• Forschungsgruppe Schulz

Die Arbeitsgruppe von Dr. Eike Schulz beschäftigt sich mit der molekularen Struktur und Dynamik von Enzymen im Bereich der Infektionsforschung.

Das Projekt ANTIBIOTIMEX befasst sich mit den molekularen Mechanismen von Enzymen, die gegen Antibiotika resistent sind.

Das DynaPLIX -Projekt zielt darauf ab, den dynamischen Prozess der Ligandenbindung an Proteine zu verstehen, über einen Ansatz der Struktur, Kinetik und Thermodynamik integriert.

Die AG-Schulz wird seit Juli 2022 vom BMBF und seit Mai 2023 vom ERC mit einem Volumen von 2,2 Mio. bzw. 2,5 Mio. Euro gefördert.

Woran sind wir interessiert?

Die Antibiotikaresistenz ist eine der größten Gefahren für die menschliche Gesundheit im 21. Jahrhundert. Ein Schlüsselfaktor für die Entwicklung neuer Strategien zur Bekämpfung der Antibiotikaresistenz ist das Verständnis der zugrunde liegenden molekularen Mechanismen. Auf molekularer Ebene wird die Antibiotikaresistenz durch spezialisierte Proteine und Enzyme vermittelt, die die Antibiotika verändern, abbauen oder absondern. Um neue Behandlungsmöglichkeiten gegen diese Bedrohung zu entwickeln, müssen wir verstehen, wie und warum diese Proteine ihre Arbeit verrichten. Diese Prozesse sind eng mit den molekularen Bewegungen dieser Enzyme - ihrer Dynamik - verbunden. Bisher sind nur statische Bilder der beteiligten Enzyme verfügbar, und daher gibt es kaum Informationen über die Reihenfolge der Ereignisse. Um jedoch die Dynamik von Proteinen direkt sichtbar zu machen und zu verstehen, entwickelt meine Forschungsgruppe eine Methode namens "zeitaufgelöste Röntgenkristallographie". Mit dieser Methode können wir über statische Protein-Schnappschüsse hinausgehen und stattdessen echte biochemische Filme der Moleküle des Lebens in Aktion aufnehmen.

Zeitaufgelöste Kristallographie: Wie arbeiten Enzyme?

Solche biochemischen Filme stellen allerdings eine große experimentelle Herausforderung dar, da die Einzelbilder des Films aufgenommen werden müssen, während das Protein seine Arbeit verrichtet. Dazu nutzen wir modernste Strahlungsquellen wie z.B. das PETRA-III-Synchrotron oder Freie-Elektronen-Laser wie z.B. das European XFEL, hier in Hamburg. Früher waren diese Experimente sehr kompliziert und nur großen Teams vorbehalten. Eines der Ziele meiner Arbeitsgruppe ist es jedoch, zeitaufgelöste Kristallographie zu vereinfachen, um die Anzahl der zu bearbeitenden Probleme zu erhöhen und mehr Nutzern die Anwendung zu ermöglichen.

Wie hängt das alles mit der Antibiotikaresistenz zusammen?

Wie die Katalyse in allen Enzymen ist auch die Inaktivierung von Antibiotika eng mit den Bewegungen des Proteins verbunden. Typischerweise bestimmen diese "Konformationsänderungen", wie schnell eine Reaktion abläuft.

Entscheidende Informationen liegen also in der molekularen Dynamik der Resistenzenzyme, was die rationale Entwicklung neuer, widerstandsfähigerer Hemmstoffe erschwert. Wenn jedoch nur die statischen Strukturen dieser Enzyme bei der Entdeckung von Arzneimitteln berücksichtigt werden, geht der wichtige Aspekt ihrer Dynamik verloren, und die Aktivität neu entwickelter Hemmstoffe könnte schnell durch eine einzige Mutation beeinträchtigt werden.

Ein vielversprechender Weg zur Umgehung dieser Probleme ist es dagegen, auf andere Stellen des Proteins abzuzielen, d. h. in sog. allosterische Mechanismen oder in die Konformationsdynamik von Proteinen im Allgemeinen einzugreifen.

