Wie Pflege- und Ärzteteams im neuen Kinder-UKE zusammenarbeiten

Es wird immer viel über die Zusammenarbeit von Pflege- und Ärzteteams gesprochen. Wir wollten es genauer wissen und haben im Kinder-UKE einmal konkret nachgefragt.

Unser Interview mit der Pflege im Kinder-UKE

"Das entscheide ich, weil ich viel näher am Kind arbeite. Und insgesamt, muss ich sagen, dass sehr viel Wert auf die Meinung der Pflegekräfte gelegt wird." - Lena Fengler arbeitet als Fachgesundheits- und Kinderkrankenpflegerin für Intensivpflege im Kinder-UKE. Hier berichtet sie über ihre Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit den ärztlichen Kollegen.

Lea Fengler im Aufenthaltsraum auf der Intensivstation des Kinder-UKE.
Lena Fengler im Aufenthaltsraum auf der Kinder-Intensivstation.

Wie würden Sie die Zusammenarbeit mit dem ärztlichen Personal beschreiben?

Das Verhältnis zwischen Ärzten und Pflegekräften ist bei uns auf der Kinder-Intensiv sehr nah. Wir sprechen uns eng ab, es wird großen Wert auf die Meinung der Pflege gelegt. Das war schon während meiner Ausbildung im UKE so, und auch auf der Neo-Intensiv, wo ich nach der Ausbildung hingegangen bin. Ich finde, dass die Arbeit durch die enge Zusammenarbeit sehr kindorientiert ist und viel gemeinsam gearbeitet wird. Das liegt auch daran, dass wir hier schwerkranke Kinder versorgen, bei denen eine gute Zusammenarbeit einfach besonders notwendig ist.

Wie läuft die Kommunikation und gibt es feste Besprechungsstrukturen?

Die Visite ist die zentrale Besprechung des Tages, bei der die Pflegekraft dabei ist, die für das jeweilige Kind zuständig ist. Während der Visite werden alle Aspekte gemeinsam besprochen. Es gibt immer für jedes Kind einen festen ärztlichen Ansprechpartner, den ich jederzeit fragen kann.

Klingt nach einer guten Athmosphäre zwischen Pflege- und Ärzteteam?!

Ja, es ist bei uns eine ganz nette Tradition, dass wir im Nachtdienst zusammen essen und kochen. Da sind die Ärzte dann mittendrin. Jeder bringt irgendwas mit – und es ist nachts natürlich deutlich ruhiger, sodass man mehr Zeit hat, auch mal privat zu quatschen. Und mit den meisten versteht man sich wirklich gut. Wir sehen uns ja auch auf den Stationsfeiern. „Ach, weißt du noch damals, und dieses und jenes…“. Das ist schon sehr angenehm, muss ich sagen.

Wie muss man sich so eine Stationsfeier vorstellen?

Die ganz große ist die Weihnachtsfeier, die meistens im Januar stattfindet. Da feiern wir immer in einer Kleingartenanlage, alle Mitarbeiter von der Station inklusive der Ärzte, auch Konsilärzte, Pyhsiotherapeuten, Psychologen und weiterer Gäste. Oft haben wir auch ein Motto, sodass sich alle verkleiden. Das ist immer sehr, sehr nett. Am Wochenende frühstücken wir auch oft gemeinsam, die Ärzte bringen dann die Brötchen mit. Wir haben viele kleine Traditionen, die den Arbeitsalltag bereichern.

Können Sie einen Fall aus dem Arbeitsalltag beschreiben, bei dem die Zusammenarbeit richtig gut geklappt hat?

Ich arbeite gerade eine Kollegin ein. Wir haben vergangene Woche zum ersten Mal zusammen ein Kind extubiert, dabei habe ich ihr natürlich einiges erklären können. Die Ärztin stand auf der anderen Seite und wollte eigentlich loslegen. Da ist dann alles eine Frage der Absprache: Ich habe die Ärztin gefragt, sie meinte: „Erklär du in Ruhe, wir haben ja Zeit. Wir machen dann alles im Anschluss.“ Das war eine ganz ruhige und tolle Situation. Die Ärztin hat total auf uns Rücksicht genommen, sodass ich in dieser doch relativ aufregenden Situation ganz in Ruhe meine Einarbeitung machen konnte – und dann hat sie sich am Ende dafür noch bedankt.

Empfinden Sie, dass auf Ihre Meinung als Pflegekraft Wert gelegt wird?

