Arbeitsgruppe Schmerzforschung

Schmerzen werden in der aktuellen Forschung als komplexes multifaktorielles Geschehen konzipiert. Bei ihrer Entstehung und vor allem Aufrechterhaltung spielen neben nozizeptiven Prozessen emotionale, kognitive, behaviorale und physiologische Faktoren eine wesentliche Rolle. Die Grundlagenforschung zum Thema Schmerz konzentriert sich vor allem auf Fragen, wie ein akuter Schmerz zum chronischen Schmerz wird, welche Mechanismen hierbei zugrunde liegen und wodurch diese moduliert werden können. Die Fortschritte in der klinischen Schmerzforschung und -behandlung in den letzten Jahrzehnten lassen sich vor allem auf interdisziplinäre Konzepte innerhalb des verhaltensmedizinischen, bio-psychosozialen Ansatzes zurückführen. Die Arbeitsgruppe Schmerzforschung konzentriert sich auf Mechanismen der Schmerzchronifizierung und die daraus ableitbaren klinischen Implikationen zur Schmerzreduktion. Dabei spielt das Forschungsmodell „Placeboreaktionen“ eine entscheidende Rolle, sowohl im analgetischen als auch juckreizlindernden Bereich. Ein weiterer klinischer Forschungsschwerpunkt ist die psychologische Schmerzpsychotherapie im Kontext multimodaler Schmerztherapie innerhalb eines bio-psychosozialen Krankheitsmodells.

  • Projektteam
  • Projektteam

    Wissenschaftliche Leiter

    Priv.-Doz. Dr. Regine Klinger

    Wissenschaftliche Mitarbeiter

    Ariane Sölle

    Julia Stuhlreyer

    Dr. Sandra Christiansen

    Dr. Philip Hilz

    Dr. Julia Schmitz

    Doktorandinnen

    Marie Schwartz

    Laura Marie Fischer

    Christina Beer

    Selma Özcan

    Christian Roder (Doktorand, Schön Klinik Hamburg Eilbek)

    Schmerzmediziner

    Prof. Dr. Zöllner

    Dr. Iris Eichler

    Dr. Corinna Bläute

    Prof. Dr. F. Krug Orthopädie und Unfallchirurgie, Schön Klinik Hamburg Eilbek

    Dr. Benjamin Loeser (Rostock)

    Dr. Karine Freudenbluhm

  • Placeboreaktionen und Juckreiz

    Projektgruppenleitung: Priv.-Doz. Dr. Regine Klinger

    Das Modell der Placeboanalgesie hat die Schmerzforschung entscheidend beeinflusst. Die Erkenntnisse der zugrundeliegenden biologischen Grundlagen ermöglichen Prinzipien für die klinische Anwendung zu entwickeln. In unserem DFG-Projekt mit BfArM – Antrag haben wir aufgrund der vielseitigen Ähnlichkeiten zwischen Schmerz und Juckreiz das Modell auf den Juckreiz transferiert und untersuchen, die spezifischen psychologischen und auch physiologischen Mechanismen, die den Placeboeffekt bei der Juckreizwahrnehmung bei Patienten mit atopischer Dermatitis erzeugen. Es geht um die signifikanten additiven (zum Medikament) psychologischen Effekte, die entscheidend die pharmakologische Kernwirksamkeit eines Antihistaminikums modulieren. Diese Steigerung der medikamentösen Wirksamkeit durch psychologische Mechanismen (Instruktionen/Lerneinflüsse) untersuchen wir sowohl in behavioralen Variablen als auch in physiologischen Korrelaten (Mikrodialysat der Haut).

    Klinische Implikationen des Placeboeffektes bei Rückenschmerz

    Projektgruppenleitung: Priv.-Doz. Dr. Regine Klinger

    Der Placeboeffekt ist ein komplexer psychobiologischer Prozess bestehend aus Lern- und Erwartungsprozessen, der sich auf neurophysiologischer Ebene abspielt. Seine Effektivität ließ sich empirisch in vielen Bereichen nachweisen, insbesondere im Bereich des Schmerzes. In diesem DFG-Projekt geht es um 4 experimentelle Studien an Patienten mit chronischen Rückenschmerzen. Untersucht wird:

    1. der Placebo- und Noceboeffekt einer vermeintlich schmerzlindernden Infusion im Verhaltensexperiment (Hamburg),

    2. der vergleichbare Versuchsaufbau unter fMRI –Bedingungen (Mannheim),

    3. der Placeboeffekt einer vermeintlich schmerzlindernden psychologischen Intervention
    (Neurofeedback) ebenso im Verhaltensexperiment (Hamburg),

    4. der Einfluss sozialen Lernens bei schmerzlindernder Medikation.