Im modernen Verständnis ist Allosterie der Prozess, durch den Proteine Signale über Ereignisse an einer Stelle, z. B. die Bindung eines Liganden, an eine andere, oft weit entfernte Stelle weiterleiten, was z. B. die Regulierung ihrer Aktivität ermöglicht. Kanonische Inhibitoren konkurrieren mit dem Substrat um die aktive Stelle und werden daher als kompetitive Inhibitoren bezeichnet. Häufig werden sie jedoch durch eine einzige Punktmutation unbrauchbar gemacht, wodurch die Bakterien wieder resistent werden.

Im Gegensatz dazu können allosterische Inhibitoren weit entfernt vom aktiven Zentrum binden und die Funktion des Zielproteins durch Fernwirkung aufgrund einer Veränderung der Proteinstruktur oder seiner funktionellen Dynamik beeinträchtigen. Die Allosterie wird häufig mit der Katalyse und der Konformationsdynamik eines Proteins in Verbindung gebracht, aber die technischen Schwierigkeiten bei der Gewinnung dieser Informationen verhindern derzeit eine weitere rationale Nutzung. Gegenwärtig wird die Konformationsdynamik des ruhenden Enzyms überwiegend aus NMR-Experimenten oder MD-Simulationen gewonnen. Mit TR-SSX können wir diese Studien jedoch in einzigartiger Weise ergänzen und erweitern, da die Technik (a) die Konformationsdynamik während der Katalyse aufzeigt und (b) bisher unzugängliche Zeiträume abdecken kann. Wir haben bereits gezeigt, dass bestimmte Konformationsmodi nur während wichtiger katalytischer Ereignisse eines Enzyms sichtbar sind (Science 2019). Die Gewinnung ähnlicher Informationen für antibiotikaresistente Enzyme gibt uns hoffentlich Aufschluss über zusätzliche Konformationszustände und allosterische Effekte, die neue Möglichkeiten z. B. für das Design von Inhibitoren eröffnen sollten.

Was ermöglicht diese Experimente?

Eine bahnbrechende Innovation war die Hit-and-Return (HARE)-Methode, die es ermöglicht, Filme von Proteinen in Aktion auf biologisch relevanten Zeitskalen aufzunehmen.

Ein weiterer technologischer Durchbruch war die "Liquid Application Methods for Time-Resolved Crystallography" (LAMA)-Methode, die es uns ermöglicht, Enzymreaktionen auszulösen, indem wir eine Lösung mit den Enzymsubstraten (z. B. den Antibiotika) auf die winzigen Proteinkristalle sprühen. Dadurch wird nicht nur das Experiment deutlich vereinfacht, sondern der Hauptvorteil der LAMA-Methode besteht darin, dass sie die Anzahl der möglichen Zielproteine erheblich erweitert. Beide Methoden werden inzwischen routinemäßig von über 35 internationalen Nutzergruppen an der Kristallographie-Beamline T-REXX, genutzt, die gezielt für zeitaufgelöste Kristallographie aufgebaut wurde. Betrieben wird T-REXX von unseren engen Kooperationspartnern am EMBL Hamburg und der Universität Hamburg.

Welche Einblicke in biologische Zusammenhänge können wir so gewinnen?