Ich empfinde es so, dass man hier als Pflegekraft eine große Verantwortung übernehmen und viele Dinge selbst entscheiden kann. Wenn ich zum Beispiel ein Kind betreue, das eine medikamentöse Kreislaufunterstützung braucht und ich merke, dass es noch nicht richtig passt. Der Blutdruck ist entweder zu hoch oder zu niedrig, und das Medikament muss angepasst werden. Innerhalb der in der Visite fesgelegten Grenzen kann ich dann selbstständig arbeiten. Insgesamt wird sehr viel Wert auf die Meinung der Pflegekräfte gelegt, es wird immer nochmal nachgefragt – gerade, wenn man ein Kind sehr lange und sehr gut kennt. Wenn man Dauerlieger und das Kind von Anfang an mitbetreut hat, wird gefragt: „Lena, wie ist denn dein Eindruck?“. Man hat schon eine große Eigenverantwortung.

Unser Interview mit Ärzten des Kinder-UKE

"Wir pflegen einen sehr wertschätzenden Umgang miteinander und begreifen uns wirklich als eine Art Familie" - Dr. Bergholz und Dr. Boettcher arbeiten als Kinderchirurgen im Kinder-UKE. Hier sprechen sie über ihre täglichen Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit dem Pflegepersonal.

Michael Boettcher (links) und Robert Bergholz (rechts) beim Interview
Dr. Boettcher (links) und Dr. Bergholz (rechts) beim Interview

Wie würden Sie die Zusammenarbeit mit dem pflegerischen Personal beschreiben?

Boettcher: Die Zusammenarbeit mit der Pflege funktioniert sehr gut. Das ist gerade für den Bereich der Kinder- und Jugendmedizin extrem wichtig, da man eigentliche keine Untersuchung oder Intervention alleine, das heißt ohne pflegerische Unterstützung, machen kann. Zudem können insbesondere kleine Kinder ihre Probleme oder Wünsche nicht verbalisieren, sodass wir von ärztlicher Seite sehr stark auf auf Informationen des Pflegepersonals angewiesen sind. Die Zusammenarbeit muss aus diesen Gründen noch besser funktionieren, als das vielleicht in anderen Bereichen nötig ist.

Wie funktioniert die Organisation ihrer Arbeit?

Bergholz: An Besprechungsstrukturen ist es so, dass wir die Visite morgens gemeinsam durchführen. Wenn wir organisatorische Abläufe besprechen müssen, passiert das immer in einer Interdisziplinären Besprechung mit der Pflege und dem ärztlichen Personal. In der Ambulanz oder speziell der Kinderchirurgischen Ambulanz organisieren wir die Abläufe ausnahmslos gemeinsam. Dabei macht die Pflege dann auch Vorschläge, die umgestzt werden. Das Schöne daran ist, dass die Pflege so auch selber den Ablauf in der Ambulanz mitbestimmen kann. Diese Mitbestimmung weiß ich sehr zu schätzen und finde sie auch extrem wichtig. Bestimmt wird das nicht in vielen Ambulanzen so gehandhabt.

Boettcher: Wir führen regelmäßig auch Fortbildungen mit dem pflegerischen Personal durch. Diese finden einmal in der Woche statt. Das zeigt ganz deutlich eine Zusammenarbeit und Organisation auf Augenhöhe und verbessert bei gleichem Wissensstand die Kommunikation mit den Patienten.

Also haben Sie ein gutes Verhältnis zu den Pflegekräften?

Bergholz: Wir führen einen sehr wertschätzenden Umgang miteinander. Und wir machen natürlich auch Party zusammen und es entwickeln sich Freundschaften. Man ist zwar meistens in beruflichen und professionellen Situationen zusammen, aber eben ab und zu auch auf Feiern. Zum Beispiel haben wir Stationsfeiern. Soll heißen, dass es nicht eine getrennte Arzt- und Pflegeweihnachtsfeier gibt, sondern wir das alles immer als Team zusammen tun – was uns sehr wichtig ist.

Boettcher: Das Sommerfest des gesamten UKE findet zum Beispiel ja auch gemeinsam statt. Wir begreifen uns wirklich als eine Art Familie und nicht als separate Gruppen, die nur professionell zusammenarbeiten.

Können Sie einen Fall aus dem Arbeitsalltag beschreiben, bei dem die Zusammenarbeit richtig gut geklappt hat?

Bergholz: Es geht ja damit los, dass wir hauptsächlich mit sehr kleinen Kindern zu tun haben. Und da sich bei denen der Zustand schnell verändern kann, müssen Sie eigentlich durchgehend überwacht werden. So sind wir als Ärzte immer auf die Rückmeldung der Pflege angewiesen.