    Placeboforschung: Potential für das post-operative Schmerzmanagement

    Projektgruppenleitung: Priv.-Doz. Dr. Regine Klinger

    In dieser klinische Studie (DFG-Projekt) geht es um die Nutzung von Placeboreaktionen im Postoperativen Schmerzmanagement. Die Fragestellung ist, ob sich die pharmakologische Kernwirksamkeit der postoperativen Schmerzmedikation durch psychologische Effekte (Manipulationen der Informationsvermittlung, Fokussierung auf visuellen Kontext des Medikamentes) additiv verbessern lässt? Entwickelt wurde eine Applikation und apparative Vorrichtung zur Visualisierung medikamentöser Wirkungen (Open-Medication), die zudem mit persönlicher Zuwendung durch den Arzt zusätzlich verstärkt wird. Wir untersuchen 150 Patienten mit Knieprothesen-Operationen im stationären Kontext, Schön Klinik Hamburg Eilbek. Die Studie wird Erkenntinisse zur klinischen Implikation des analgetischen Placeboeffektes bei der Akutschmerzbehandlung liefern, um den Placeboeffekt nutzbringend im klinischen Alltag einzubringen.

    Schmerzpsychologie, Chronifizierung und De-Chronifizierung von Schmerzen

    Projektgruppenleitung: Priv.-Doz. Dr. Regine Klinger

    Psychologische Mechanismen beeinflussen chronische Krankheits- und Behandlungsverläufe. In diesem Projekt geht es um Fragen ätiologischer, aufrechterhaltender Variablen und Mechanismen sowohl in Bezug auf akute als auch chronische Schmerzen. Im biopsychosozialen Krankheitsmpodell werden die am Schmerz beteiligten psychischen, biologischen und sozialen Anteile untersucht. In diesem Kontext ist von Interesse, Fragen zu den Mechanismen der Entstehung und Aufrechterhaltung von Schmerzen zu klären, die Faktoren, die beim Übergang vom Akut- zum Chronifizierungsstadium eine Rolle spielen, zu verstehen und deren Modulation durch psychologische und medizinische Interventionen zu untersuchen. Ein wichtiges Teilprojekt ist dabei die Evaluation unserer Psychologischen Kopfschmerz- und Rückenschmerzbewältigungsgruppe und die Untersuchung von Prädiktoren des Behandlungserfolges.

    Ausmaß eines analgetisches Effektes von transkutaner elektrischer Nervenstimulation bei Patientinnen nach Sectio Caesarea

    Projektgruppenleitung: Priv.-Doz. Dr. Regine Klinger, Prof. Dr. med. Christian Zöllner

    Transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) ist ein weit verbreitetes, nichtinvasives Verfahren, das über Elektroden mit Patienten verbunden wird und zur Analgesie von Patienten beitragen kann. Die Evidenzlage ist jedoch heterogen: Ein deutlicher Wirknachweis von TENS gegenüber einer TENS-Placebo-Behandlung konnte noch nicht eindeutig gezeigt werden. Es existieren einige Studien und Reviews, die den analgetischen Effekt von TENS im Vergleich zu Placebo bei postoperativen Schmerzen in Frage stellen (Carroll D, Tramer M, McQuay HJ, Nye B, Moore A: Randomisation is important in studies with pain outcomes: Systematic review of transcutaneous electrical nerve stimulation in acute postoperative pain. Br J Anesth 77:798-803, 1996). Dennoch weist eine kürzlich aktualisierte Cochrane-Analyse (Johnson MI, Paley CA, Howe TE, Sluka KA. Transcutaneous electrical nerve stimulation for acute pain. Cochrane Database Syst Rev 15:CD006142, 2015) darauf hin, dass TENS einer Placebo-Therapie überlegen ist. Die Autoren merken einschränkend an, dass ein Bias-Risiko, eine unzureichende Probandenanzahl sowie eine unzureichende Verblindung eine definitive Aussage über die Wirksamkeit von TENS nicht zulassen. Dennoch scheint die Behandlung mit einem Placebo –TENS relativ gute analgetische Effekte zu erzeugen. Im Bereich postoperativer Schmerz wurde TENS mit gutem Erfolg zur Analgesie eingesetzt (Solomon RA, Viernstein MC, Long DM: Reduction of postoperative pain and narcotic use by transcutaneous electrical nerve stimulation. Surgery 87:142-146,1980). Ob im Bereich der Sectio Caesarea positive Effekte nachzuweisen sind, ist bislang nicht eindeutig geklärt.

