Forschungsgruppe Schulz

Die Forschungsgruppe von Dr. Eike Schulz beschäftigt sich mit der molekularen Struktur und Dynamik von bakteriellen Enzymen im Bereich der Antibiotikaresistenz. Die Forschergruppe wird vom BMBF mit einem Volumen von ca. 2,2 Mio. Euro gefördert. Weitere Informationen finden Sie unter dem folgenden Link: https://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/antibiotimex-zeitaufgeloste-strukturanalyse-von-antibiotikaresistenzmechanismen-zur-14971.php

Woran sind wir interessiert?

Die Antibiotikaresistenz ist eine der größten Gefahren für die menschliche Gesundheit im 21. Jahrhundert. Ein Schlüsselfaktor für die Entwicklung neuer Strategien zur Bekämpfung der Antibiotikaresistenz ist das Verständnis der zugrunde liegenden molekularen Mechanismen. Auf molekularer Ebene wird die Antibiotikaresistenz durch spezialisierte Proteine und Enzyme vermittelt, die die Antibiotika verändern, abbauen oder absondern. Um neue Behandlungsmöglichkeiten gegen diese Bedrohung zu entwickeln, müssen wir verstehen, wie und warum diese Proteine ihre Arbeit verrichten. Diese Prozesse sind eng mit den molekularen Bewegungen dieser Enzyme - ihrer Dynamik - verbunden. Bisher sind nur statische Bilder der beteiligten Enzyme verfügbar, und daher gibt es kaum Informationen über die Reihenfolge der Ereignisse. Um jedoch die Dynamik von Proteinen direkt sichtbar zu machen und zu verstehen, entwickelt meine Forschungsgruppe eine Methode namens "zeitaufgelöste Röntgenkristallographie". Mit dieser Methode können wir über statische Protein-Schnappschüsse hinausgehen und stattdessen echte biochemische Filme der Moleküle des Lebens in Aktion aufnehmen.

Zeitaufgelöste Kristallographie: Wie funktionieren Enzyme?

Die Aufzeichnung biochemischer Filme ist eine Herausforderung, da sie eine Bestimmung der strukturellen Dynamik erfordert, während das Protein seine Arbeit verrichtet. Dazu nutzen wir modernste Strahlungsquellen, wie das PETRA-III-Synchrotron oder Freie-Elektronen-Laser und den European XFEL hier in Hamburg. Früher waren diese Experimente hochkompliziert und eher großen Expertenteams vorbehalten. Eines der Ziele meiner Forschungsgruppe ist es jedoch, die zeitaufgelöste Kristallographie zu vereinfachen, um die Anzahl der zu bearbeitenden Probleme zu erhöhen. Wie sich solche Fragestellungen am besten angehen lassen ist in diesem Artikel erklärt:

Best practices

Wie hängt das alles mit der Antibiotikaresistenz zusammen?

Wie die Katalyse in allen Enzymen ist auch die Inaktivierung von Antibiotika eng mit den Bewegungen des Proteins verbunden. Typischerweise bestimmen diese "Konformationsänderungen", wie schnell eine Reaktion abläuft, biochemisch ausgedrückt ihre "ratenbegrenzenden Schritte". Die molekulare Dynamik der Resistenzenzyme liefert also entscheidende Informationen, was die rationale Entwicklung neuer, widerstandsfähigerer Hemmstoffe erschwert. Wenn jedoch nur die statischen Strukturen dieser Enzyme bei der Entdeckung von Arzneimitteln berücksichtigt werden, wird der wichtige Aspekt ihrer Dynamik übersehen, und die Aktivität neu entwickelter Hemmstoffe könnte durch eine einzige Mutation schnell beeinträchtigt werden. Ein vielversprechender Weg zur Umgehung dieser Probleme ist dagegen die gezielte Beeinflussung anderer Stellen des Proteins, d. h. die Beeinflussung allosterischer Mechanismen oder der Konformationsdynamik von Proteinen im Allgemeinen. Im modernen Verständnis ist Allosterie der Prozess, durch den Proteine Signale über Ereignisse an einer Stelle, z. B. die Bindung eines Liganden, an eine andere, oft weit entfernte Stelle weiterleiten, was z. B. die Regulierung ihrer Aktivität ermöglicht. Kanonische Inhibitoren konkurrieren mit dem Substrat um die aktive Stelle und werden daher als kompetitive Inhibitoren bezeichnet. Häufig werden sie jedoch durch eine einzige Punktmutation unbrauchbar gemacht, wodurch die Bakterien wieder resistent werden. Im Gegensatz dazu können allosterische Inhibitoren weit entfernt vom aktiven Zentrum binden und die Funktion des Zielproteins durch Fernwirkung aufgrund einer Veränderung der Proteinstruktur oder seiner funktionellen Dynamik beeinträchtigen. Die Allosterie wird häufig mit der Katalyse und der Konformationsdynamik eines Proteins in Verbindung gebracht, aber die technischen Schwierigkeiten bei der Gewinnung dieser Informationen verhindern derzeit eine weitere rationale Nutzung durch akademische Arbeitsgruppen oder die pharmazeutische Industrie. Gegenwärtig wird die Konformationsdynamik des ruhenden Enzyms überwiegend aus NMR-Experimenten oder MD-Simulationen gewonnen. Mit TR-SSX können wir diese Studien jedoch in einzigartiger Weise ergänzen und erweitern, da die Technik (a) die Konformationsdynamik während der Katalyse aufzeigt und (b) bisher unzugängliche Zeiträume abdecken kann. Wir haben bereits gezeigt, dass bestimmte Konformationsmodi nur während wichtiger katalytischer Ereignisse eines Enzyms sichtbar sind (Science 2019). Die Gewinnung ähnlicher Informationen für antibiotikaresistente Enzyme gibt uns hoffentlich Aufschluss über zusätzliche Konformationszustände und allosterische Effekte, die neue Möglichkeiten z. B. für das Design von Inhibitoren eröffnen sollten.

