Trotz Abstand enger zusammengerückt

Im Campus Forschung des UKE ist es ruhig geworden. Wo sonst hektische Betriebsamkeit herrscht, wo Labor- und Büroplätze heiß begehrt sind und im fliegenden Wechsel genutzt werden, hält man sich nun auf Abstand. Geforscht wird weiter – mit Einschränkungen und kreativen Lösungen, wie zwei Forschungsverantwortliche berichten.

„In der Pandemie hat sich die aktuelle Forschung verlangsamt“, sagt Forschungsdekanin Prof. Dr. Petra Arck. Als Beispiel nennt sie die „PRINCE-Studie“ an der Klinik für Geburtshilfe und Pränatalmedizin, die den Einfluss verschiedener Faktoren auf Entwicklung und Immunsystem des Kindes von der Schwangerschaft bis zum sechsten Lebensjahr untersucht. „Manche Mütter scheuen den Besuch im UKE aus Angst vor einer Ansteckung“, berichtet sie, „und umgekehrt sind auch wir zu größter Vorsicht verpflichtet.“ Im Lockdown würden daher die Studientermine ausgesetzt und Arbeitsschwerpunkte verlagert. „Die Fördermittelgeber zeigen großes Verständnis, dass sich die Projekte aufgrund der Pandemie hinauszögern.“

Wissenschaftlerin entnimmt tiefgefrorenes Probenmaterial aus Kühlgerät
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Sandra Schwentesius bei der Probenentnahme am Stickstofftank
Forscherin im abgedunkelten Büro mit Maske am PC
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Wissenschaftlerin Gresa Hasani wertet Mikroskopaufnahmen aus

Einschränkungen auch im Institut für Tumorbiologie

Insgesamt 218 Labor- und 112 Büroräume beherbergt der Campus Forschung, 20 Institute und Kliniken forschen auf vier Etagen. Jährlich sind an die 2000 Forschende in wechselnder Belegung und Verweildauer vor Ort: feste Mitarbeiter, Projektteilnehmer, Doktoranden, Masteranden. „Im Laufe der Pandemie haben wir unter erheblichen Einschränkungen gearbeitet, um die Sicherheit zu gewährleisten“, betont Prof. Dr. Klaus Pantel, Leiter des Instituts für Tumorbiologie. Das wirkte sich unter anderem auf die „Liquid Biopsy“ aus, bei der das Blut von Krebspatienten auf kleinste Tumorprodukte untersucht wird: „Wir mussten die Anzahl der Proben reduzieren und auch die Zahl der Rat suchenden Patientinnen und Patienten hat abgenommen.“

In den Laboren arbeitet sein 50 Frauen und Männer starkes Forschungsteam zeitlich versetzt, die Daten werden nach Möglichkeit zu Hause ausgewertet. Mit seinen Arbeitsgruppenleitungen tauscht sich der Institutsleiter wöchentlich in Videokonferenzen aus. „Das Zusammenspiel funktioniert bestens, da wir alle erfahren sind und uns lange und gut kennen.“ Und doch sei es „ein bisschen deprimierend, durch die leeren Räume zu laufen“, findet der Tumorbiologie, der als passionierter Tischtennisspieler auch den gemeinsamen Sport sehr vermisst. Aus dem Home-Office hat Pantel im Oktober ein internationales Symposium organisiert – mit mehr als 1000 Online-Teilnehmern. Die Arbeit am heimischen Schreibtisch nutzt Pantel auch, um Anträge für neue Projekte zur Krebsforschung zu stellen. „Bei der Fokussierung auf COVID-19 darf man ja nicht vergessen, dass jährlich rund 230.000 Menschen in Deutschland an Krebs sterben.“

Drei Forscherinnen im Labor halten sichtbar Abstand
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Auf Abstand mit Nadine Felber (l.) und Agnes Wieczorek
Prof. Arck löffelt Suppe am Schreibtisch, im Hintergrund ein Fahrrad
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Gemeinsame Essenspausen sind passé, Suppe gibt´s am Schreibtisch

Mit Naschereien den Arbeitsalltag versüßen

Um sichere Distanz bei der Arbeit zu gewährleisten, hat Prof. Petra Arck für ihre Forschungsgruppe einen raffinierten Besetzungsplan mit Doodle entwickelt: Die Laborgänge wurden durchnummeriert, jedes der 14 Teammitglieder gab an, welche Tätigkeit wann geplant ist und welcher Laborplatz dafür benötigt wird. Online im Chat stimmte man sich weiter ab. Manche beginnen nun schon früh um sechs Uhr, andere arbeiten in den späten Abend hinein, „und mir ist richtig das Herz aufgegangen, weil die Abstimmung so gut funktioniert hat“, sagt Prof. Arck.

Die Forschungsdekanin vermisst die Gespräche, die Dynamik, das gemeinsame Mittagessen. Im Aufenthaltsraum sind die Tische zur Hälfte abgeklebt, man isst auf Abstand. Prof. Arck hat sich eine Mikrowelle fürs Büro angeschafft und löffelt die Suppe nun allein. Mit ihren Kollegen trifft sie sich online. „Man muss sich daran gewöhnen, aber es funktioniert gut.“ Der Konsum an Naschereien ist in der Gruppe enorm gestiegen, jeder bringt Kuchen, Bonbons, Schokolade mit. „Wir versuchen, uns gegenseitig das Leben zu versüßen.“

Gleich zu Beginn der Pandemie hatte Prof. Arck gemeinsam mit Kolleginnen der Klinik für Geburtshilfe und Pränatalmedizin die Zusatzstudie „COVID-19 in der Schwangerschaft“ ( hier geht´s zum Beitrag in der UKE Life) gestartet und den Aufbau einer Biobank veranlasst, in der mittlerweile über 30 Fälle erfasst sind. „Aus unserer Arbeit kristallisiert sich heraus, dass die Schwangerschaft, anders als bei der Influenza-Grippe, kein erhöhtes Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf bei der Mutter oder für Fehlgeburten darstellt.“ Welche Schutzmechanismen stecken dahinter? „Wir könnten von den Schwangeren lernen, um bei möglichen zukünftigen Pandemien gefährdete Personengruppen frühzeitig zu identifizieren.“ Die Arbeitsgruppe hat sich zu diesem Thema mit Forschergruppen national und international vernetzt, im UKE wurde der Austausch mit anderen Fachbereichen intensiviert, neue Kooperationen entstanden. „Das geht viel schneller, reibungsloser und uneitler als früher“, sagt Prof. Arck. „Trotz Abstand sind wir alle enger zusammengerückt.“ Ihr Wunsch: „So sollte es auch nach Corona bleiben.“

Text: Ingrid Kupczik, Fotos: Axel Kirchhof (Stand: 28. Januar 2021)