Diese innovativen Methoden ermöglichten einzigartige, bisher nie dagewesene Einblicke in die Funktion und Dynamik von Proteinen, nämlich einen Prozess, der als "molekulares Atmen" verstanden werden kann, d. h. die Ausdehnung und Kontraktion eines Enzyms, die mit seiner katalytischen Umsatzreaktion korreliert; eine so genannte "Half-the-Sites-Reaktivität", die bisher nicht im molekularen Detail beobachtet wurde. Dabei ist jeweils nur eine Hälfte des Enzyms aktiv, und die Information über den katalytischen Zustand wird über einen intramolekularen Mechanismus, der überraschenderweise keine Konformationsänderung des Enzyms erfordert, an die andere Hälfte des Enzyms weitergegeben. Dieses Verhalten ist bei Enzymen zwar nicht unüblich, wird aber nur selten sichtbar gemacht und ist immer noch schlecht verstanden. Darüber hinaus wurde in dieser ersten Arbeit zum ersten Mal gezeigt, dass zeitaufgelöste Kristallographie auch Ligandenbindungsereignisse aufzeigen kann, d. h. sie gibt nicht nur Aufschluss über den Zustand vor und nach der Bindung eines kleinen Moleküls an ein Protein (z. B. ein Antibiotikum), sondern auch über die Zwischenzustände während des Bindungsprozesses. Dieser letzte Aspekt stellt ein noch gänzlich unerforschtes Gebiet in der strukturellen Proteinbiochemie dar und wirft eine Reihe spannender Fragen auf.

Zu komplex für jedermann?

Die zeitaufgelöste Kristallographie hat den Ruf, sehr komplex zu sein und daher nur durch große Teams von Experten möglich zu sein. Die Vielseitigkeit unserer jüngsten Entwicklungen hat uns jedoch ermutigt, die zeitaufgelöste Kristallographie noch einfacher und damit für viele strukturbiologische AG zugänglicher zu machen. Zu diesem Zweck haben wir den Spitrobot entwickelt, der auf Standardwerkzeugen aufbaut und das Abstoppen von Reaktionen durch Kryo-Fallen mit einer Zeitauflösung im Bereich von wenigen Millisekunden ermöglicht (eingereicht). Unsere Hoffnung ist, dass diese Entwicklung die Forschung auf dem Gebiet der Proteinmechanismen deutlich beschleunigen wird und somit eine größere Anzahl von AG in die Lage versetzt wird, ihre Forschung auch auf den Bereich der zeitaufgelösten Kristallographie auszudehnen.

Mehrdimensionale Kristallographie: Warum funktionieren Enzyme?

Die größere offene Frage ist jedoch, warum Enzyme funktionieren? Enzyme stabilisieren den Übergangszustand und senken dadurch die Aktivierungsenergie, aber wie wird diese Barriere eigentlich überwunden? Wie können Enzyme die im System vorhandene Energie auf ihre aktiven Zentren lenken? Diese anspruchsvolle Frage erfordert ein gleichzeitiges Verständnis von Struktur, Dynamik und Thermodynamik während der Katalyse. Die meisten Erkenntnisse über die Struktur und Funktion von Proteinen stammen aus Experimenten, die bei kryogenen Temperaturen, d. h. bei etwa -170 °C, durchgeführt wurden. Diese Temperaturen sind sehr weit von physiologischen Bedingungen und der optimalen Arbeitsumgebung für Enzyme entfernt, die an der Antibiotikaresistenz beteiligt sind. Daher könnten die Informationen, die wir über die Strukturen haben, die unser Leben bestimmen, durch diese künstlichen Temperaturen beeinträchtigt werden. Aus diesem Grund haben wir eine Lösung für serielle Kristallographie entwickelt, die es uns ermöglicht, die Temperatur zu verändern, während wir die Katalyse beobachten. Dieser mehrdimensionale Aufbau der Kristallographie ermöglicht zeitaufgelöste Experimente in einem Temperaturfenster zwischen 8°C und 80°C und stellt die technologische Grundlage für die experimentelle Bestimmung freier Energielandschaften dar, die uns tiefgehenden Aufschluss über die Funktionsweise von Enzymen ermöglichen.

Experimentelles Fachwissen

⁃ Protein-Biochemie
⁃ Proteinaufreinigung
⁃ Proteinkristallisation
⁃ Röntgenkristallographie
⁃ Zeitaufgelöste Kristallographie
⁃ Mehrdimensionale Kristallographie
⁃ Methodenentwicklung

Team

Wenn Sie an einer Masterarbeit in Biochemie oder Biophysik interessiert sind, wenden Sie sich bitte direkt an mich.

Dr. Eike C. Schulz