    Die zuletzt erschienenen Studien, die sich isoliert mit einer analgetischen Wirkung von TENS bei Patientinnen nach stattgefundener Sectio Caesarea beschäftigen, zeigen (analgetische) Vorteile bei der Verwendung von TENS (Kayman-Kose S, Arioz DT, Toktas H, Koken G, Kanat-Pektas M, Kose M, Yilmazer M. Transcutaneous electrical nerve stimulation (TENS) for pain control after vaginal delivery and cesarean section. J Matern Fetal Neonatal Med. 27:1572-5, 2014; Navarro Nuñez C, Pacheco Carrasco M. Transcutaneous electric stimulation (TENS) to reduce pain after cesarean section. Ginecol Obstet Mex 68:60-3, 2000). Für eine klinische Gruppe, die darauf angewiesen ist, möglichst keine, wenn überhaupt nur sehr geringe Mengen von Analgetika einnehmen zu müssen, ist das von hoher Bedeutsamkeit. Aus diesem Grunde sind weiterführende kontrollierte Studien erforderlich, um eine eindeutige Aussage bezüglich des analgetischen Effekts von TENS zu belegen.

    Zudem soll der additive Effekt von TENS (sowohl Placebo- als auch Verum-TENS) und von persönlicher Arzt-Patienten Interaktion (Zuwendung) in Ergänzung zu herkömmlicher Analgetikagabe genauer untersucht werden. In den letzten Jahren rückte dieser Aspekt zunehmend in das Zentrum der Placeboforschung. Das zentrale Ziel der Placeboforschung ist es, durch die Kenntnis der Placebomechanismen und deren Transfer auf medizinische und psychologische Interventionen deren Wirkung durch sog. additive Placeboreaktionen zu steigern (Klinger R, Colloca L, Bingel U, Flor H (2014) Placebo analgesia: clinical applications. Pain 155:1055–1058). Mithilfe des Open-Hidden-Paradigmas wurden diese additiven Effekte sehr eindrücklich in einer Reihe von Experimenten untersucht (Amanzio M, Pollo A, Maggi G, Benedetti F (2001) Response variability to analgesics: a role for nonspecific activation of endogenous opioids. Pain 90:205–215; Benedetti F, Maggi G, Lopiano L, Lanotte M, Rainero I, Vighetti S, Pollo A (2003) Open versus hidden medical treatments: the patient’s knowledge about a therapy affects the therapy outcome.Prev Treat6:ArtID1 a; Colloca L, Lopiano L, LanotteM, Benedetti F (2004) Overt versus covert treatment for pain, anxiety,and Parkinson’s disease. Lancet Neurol 3:679–684). Die Ergebnisse dieser Studien zeigen, dass die bewusste Einnahme eines Medikaments eine höhere Behandlungseffektivität aufweist als eine für den Patienten nicht wahrnehmbare Einnahme eines Medikamentes. Die Wirksamkeit eines Schmerzmedikamentes kann demnach durch die Interaktion mit dem Behandler und die Informationen über das Analgetikum gesteigert werden (Amanzio M, Pollo A, Maggi G, Benedetti F (2001) Response variability to analgesics: a role for nonspecific activation of endogenous opioids. Pain 90:205–215; Klinger R, Colloca L, Bingel U, Flor H (2014) Placebo analgesia: clinical applications. Pain 155:1055–1058).

