Afrikanerin im Herzen

Dr. Harbauer auf Station im UKE vor einem Wärmebettchen
Kinderärztin Dr. Theresa Harbauer ist Oberärztin im UKE

Sie ist Kinderärztin und kümmert sich im UKE um Frühchen und kleine Mädchen und Jungen auf der Intensivstation. In ihrer Freizeit schlägt das Herz von Dr. Theresa Harbauer für kranke Kinder im ostafrikanischen Tansania. Seit zehn Jahren leistet sie dort medizinische Entwicklungshilfe.

Schwester und zwei Kinder, eines davon im Rollstuhl, haben Spaß miteinander
Der kleine Musah in der Nachsorge-Sprechstunde

Mit einem strahlenden Lächeln verkündet der siebenjährige Musah, dass er zur Schule gehen und Arzt werden möchte. Seine Familie kommt aus Basotu, einem Dorf auf dem tansanischen Hochplateau; die nächste Schule ist über eine Stunde Fußmarsch entfernt. „Wo bei uns Busse zum Einsatz kommen oder Eltern ihre Kinder fahren, müssen sich dort Schulkinder zu Fuß auf den Weg zum Unterricht machen“, erzählt Dr. Harbauer. Musah allerdings kam mit einem „offenen Rücken“ (Spina bifida) auf die Welt. Seine Beine sind gelähmt und einen Rollstuhl kann sich die Familie nicht leisten – weshalb Musah bis vor kurzem nicht zur Schule konnte.

Der Junge ist Patient im Haydom Lutheran Hospital, einem in den 60er Jahren erbauten Missionskrankenhaus in einer der ärmsten Regionen des Landes. Jährlich werden in dem 400-Betten-Haus 8000 Kinder geboren und bis zu 2000 stationär behandelt. Theresa Harbauer wurde vor zehn Jahren auf die Klinik aufmerksam. „Ich hatte immer großes Interesse an Entwicklungsmedizin. Das Studium animiert nicht gerade zu einem Blick über den Tellerrand; ich war neugierig auf andere Kulturen, auf die medizinische Versorgung in fremden Ländern.“ Als Studentin hatte sie einige Wochen im südafrikanischen Kapstadt gearbeitet; dann 2009 das erste Mal das Hospital in Haydom besucht. „Tansania ist ein wunderschönes Land mit gastfreundlichen Menschen. Dazu politisch stabil, so dass es auch als Frau möglich ist, dort selbständig zurechtzukommen.“

Eine Chirurgin und eine Schwester im OP
Mit einer OP lässt sich der Defekt im Rückenmark beheben

Frühzeitige OP kann Leben retten

In der Klinik kümmert sie sich vor allem um Patienten wie Musah. Spina bifida ist weit verbreitet; auf 1000 Lebendgeborene kommen zehn betroffene Kinder. Folsäuremangel während der Schwangerschaft gilt als eine der Hauptursachen für die Erkrankung, bei der das Rückenmark und damit wichtige Nerven frei liegen. Lähmungen in den Beinen, Blasen- und Darminkontinenz, Entzündungen und Abflussstörungen des Hirnwassers, in deren Folge sich ein vergrößerter Kopf („Hydrocephalus“) entwickelt, sind die Konsequenzen. „Dabei kann eine frühzeitige OP zum Verschluss des Rückenmarks, die Anlage eines Verbindungsstücks zum Flüssigkeitsabfluss sowie eine regelmäßige Nachsorge das Leben vieler Kinder retten und Spätschäden verhindern.“

Dr. Harbauer im Kreis ihrer Kollegen und der Familien ihrer Patienten vor dem Krankenhaus

Eine große Familie: Dr. Harbauer mit Kollegen, Patienten und Angehörigen
Dr. Harbauer steht vor den Teilnehmern wärhend einer Schulung

Regelmäßige Nachsorge-Schulungen für die Eltern sind wichtig
Die Eltern warten mit ihren Kindern vor der Klinik

