Ausgefragt?! – Personalisierte Medizin in der Onkologie


Interview mit Priv.-Doz. Dr. Maximilian Christopeit

Universitäres Cancer Center Hamburg (UCCH)

Mehr als 500.000 Menschen erkranken in Deutschland jährlich an Krebs. In den vergangenen Jahren konnten dank kontinuierlicher Forschung große Behandlungsfortschritte in der Therapie von vielen Krebsarten erzielt werden. Dabei spielt vor allem die personalisierte Krebsmedizin eine immer wichtigere Rolle: Anlässlich des Weltkrebstags informiert Priv.-Doz. Dr. Maximilian Christopeit, Oberarzt im Zentrum für Onkologie im Universitären Cancer Center Hamburg (UCCH) des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE), was unter personalisierter Medizin in der Onkologie zu verstehen ist und wie sie Patient:innen zugutekommt.

  • Ich heiße Max Christopeit und arbeite als Onkologe und Hämatologe am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.


    Herr Dr. Christopeit, was versteht man unter personalisierter Krebsmedizin?

    Grundsätzlich ist jede Krebsbehandlung personalisiert. Wir richten uns nach den Charakteristika des Tumors. Wir individualisieren darüber hinaus auf die Spezifika der Patient:innen: Alter, Geschlecht, Größe. Im engeren Sinne beschreibt die personalisierte Krebsmedizin die Möglichkeiten, die sich uns eröffnet haben, indem wir sehr detaillierte Untersuchungsverfahren für die speziellen Mutationen in einem Tumor eingeführt haben. Dies kommt zum Tragen, wenn ein Ansprechen des Tumors auf Standardtherapien nicht mehr vorliegt oder absehbar nicht mehr vorliegt. Dies kommt zum Tragen, wenn sehr seltene Tumorentitäten vorliegen, und dies kommt bei speziellen Tumorarten zum Tragen. So ist in den letzten Jahrzehnten das Bronchialkarzinom, das metastasierte Lungenkarzinom, eines der häufigsten unserer Leiden, erfolgreich mit der Targetierung dieser Treibermutationen behandelt worden.


    Wie funktioniert personalisierte Krebsmedizin?

    Heutzutage können wir den Tumor sequenzieren. Das bedeutet, wir schlüsseln die tumorspezifische Erbsequenz, Erbsubstanz auf. In dieser Erbsubstanz suchen wir nach einer oder mehreren Achillesfersen. Wenn wir diese ansteuern therapeutisch, können wir den Tumor erfolgreich behandeln. Zum Beispiel eine Mutation X in einem bestimmten Tumor spricht vielleicht besonders gut auf ein Medikament X an, wohingegen eine andere Mutation auf ein anderes Medikament ansprechen würde.


    Welche Verfahren gibt es in der personalisierten Krebsmedizin?

    Diagnostisch hat sich in den letzten Jahrzehnten die Tiefensequenzierung oder Hochdurchsatzsequenzierung, die im englischen Sprachtum auch Next Generation Sequenzing heißt, durchgesetzt. Mit Hilfe dieser Sequenzierung können wir zeitgleich eine große Menge an Informationen aus dem einzelnen Tumor gewinnen. Wir suchen eben nach Mutationen, die angreifbar sind. Dieser Berg an Informationen wird in einem molekularen Tumorboard von verschiedenen Kolleg:innen aus verschiedenen Disziplinen betrachtet und in Therapieempfehlungen umgesetzt.

    Im molekularen Tumorboard sitzen Pathologen, Bioinformatiker, Humangenetiker, Informatiker und eben auch Kliniker. Die Therapieempfehlung ist sehr sehr häufig eine Tablettentherapie, die dauerhaft eingenommen wird. Hin und wieder kommen Infusionen zum Einsatz. Diese Infusionen können zum Beispiel Immuntherapeutika sein oder Antikörper-Drug-Konjugate.


    Für welche Krebsarten eignen sich diese Therapien?

    Die personalisierte Krebsmedizin eignet sich im Grunde für alle Krebsarten. Sie kommt in aller Regel dann zur Anwendung, wenn die Krebserkrankung fortschreitet oder absehbar fortschreitet. Ferner helfen wir aus der personalisierten Krebsmedizin in Situationen, wo sehr seltene Tumore vorliegen. Besonders erfolgreich war die personalisierte Krebsmedizin in den letzten Jahren beim metastasierten Lungenkarzinom. Deswegen ist die Anwendung personalisierter Verfahren beim metastasierten Lungenkarzinom heutzutage Standard.


    Wie sieht die Zukunft der personalisierten Krebsmedizin aus?

    Ich wünsche mir, dass wir in Zukunft durch das vereinfachte Gewinnen von Erkenntnissen und durch das Teilen von Erkenntnissen mit den Kolleg:innen in der gesamten Welt schneller zu belastbaren und wirksamen Therapien für unsere Patient:innen kommen.


    Wo finden Patient:innen entsprechende Angebote?

    Personalisierte Krebsmedizin bieten wir als zertifiziertes Zentrum für Personalisierte Medizin-Onkologie im UCCH des UKE zusammen mit unseren Partnern in Praxis und Klinik an. Wir sind Bestandteil zweier präzisionsonkologischer Netzwerke. Das eine ist das nationale Netzwerk Genomische Medizin Lunge (nNGM), und das zweite ist das Deutsche Netzwerk für Personalisierte Medizin (DNPM).


    Haben Sie noch eine Botschaft für uns?

    Ich bin zuversichtlich, dass sich die in der Vergangenheit erzielten Erfolge in die Zukunft fortsetzen werden und in vielen Situationen unseren Patient:innen bessere Therapien ermöglichen werden.