniger schädliche Ablagerungen (sogenannte Plaques) verbracht, möglicherweise sogar für den Abbau markiert. Neben einer genauen Analyse dieser Prozesse sollen in diesem Projekt auch Möglichkeiten untersucht werden, diese schützenden Spaltungen und Freisetzungen des Prionproteins pharmakologisch zu steigern und somit letztlich als neuartige Behandlungsoption zu etablieren.


Abbildung 1: Neurodegenerative, demenzielle Erkrankungen wie der Morbus Alzheimer stellen für Betroffene ein drastisches Schicksal und für die Gesellschaft eine große Herausforderung dar. Das Schema zeigt, wie fehlgefaltete, giftige Eiweißmoleküle (rot), die bei diesen Erkrankungen vermehrt gebildet werden, an das Prionprotein (grün) auf der Zellmembran von Nervenzellen binden und dadurch schädliche Signalwege und Zelltod in Gang setzen (Blitz und Totenkopf). Körpereigene Enzyme (orange) schneiden regelmäßig einen Teil der Prionproteine von der Zelloberfläche ab und setzen das Protein somit ins Gewebe frei. So wird die Rezeptormenge (und Toxizität) reduziert. Zudem fängt freigesetztes Prionprotein außerhalb der Zellen schädliche Eiweisse ab und entsorgt sie in große Ablagerungen im Hirngewebe.

Abbildung 2: Die Mikroskopie zeigt - eigentlich diffus im Hirn verteilte - freigesetzte Prionproteine (grün/gelb) im Zentrum dichter Ablagerungen des schädlichen Amyloid-beta-Moleküls (rot) im Hirnschnitt eines Mausmodells für die Alzheimersche Erkrankung. Bildquelle: Schema (Mitte) und Mikroskopie (rechts): Neuropathologie/Altmeppen (UKE)