Human Remains in Schulsammlungen erforschen

Zwei Hände mit weißen Handschuhen halten einen dunkel gefärbten Gipsabguss eines menschlichen Schädels

Spurensuche an einem Gipsabguss aus der Sammlung Weygandt
Ein Schädelabguss liegt auf dem Tisch, darum Hände mit Handschuhen und Stiften

Einblicke in die Provenienzforschung
Eine stehende MItarbeiterin des Museums zeigt sitzenden Schüler:innen Objekte auf einem Tisch
Schülerinnen auf den Spuren historischer Sammlungen

Die Problematisierung des Umgangs mit „Human Remains“ – also menschlichen Überresten in verschiedenen Präparations- und Überlieferungsformen – ist in den letzten Jahren deutlich präsenter geworden. Insbesondere der Kontext anthropologischer Sammlungen aus der Kolonialzeit ist medial und wissenschaftlich stark in den Fokus gerückt. Die ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts angelegten „Sammlungen“ menschlicher Gebeine an natur- und völkerkundlichen Museen, Universitäten und Forschungseinrichtungen werden im Zuge der Aufarbeitung (post-)kolonialer Herrschaftsformen zunehmend als problematisch erkannt. Viele dieser „Sammlungen“ dienten als materielle Grundlagen für rassistische Forschungen. Zahlreiche Forschungsprojekte widmen sich seitdem der Provenienzforschung – also der Klärung der Herkünfte und Erforschung der Objektbiographien der Human Remains mit natur- und geschichtswissenschaftlichen Mitteln. Die deutsche Bundesregierung hat dieses Anliegen mit dem 2015 gegründeten Deutschen Zentrum für Kulturgutverluste weiter ausgeweitet. Neben Forschungsprojekten zu Human Remains beschäftigt man sich dort auch mit Kunstgegenständen aus kolonialen und anderen Unrechtskontexten. Zentral ist hier häufig die Frage der Repatriierung: wie können Human Remains wieder in die Ursprungsländer überführt werden? Vor allem in der Museumslandschaft gibt es ein Umdenken und eine neue Sensibilität im Umgang mit Human Remains. Der Deutsche Museumsbund hat zu dem Thema 2021 eigens eine erweiterte Handreichung zum Thema veröffentlicht.

Auf einem Tisch liegt ein historischer Katalog und verschiedene Dokumente, darum die Hände von Schüler:innen
Methoden der Provenienzforschug

Mit Blick auf diese gesamtgesellschaftliche Debatte und ausgehend von der Feststellung, dass sich in vielen allgemeinbildenden Schulen in Hamburg Human Remains unbekannter Herkunft in Biologiesammlungen befinden, initiierte Silke Urbanski vom Hamburger Schulmuseum eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe mit Forscher:innen aus dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, dem Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels, dem Landesinstitut für Lehrerbildung und dem Universitätsmuseum. In dem Citizen-Science-Projekt HUMANS konnten Schüler:innen der Stadteilschule Stellingen, des Johanneums und der Sachsenwaldschule Reinbek dieses Jahr die Herkunft der Human Remains aus ihrer Biologiesammlung genauer erforschen – und das multiperspektivisch und interdisziplinär. So zeigte beispielsweise die forensische Anthropologin Eilin Jopp-van-Well aus der Rechtsmedizin des UKE, was für Informationen man an menschlichen Knochen ablesen kann, die Projektkoordinatorin und Bildungswissenschaftlerin Larisa Hemken organisierte Schwerpunktsitzungen mit und Exkursionen zu relevanten gesellschaftlichen Akteuren des Themenfelds Tod und Sterben und Antje Nagel vom Universitätsmuseum Hamburg stellte den wissenschaftlichen Arbeitsbereich der Sammlungsforschung vor. Mehr Informationen zum leider nur auf ein Jahr befristeten Projekt finden Sie hier. Eine digitale Handreichung des LI Hamburg mit weiteren Hintergrundinformationen und praktischen Hilfen zur Umsetzung von interdisziplinären Provenienzforschungsprojekten an Schulen steht als kostenloser Download zur Verfügung.

Das Medizinhistorischen Museum Hamburg entwickelte im Zuge des HUMANS-Projekt ein eigenes Workshopprogramm, das als halbtägige Exkursion den Schulen aus Hamburg und Reinbek angeboten wurde. Darin ging vornehmlich um vier Themen, die eng mit den Fächern Medizingeschichte und Medizinethik verknüpft und integraler Bestandteil der museologischen Arbeit am Medizinhistorischen Museum sind: Die Geschichte des Umgangs mit Leichen in der Medizin, Provenienz- und Sammlungsforschung mit besonderem Schwerpunkt auf Human Remains in medizinischen Präparatesammlungen, die Ethik des Ausstellens und Zeigens menschlicher Präparate in Museen und zuletzt die Rolle der Unrechtskontexte Nationalsozialismus und (Post-)Kolonialismus bei der Erforschung medizinischer Sammlungen. Die Schüler:innen arbeiteten mit konkreten Objekten aus dem Kontext der Präparatesammlungen des Medizinhistorischen Museums und setzten sich unter anderem damit auseinander, wie man bei der Erforschung von Human Remains vorgehen kann, was man im Museum aufbewahren und was zeigen sollte und zuletzt welche unethischen Beschaffungsweisen und missbräuchliche Verwendungen es von Human Remains in der Medizin in der Vergangenheit gab. Besonders eindrücklich waren die Workshops auch deshalb, da sich das Museum in den Räumlichkeiten der alten Pathologie befindet. Das von dem Architekten Fritz Schumacher geplante und im Jahr 1926 vollendete Museumsgebäude diente ursprünglich als Zentrum zur Gewinnung neuen wissenschaftlichen Wissens anhand von menschlichen Leichen und Präparaten. Der große Sektionssaal und die Leichenkammern sind zugänglich und wurden zur Museumseröffnung aufwendig restauriert, zahlreiche historische Präparatesammlungen aus den Beständen des UKE befinden sich darüber hinaus im Depot des Museums.

Das Medizinhistorische Museum Hamburg steht interessierten Schulklassen für Workshops gerne zur Verfügung.