17 Kilometer mit Maske

„Allgemeines Besuchsverbot“: Ab Mitte März galt aufgrund der Corona-Pandemie für mehrere Wochen eine strikte Einschränkung von Besuchen. Dafür, dass die Patientinnen und Patienten trotzdem Geschenke, frische Kleidung und Aufmerksamkeiten von ihren Angehörigen bekommen konnten, sorgte auch Christopher Silva, der zurzeit ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) im UKE absolviert.

Christopher Silva in blauer ARbeitskleidung, steht vor dem Haupteingang des UKE, unter dem Arm trägt er ein großes Paket
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Für Patienten und Angehörige
Ungezählte Botengänge absolvierte Christopher auf dem UKE-Gelände

Zwei Rucksäcke. Eine Tafel Schokolade. Ein Brief ohne Umschlag, ein Koffer – nur einer von bis zu 20 Botengängen, die Christopher und die anderen Lotsen pro Einsatztag in den vergangenen Monaten über das UKE-Gelände unternahm. Zeitweise stapelten sich die abgegebenen Sendungen für die Patientinnen und Patienten am Haupteingang des UKE. „Für viele Angehörigen war die Situation sehr schwierig – einige konnten gar nicht glauben, dass sie das Gelände nicht betreten durften“, erzählt er. Doch um das Corona-Virus fernzuhalten, war diese umfassende Einschränkung notwendig. „An einigen Tagen waren es solche Massen an Sendungen, dass ich dachte, ich komme gar nicht hinterher“, erzählt der 21-Jährige. „Ich habe mir dann immer vorgestellt, es handle sich bei den Patienten um jemanden aus meiner Familie – auch und gerade, wenn schwere Koffer ohne Rollen oder sogar große Wäschesäcke abgegeben worden waren.“

Gutes Gefühl, etwas Sinnvolles getan zu haben

Und so schleppte er die Taschen, Rucksäcke, Säcke und Koffer, schob auf einem Wagen Blumen und Pakete auf die Stationen. Den Mund-Nasen-Schutz hatte er dabei immer über dem Gesicht: „Das war ganz schön anstrengend“, verdeutlicht er, „ich habe die Entfernung mit einem Schrittzähler gemessen: Einmal bin ich 17 Kilometer an einem Tag gelaufen – mit Maske!“ Wenn er mitbekam, wie sehr sich die Patienten über das, was er ihnen brachte, freuten, verschaffte dies auch ihm ein positives Gefühl – „dass ich etwas Sinnvolles getan habe“, sagt er. Teilweise transportierte er Tüten und Taschen mit gebrauchter Wäsche gleich zurück an die Pforte, wo sie von Angehörigen wieder entgegengenommen wurden. „Ein paar Mal wollte jemand auch, dass ich einem Patienten etwas ausrichte – zum Beispiel Besserungswünsche, oder dass die Person sich später noch einmal telefonisch melden wird.“ Etwas, das jemand für sie abgegeben hat, in den Händen zu halten, eine Nachricht persönlich ausgerichtet zu bekommen, bedeutete für viele Patientinnen und Patienten, die mit ihren Angehörigen ansonsten nur telefonieren oder chatten konnten, eine besondere Form von Nähe.

„Es ist eine sehr verantwortungsvolle Tätigkeit, an die Stelle von jemand anderem zu treten, der – warum auch immer – nicht da sein kann“, erläutert Karin Plock aus der Direktion für Patienten- und Pflegemanagement des UKE. Um Patientinnen und Patienten, für die dringend etwas erledigt werden muss, etwa eine Besorgung oder eine über pflegerische Tätigkeiten hinausgehende Unterstützung, kümmern sich im UKE normalerweise die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom Ehrenamt-Tresen. Doch während des Besuchsverbots durften auch Ehrenamtliche das Gelände nicht betreten. „Wir mussten schnell eine Lösung finden – und haben uns sehr gefreut, dass die Freiwilligen, die während der Coronakrise nicht in ihren Bereichen eingesetzt werden konnten, den Lotsendienst während der Besuchssperre übernommen haben“, so Plock weiter.

Eine intensive Zeit

Für Christopher waren die vergangenen Wochen eine intensive Zeit. „Wenn ich mitbekommen habe, dass jemand, der nicht aufs Gelände durfte, außer sich vor Sorge war, weil er nichts über den Zustand seines Angehörigen in Erfahrung bringen konnte, habe ich mich kurzerhand um die Person gekümmert.“ Besonders in Erinnerung sind ihm Situationen, in denen die Verständigung aufgrund von Sprachbarrieren schwierig war. „Einmal war ich dabei, als eine Frau ans Tor kam, deren Mann gerade aufgrund von Kreislaufproblemen mit einem Rettungswagen ins UKE gefahren worden war – sie sprach nur Portugiesisch und war ganz aufgelöst“, berichtet er. Da er selbst ein bisschen Portugiesisch spricht, konnte er ihr mit einigen Handytelefonaten helfen. „Ihrem Mann ging es gut – nachdem sie das wusste, konnte sie beruhigt wieder nach Hause fahren.“

Seit der Lockerung der strengen Corona-Beschränkungen in Hamburg können auch die Patienten im UKE wieder eingeschränkt Besuch empfangen. Seitdem ist das Paketaufkommen, das der freiwillige Lotse an seinen Einsatztagen transportiert, spürbar gesunken. Christopher, der später gern Medizin studieren möchte, freut sich auf die kommende Zeit: „Ich werde jetzt in der Notaufnahme eingesetzt und bin damit noch näher dran an medizinischen Themen.“

Text: Katja Strube, Fotos: Axel Kirchhof (Stand: 9. Juli 2020)