Die Wartezeiten für Eltern und ihre Kinder sind oft lang
ein Arzt schwenkt einen Kugelschreiber, um die Augen eines Kindes zu testen

Ärztliche Untersuchung eines kleinen Patienten
Mitarbeiter spielen mit  KIndern

Die Kinder freuen sich über ein bisschen Abwechslung:

In Haydom gibt es zu der Zeit aber keinen Chirurgen, der die OP durchführen kann, und bis zur nächsten Klinik in Arusha sind es mehrere Hundert Kilometer. Kurzentschlossen, nach zwei mehrwöchigen Aufenthalten 2009 und 2010, unterbricht Dr. Harbauer ihre Facharztausbildung in Deutschland und unterschreibt einen Zweijahresvertrag in Tansania. Eine Entscheidung, die ihr Leben verändert, aber die sie bis heute nicht bereut hat. „Zwischen 2011 und 2013 haben wir in einem ganz kleinen Team – ein Physiotherapeut, zwei Schwestern und ich – mit der chirurgischen Versorgung der Kinder begonnen und die Eltern mit ihren Kindern in ein spezielles Nachsorgeprogramm eingegliedert.“ Bereits mit Ende 20 operiert sie erkrankte Kinder und lernt tansanische Ärzte an, den Eingriff selbst durchzuführen. Ihre Arbeit spricht sich schnell herum; Eltern nehmen oft wochenlange Fußmärsche auf sich, um ihre Kinder in Haydom behandeln zu lassen. Dr. Harbauer: „Wir sind für viele die letzte Hoffnung.“

Dr. harbauer mit einem Kind auf ihrem Knie
Musah ist Dr. Theresa Harbauer ans Herz gewachsen

Kinder benötigen lebenslang Unterstützung

Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland hat sie ihre Facharztausbildung für Kinder- und Jugendmedizin abgeschlossen und ist seit Oktober 2016 im UKE. Nach Tansania reist Harbauer ein- bis zweimal im Jahr; sie hat inzwischen viele Menschen aus ihrer beruflichen und privaten Umgebung für das Projekt begeistert. Mehr als 70 Familien sind in das Nachsorgeprogramm eingebunden und kommen regelmäßig in die Klinik. „Das Team ist gewachsen. Die Operationen übernimmt heute ein heimischer Chirurg, auch zwei Kinderärzte, Krankenschwestern und Physiotherapeuten kümmern sich um die regelmäßige Nachsorge. Es gibt sogar eine Eltern-initiative“, erzählt die 37-Jährige stolz. Gleichwohl wird die Arbeit nicht weniger: Die Klinik benötigt Verbrauchsmaterial, das Personal Aus- und Weiterbildungen, die Eltern intensive Schulungen. Denn die Kinder sind lebenslang auf Unterstützung angewiesen; viele können sich nur schlecht bewegen, haben häufig Störungen mit dem Harnabfluss und müssen katheterisiert werden, um lebensbedrohliche Infektionen zu vermeiden.

Starke emotionale Bindung

Der siebenjährige Musah geht jetzt zur Schule, er hat ein aus einfachen Materialien gebauten geländegängigen Rollstuhl mit Fußstützen, Sitzpolsterung und Schreibplatte bekommen. „Darüber freue ich mich sehr“, strahlt Theresa Harbauer. Auch diese kleinen Schritte sind es, die ihre emotionale Bindung nach Haydom, nach Tansania und zu dem ganzen Kontinent haben so stark werden lassen. „In meinem Herzen bin ich inzwischen Afrikanerin.“ Theresa Harbauer hat den Verein Haydom Friends ( www.haydomfriends.de ) gegründet.
Hilfe ist willkommen: Konto IBAN DE71 1203 0000 1020 0278 66.

Text: Uwe Groenewold, Fotos: Sara Robin, Axel Kirchhof (1)