19.06.2020        AKTUELLES

Fragen an den Intensivmediziner

Aktuelles zur Corona-Pandemie

Prof. Dr. Stefan Kluge, Direktor der Klinik für Intensivmedizin des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE), beantwortet die wichtigsten Fragen rund um das Thema intensivmedizinische Therapie von COVID-19-Patientinnen und -Patienten.

Welche medikamentösen Therapieoptionen gibt es bei einer COVID-19-Infektion?

Spezifische zugelassene Medikamente gegen eine COVID-19-Infektion gibt es derzeit noch nicht. COVID-19-Patientinnen und -Patienten werden vor allem symptomatisch behandelt, das heißt sie bekommen Sauerstoff, der Flüssigkeitshaushalt wird ausgeglichen und es werden bei bakteriellen Begleitinfektionen Antibiotika eingesetzt. Bei schwerem Verlauf mit Intensivpflichtigkeit spielt die mechanische Beatmung eine wichtige Rolle. Darüber hinaus erhalten einige Patienten im UKE im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung das ursprünglich gegen Ebola entwickelte Medikament Remdesivir. Es scheint sich um einen aussichtsreichen Wirkstoffkandidaten zu handeln. Belastbare Ergebnisse dazu liegen aber noch nicht vor.

Wie beurteilen Sie die britische Studie zum Entzündungshemmer Dexamethason?

Noch ist es nicht genau möglich, die Ergebnisse der britischen Studie zum Entzündungshemmer Dexamethason zu beurteilen, da bislang lediglich eine Pressemitteilung mit wenigen Daten, nicht aber die Studie selbst publiziert worden ist. Eine Veröffentlichung ist aber wichtig, um die dahinterliegende Methodik und damit auch die Daten in ihrer Qualität besser einschätzen zu können. Sollten sich die Ergebnisse bewahrheiten, könnte dies ein interessanter Hinweis auf eine Therapie für schwer kranke COVID-19-Patientinnen und -Patienten sein. Gleichwohl wird derzeit noch in Deutschland von der routinemäßigen Gabe von Steroiden, zu denen Dexamethason gehört, abgeraten, denn dies könnte die Elimination des Virus verzögern.

Welchen Einfluss haben die Ergebnisse der kürzlich veröffentlichten UKE-Studien zum Thema Thrombose bei der Behandlung von COVID-19-Patientinnen und -Patienten?

Das blutverdünnende Medikament Heparin gehört schon jetzt zum Standard bei der Behandlung von hospitalisierten Patientinnen und Patienten, da das Thromboserisiko bei immobilen Patienten grundsätzlich steigt. Das betrifft auch schwer erkrankte COVID-19-Patienten. Zusätzlich haben die UKE-Studien aber gezeigt, dass eine COVID-19-Infektion selbst die Gefahr für ein Blutgerinnsel erhöht. Eine Therapie mit blutverdünnenden Medikamenten bei COVID-19-Patienten ist daher notwendig. Im UKE erhalten diese Patienten deshalb eine normale oder intensivierte Behandlung mit niedermolekularem Heparin bis zur doppelten Dosis. Allerdings hängt die Gabe und die Höhe der Dosis von bestimmten Risikofaktoren und Nebenbefunden wie Übergewicht und der Nierenfunktion ab.

Die Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin und die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin haben ihre Leitlinie für die Behandlung von COVID-19-Patientinnen und -Patienten gerade veröffentlicht, an der Sie mitgewirkt haben. Können Sie die wichtigsten Empfehlungen kurz umreißen?

In der neuen Leitlinie zur Behandlung von COVID-19-Patientinnen und -Patienten geht es vor allem um die Diagnostik, die Unterbringung der Patienten, Hygienemaßnahmen sowie geeignete Maßnahmen bei hochgradigem Sauerstoffmangel im Blut, beim Kreislaufstillstand und einhergehender Herz-Lungen-Wiederbelebung. Konkret werden eine invasive Beatmung und wiederholte Bauchlagerung zur Behandlung von COVID-19 Patienten mit schwerem Sauerstoffmangel im Blut empfohlen. Außerdem werden Empfehlungen zur medikamentösen Therapie an sich, aber auch zur Thromboseprophylaxe ausgesprochen. Zugleich wird dazu geraten, dass die Behandlungen immer durch ein multidisziplinäres Team erfolgen sollten, zu dem in jedem Fall Intensivmediziner, Pflegekräfte, Infektiologen und Krankenhaushygieniker gehören.

Was sind die neuesten Erkenntnisse zum Krankheitsbild?

Das Durchschnittsalter der Erkrankten in Deutschland liegt bei 50 Jahren, bei Intensivpatienten bei 63 Jahren. Dabei sind Frauen und Männer annähernd gleich häufig betroffen, allerdings erkranken Männer etwa zweimal häufiger schwer an COVID-19 und haben insgesamt ein höheres Sterberisiko.

Die meisten Erkrankten haben Fieber und Husten. Eine Besonderheit ist, dass einige Patientinnen und Patienten vorübergehend ihren Geruchssinn verlieren. Bei schweren Verläufen können COVID-19-Patienten ein akutes Lungenversagen oder selten eine bakterielle Begleitinfektion mit einem septischen Schock entwickeln. Weitere Komplikationen sind Rhythmusstörungen, Lungenembolien sowie ein akutes Nierenversagen oder Multiorganversagen.

Eine stationäre Aufnahme ist meist bei Vorerkrankungen wie Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, Diabetes mellitus, chronische Lungenerkrankungen und Adipositas notwendig. Auf die Intensivstation werden COVID-19-Patientinnen und -Patienten meist wegen Atemnot und Sauerstoffmangels im Blut verlegt. Meist erfolgt die Verlegung auf die Intensivstation zehn Tage nach Auftreten der ersten Symptome. Im Durchschnitt liegen schwer erkrankte COVID-19-Patienten etwa neun Tage auf der Intensivstation, bei einer Beatmung rund 18 Tage.

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