Wie machen wir das?

Eine bahnbrechende Innovation war die Hit-and-Return (HARE)-Methode, die es ermöglicht, Filme von Proteinen in Aktion auf biologisch relevanten Zeitskalen aufzunehmen.

Ein weiterer technologischer Durchbruch war die "Liquid Application Methods for Time-Resolved Crystallography" (LAMA)-Methode, die es uns ermöglicht, Enzymreaktionen auszulösen, indem wir die Lösung mit den Enzymsubstraten (z. B. den Antibiotika) auf die winzigen Proteinkristalle spucken. Dadurch wird nicht nur das Experiment weiter vereinfacht, sondern der Hauptvorteil der LAMA-Methode besteht darin, dass sich die zu untersuchenden Probleme dadurch erheblich erweitern lassen. Beide Methoden werden inzwischen von mehr als 35 internationalen Nutzergruppen an der speziellen zeitaufgelösten Kristallographie-Beamline (T-REXX) routinemäßig eingesetzt, die von unseren engen Kooperationspartnern am EMBL Hamburg and the University of Hamburg

HARE

LAMA

Was können wir lernen?

Diese innovativen Methoden ermöglichten einzigartige, bisher nie dagewesene Einblicke in die Funktion und Dynamik von Proteinen, nämlich einen Prozess, der als "molekulares Atmen" verstanden werden kann, d. h. die Ausdehnung und Kontraktion eines Enzyms, die mit seiner katalytischen Umsatzreaktion korreliert; eine so genannte "Half-the-Sites-Reaktivität", die bisher nicht im molekularen Detail beobachtet wurde. Dabei ist jeweils nur eine Hälfte des Enzyms aktiv, und die Information über den katalytischen Zustand wird über einen intramolekularen Mechanismus, der überraschenderweise keine Formänderung des Enzyms erfordert, an die andere Hälfte des Enzyms weitergegeben. Dieses Verhalten ist bei Enzymen üblich, wird aber nur selten sichtbar gemacht und ist immer noch schlecht verstanden. Darüber hinaus wurde in dieser ersten Arbeit zum ersten Mal gezeigt, dass die zeitaufgelöste Kristallographie auch Ligandenbindungsereignisse aufzeigen kann, d. h. sie gibt nicht nur Aufschluss über den Zustand vor und nach der Bindung eines kleinen Moleküls an ein Protein (z. B. ein Antibiotikum), sondern auch über die Zwischenzustände während des Bindungsprozesses. Dieser letzte Aspekt stellt ein noch nicht erforschtes Gebiet in der strukturellen Proteinbiochemie dar.

Allosteric communication

Zu komplex für jedermann?

Die zeitaufgelöste Kristallographie hat den Ruf, komplex zu sein und große Expertenteams zu erfordern. Die Vielseitigkeit unserer jüngsten Entwicklungen hat uns jedoch ermutigt, die zeitaufgelöste Kristallographie noch einfacher und damit für die große Gemeinschaft der Strukturbiologie zugänglicher zu machen. Zu diesem Zweck haben wir den Spitrobot entwickelt, der die Vitrifikation von Kristallproben mit einer Zeitauflösung im Bereich von Millisekunden ermöglicht. Dies sollte die Forschung auf dem Gebiet der Proteinmechanismen beschleunigen und eine größere Anzahl von Gruppen in die Lage versetzen, ähnliche Forschungen durchzuführen.

Mehrdimensionale Kristallographie: Warum funktionieren Enzyme?

Die größere offene Frage ist jedoch, warum Enzyme funktionieren? Enzyme stabilisieren den Übergangszustand und senken dadurch die Aktivierungsenergie, aber wie wird diese Barriere eigentlich überwunden? Wie können Enzyme die im System vorhandene Energie auf ihre aktiven Stellen lenken? Diese anspruchsvolle Frage erfordert ein gleichzeitiges Verständnis von Struktur, Dynamik und Thermodynamik während der Katalyse. Die meisten Erkenntnisse über die Struktur und Funktion von Proteinen stammen aus Experimenten, die bei kryogenen Temperaturen, d. h. bei etwa -170 °C, durchgeführt wurden. Diese Temperaturen sind sehr weit von physiologischen Bedingungen und der optimalen Arbeitsumgebung für Enzyme entfernt, die an der Antibiotikaresistenz beteiligt sind. Daher könnten die Informationen, die wir über die Strukturen haben, die unser Leben bestimmen, durch diese künstlichen Temperaturen beeinträchtigt werden. Aus diesem Grund haben wir eine Lösung für die serielle Kristallographie entwickelt, die es ermöglicht, die Temperatur zu verändern, während wir den Umsatz beobachten. Diese mehrdimensionale Kristallographie ermöglicht zeitaufgelöste Experimente in einem Temperaturfenster zwischen 8°C und 80°C und ist die technologische Grundlage für die Bestimmung von sog. Freie-Energie-Landschaften, die uns Aufschluss über die Funktionsweise von Enzymen geben sollen.

Experimentelles Fachwissen

⁃ Protein-Biochemie
⁃ Proteinaufreinigung
⁃ Proteinkristallisation
⁃ Röntgenkristallographie
⁃ Zeitaufgelöste Kristallographie
⁃ Mehrdimensionale Kristallographie
⁃ Methodenentwicklung

Team

Wenn Sie an einer Masterarbeit in Biochemie oder Biophysik interessiert sind, wenden Sie sich bitte direkt an mich.

Dr. Eike C. Schulz