Und nun ist es so, dass bestimmte Daten morgens bei der Visite noch nicht vorliegen und erst im Laufe des Tages reinkommen. Da ist es dann wichtig, dass man die Rückmeldung von der Pflege bekommt. So können wir schnell reagieren, zum Beispiel auf Schmerzen, Fieber oder Gewichtabnahme. Das funktioniert gut, weil keine Kommunikationshindernisse da sind. Wir begreifen die Behandlung der uns anvertrauten Kinder als Gemeinschaftsaufgabe aus Pflege und ärztlichem Personal. Alle wissen genau, wen sie anrufen sollen, und von dem- oder derjenigen bekommen sie dann auch garantiert Unterstützung. Das sind alles Situationen, die zeigen, dass die eigentliche Versorgung der Kinder durch die Pflege stattfindet. Sie sind eben auch medizinisch fit und können dadurch relativ schnell erkennen, wenn sich bei den Kindern etwas verändert. Ohne die Pflege würde es gar nicht funktionieren. Wir sind komplett auf sie angewiesen.

Gibt es für diese Abläufe klare Kommunikationsstrukturen?

Boettcher: Gerade weil wir in der Chirurgie arbeiten und unter Umständen im OP sind, gibt es immer zwei Assistenten, die für die Station erreichbar sind. Bei organisatorischen oder schwerwiegenden Problemen gibt es zudem einen Oberarzt, den alle erreichen können und der auf dem Informationsboard steht.

Die Pflege hat also gerade in der Kindermedizin eine besonders hohe Bedeutung?!

Bergholz: Die Pflegekräfte sind ja fast die eigentlichen Behandler der Kinder und wir sind diejenigen, die aus dem ärztlichen Hintergrund weiterführende Tipps geben. Das Gefühl sollte sein, dass die Pflege selbstständig und selbstbestimmt arbeiten kann und wenn sie nicht mehr weiter wissen, stehen wir zur Verfügung. Deswegen können sie auch relativ hohe Kompetenzen übernehmen und bekommen viel Verantwortung übertragen – im positiven Sinne.

Wir begreifen die Pflege ausdrücklich nicht als ausführende Kraft der Ärzte, sondern als engen Behandlungspartner auf Augenhöhe mit Platz für eigenen HandlungsspielraumSo können sie eigentständig arbeiten und der Job macht natürlich auch viel mehr Spaß.

Wer übernimmt die Dokumentationsarbeit?

Boettcher: Die Pflege trägt natürlich ihren Bereich selbstständig ein. Das heißt, alle Parameter, die sie erfasst, trägt sie auch selber ein. Die Pflegekräfte dokumentieren auch immer das Befinden des Kindes, die Tätigkeiten, die durchgeführt wurden, und all das, was noch geplant ist. Die Ärzte tragen bei der Visite den von uns erhobenen Status des Kindes und das weitere, gemeinsam mit der Pflege festgelegte, Prozedere ein.

Bergholz: Die Dokumentation der Pflege ist für uns besonders wichtig. Wenn wir morgens zum Dienst kommen und zwei, drei Sorgenkinder haben, können wir direkt in der elektronischen Akte die Einträge der Pflege einsehen. So wissen wir sofort, wie es den betreffenden Kindern geht. Dabei handelt es sich nicht nur um einen Eintrag, sondern um mehrere, die regelmäßig erhoben werden. So kann man sich als Arzt schon allein durch die Einträge der Pflege über Nacht ein gutes Bild vom Zustand des Kindes machen und gut vorbereitet in die Behandlung oder Visite gehen.

Das spiegelt auch den Status der Pflege wieder: Der Befund, den die Pflege dokumentiert, ist für uns relevant. Wir sind auf diesen Befund und damit auch auf die Pflege angewiesen.

Sehen Sie in manchen Bereichen auch Verbesserungsbedarf?

Bergholz: Ich denke wirklich, dass sehr Vieles sehr gut funktioniert. Es gibt Situationen, in denen die Pflege aus verschiedenen Gründen nicht dabei sein kann. Und dieses Fehlen merkt man sofort. Wenn man zum Beispiel bei komplizierteren Untersuchungen nicht zu zweit am Bett sein kann, dauert alles länger. Dann spürt man, dass sie fehlen, und es kann sogar sein, dass es nicht klappt. Und das wiederum geht dann auf Kosten der Kinder. Ohne Pflege geht es nicht.