  • siehe Pubmed

    • Sölle, A., Worm, M., Benedetti, F., Bartholomäus, T., Schwender-Groen, L. & Klinger, R. (under review). Psychological mechanisms within an open and hidden administration of antihistamine enhance drug action: a single blind, randomised clinical trial on placebo responses in patients with atopic dermatitis.
    • Sölle, A., Bartholomäus, T., Worm, M., Klinger, R. (2014). How to psychologically minimize scatching impulses: benefits of placebo effects on itching using classical conditioning and expectancy. Zeitschrift für Psychologie, Vol. 222(3):140–147. DOI: 10.1027/2151-2604/a000183.
    • Narkus, A., Lehnigk, U., Häfner, D., Klinger, R., Pfaar, O. & Worm, M. (2013). The placebo effect in allergen-specific immunotherapy trials. Clinical and Translational Allergy, 3 (1),1-8.
    • Schwender-Groen, L., Worm, R., Klinger, R. (2011). Vergleichende psychologische Aspekte von Juckreiz und Schmerz. Schmerz, 25, 207–220.
    • Klinger, R., Schwender-Groen, L., Flor, H. (2010). Praktische Implikationen der Placebo-Analgesie (Practical implication of placebo-analgesia). Zeitschrift für Medizinische Psychologie (Journal of Medical Psychology), 19, (3-4), 137-145.
    • Klinger, R., Soost, S., Flor, H., & Worm, M. (2007). Classical conditioning and expectancy in placebo hypoalgesia: a randomized controlled study in patients with atopic dermatitis and persons with healthy skin. Pain, 128, 31-39.
    • Klinger, R., Kothe, R., Schmitz, J., Kamping, S., Flor, H. (2017). Placebo effects of a sham opioid solution: a randomized controlled study in patients with chronic low back pain.
      Pain, 158, 10, 1893–1902. DOI: 10.1097/j.pain.0000000000000977
    • Klinger R, Colloca L, Bingel U, Flor H (2014). Placebo analgesia: Clinical applications. PAIN, 155, 1055–1058,
      http://dx.doi.org/10.1016/j.pain.2013.12.007.
    • Klinger, R., Flor, H. (2014). Clinical and ethical implications of placebo effects: enhancing patients’ benefits from pain treatment. In: F. Benedetti et al. (eds.), Placebo, Handbook of Experimental Pharmacology 225, Springer, DOI 10.1007/978-3-662-44519-8_13.Klinger, R., Colloca L. (2014). Placebo effects: basic mechanisms and clinical applications. Zeitschrift für Psychologie, Vol. 222(3).
    • Klinger, R., Colloca L. (2014). Approaches to a complex phenomenon: the basis mechanisms and clinical applications of placebo effects. Zeitschrift für Psychologie, Vol. 222(3):121–123. DOI: 10.1027/2151-2604/a000175.
    • Kamping S, Müller M,Klinger R, Schmitz J, Flor H (2014). Analgesics in chronic back pain: The significance of patient attitudes to them and prior experience with them for placebo responces. Zeitschrift für Psychologie 2014; Vol. 222(3):179–185. DOI: 10.1027/2151-2604/a000182.
    • Colloca L, Klinger R, Flor H, Bingel U. (2013) Placebo analgesia: psychological and neurobiological mechanisms. PAIN;154:511–4.
    • Klinger R, Colloca L, Bingel U, Flor H (2014). Placebo analgesia: Clinical applications. PAIN, 155, 1055–1058,
      http://dx.doi.org/10.1016/j.pain.2013.12.007.
    • Klinger, R. Das Potiential des analgetischen Placeboeffektes: S3-Leitlinien-Empfehlung des Klinischen Nutzens für die Schmerztherapie (2010). Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin, Schmerztherapie (45): 22-29.

  • Ambulanzzentrum des UKE

    Kopfschmerzambulanz des UKE

    Prof. Dr. Margitta Worm
    Allergie-Centrum der Charité-Universitätsmedizin Berlin, Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie das Placeboanalgesie (gemeinsame Antragstellung, Projektleitung Berlin, Charite)Prof.

    Dr. F. Benedetti
    University of Turin, Medical School Turin, Italy

    Prof. Dr. Herta Flor,
    Universität Heidelberg, ZI Mannheim (gemeinsame Antragstellung)

    Jan Meissner (Muthesius Kunsthochschule Kiel, Medical Design)

    Benjamin Schwarz (Muthesius Kunsthochschule Kiel, Medical Design)

    DFG FOR-Gruppe 1328, Steuerungsgruppe:
    Prof. Dr. U. Bingel, Essen
    Prof. Dr. P. Enck, Tübingen
    Prof. Dr. W. Rief, Marburg
    Prof. Dr. M. Schedlowski, Essen

    Prof. Dr. Luana Colloca
    University of Maryland School of Nursing
    University of Maryland School of Medicine
    Baltimore, USA