COVID-19-Erkrankung überstanden

Marlis und Peter Seifert infizieren sich mit dem neuartigen Corona-Virus. Während die Infektion bei seiner Ehefrau mild verläuft, muss Peter Seifert auf der Intensivstation des UKE ins künstliche Koma versetzt werden - sein Gesundheitszustand hat sich rapide und dramatisch verschlechtert. Nach langer Behandlung und Rehabilitation ist Peter Seifert heute wieder gesund.

Dem Virus getrotzt: Intensivpatient wieder gesund

Peter Seifert sitzt in seinem Wohnzimmer einem roten Sessel und blickt in die Kamera
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Mit Zuversicht
Peter Seifert geht es nach schwerer Corona-Infektion wieder gut
Peter Seifert und Frau sitzen im Grünen, er lächelt sie an, Frau Seifert lächelt in die Kamera. Ein Sommertag
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Glücklich vereint
Marlis und Peter Seifert sind wieder optimistisch

Fünf Wochen lang kämpft der Hamburger Peter Seifert im UKE mit dem Corona-Virus, davon 25 Tage auf der Intensivstation und einige Zeit im künstlichen Koma. Sein Leben hängt am seidenen Faden. Doch der 74-Jährige übersteht die gefährliche Infektionskrankheit und kommt überraschend schnell wieder auf die Beine.

Peter Seifert hustet, er hat sich wohl bei seiner Frau angesteckt. Sie ist seit zwei Tagen stark erkältet und hustet in einer Nacht so heftig, dass eine Nachbarin aus dem Mehrfamilienhaus in Hamburg-Eidelstedt morgens besorgt nachfragt. Marlis Seifert hat Asthma. „Ich weiß ja, wie heftig meine Bronchitis sein kann.“ Die Corona-Welle hat Deutschland bereits im Griff; die Zahl der COVID-19-Neuerkrankungen steigt täglich sprunghaft an. Corona kann es bei den Seiferts aber doch nicht sein, woher auch? Man ist nicht in den belasteten Süden gereist, und aus dem gesamten Familien- und Bekanntenkreis ist ja auch niemand an COVID-19 erkrankt. Außerdem können beide schmecken und riechen. So gehen ihre Überlegungen.

Fieber will tagelang nicht sinken

Das Ehepaar tippt auf einen grippalen Infekt, passend zum wechselhaften Wetter dieser zweiten Märzwoche. „Zu der Zeit hieß es, man solle nicht wegen jeder Erkältung gleich zum Arzt“, erinnert sich Marlis Seifert. Aber ihr Mann hustet nicht nur massiv, sondern entwickelt zudem ein Fieber, das tagelang nicht sinken will. Der Hausarzt testet beide auf Corona, vorsorglich und damit sie einen Röntgentermin beim Lungenfacharzt bekommen. Dafür muss ein negatives Testergebnis vorliegen. Das Ergebnis kommt am selben Abend per Telefon: Beide positiv. „Für uns ist eine Welt zusammengebrochen“, sagt der 74-Jährige. „Meine Frau mit Asthma und ich mit meinem Diabetes – was kam da auf uns zu?“

Tags darauf geht es in die Notaufnahme des UKE. Dort trennen sich die Wege von Marlis und Peter Seifert – und lange Zeit wird nicht sicher sein, ob sie je wieder zusammenführen. Ehefrau Marlis wird in die häusliche Quarantäne entlassen, Peter Seifert kommt auf die Bernhard-Nocht-Station der Infektiologie. Dort verschlechtert sich sein Zustand rapide, nach zwei Tagen wird er auf die Intensivstation für COVID-19-Patienten verlegt. Vorher telefoniert das Ehepaar noch einmal. „Er bekam kaum Luft, konnte nur mit Mühe sprechen“, berichtet Marlis Seifert. „Und er hat gesagt: Ich glaube, ich schaffe es nicht.“ Dieser Moment hat sich tief in ihre Seele gegraben.

Das Letzte, an das sich Peter Seifert erinnert, sind die Worte des Arztes: „Wir legen Sie jetzt ein bisschen schlafen.“ Er wird ins künstliche Koma versetzt, beatmet und über eine Magensonde ernährt. Sohn Martin übernimmt den Informationsaustausch mit dem UKE, er telefoniert täglich mit dem dienst­habenden Arzt. Die Nerven liegen blank. „Zu wissen, da liegt dein Vater, der vielleicht den nächsten Tag nicht überlebt, ist furchtbar“, sagt der 51-Jährige.

Es steht nicht gut um Peter Seifert

Per Video-Call tauscht sich die Familie abends über den Stand der Dinge aus: Martin hat der Behandlung des Vaters mit einem neuartigen Medikament zugestimmt, das in den klinischen Studien vielversprechende Wirkung zeigte, aber noch nicht auf dem Markt ist. Die stundenweise Bauchlagerung des Vaters verbessert seine Lungenfunktion, bei Rücklagerung wird sie aber wieder schlechter. Es steht nicht gut um Peter Seifert. „Wir tun alles, damit unsere Patienten am Leben bleiben“, versichert die Ärztin dem Sohn. Bei Familie Seifert liegen die Telefone stets griffbereit.

Und endlich ein Lichtblick: Am 29. März, Peter Seiferts zehntem Tag im UKE, berichtet Ärztin Liina
Thasler, dass sich die Atmung beim Lagewechsel auf den Rücken zum ersten Mal nicht verschlechtert habe. „Er wird über die Nacht kommen“, sagt sie den Angehörigen. „Sie können ruhig schlafen.“ Dann
geht alles recht schnell: Die Ärzte entscheiden, Seifert aus dem Tiefschlaf zu holen und die Beatmung
zurückzufahren. In der ersten Nacht atmet er eine halbe Stunde aus eigener Kraft mit, am nächsten Tag schafft er zehn Stunden. Drei Tage früher als geplant kann der Tubus entfernt, die Sedierung eingestellt werden.

Peter Seifert in der Intensivstation. Verstört blickt er in die Kamera. Er trägt eine Atemschutzmaske, die Finger und Handgelenke sind bandagiert.
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Erstes Lebenszeichen
Handyfoto von Peter Seifert auf der Intensivstation

Peter Seifert kommt nach und nach wieder zu vollem Bewusstsein. Ein Foto vom 10. April zeigt ihn im Rollstuhl sitzend, mit Maske, Infusionssystem und rot leuchtendem Sensor am Finger. Das Bild hat Gesundheits- und Krankenpflegerin Julia Bysäth aufgenommen und an die Familie geschickt, dazu die Zeile: „Mir geht es soweit gut.“ Die engagierte Krankenschwester hilft auch, einen Video-Chat per
Handy zu organisieren. „Die Station hat uns groß­artig unterstützt“, sagt Martin Seifert. Sein Vater kann bei den Online-Familientreffen noch nicht mitreden, seine Stimmbänder sind durch die Langzeitintubation vorübergehend noch beeinträchtigt. „Dafür haben wir umso mehr geredet“, sagt seine Frau, „wir waren einfach nur glücklich.“

Das erste Sitzen an der Bettkante, der erste Aufstehversuch, die ersten Schritte mit Unterstützung: Der Körper muss sich neu justieren, Kraft sammeln, jeder Schritt ist ein Erfolgserlebnis. Seifert erholt sich zusehends, sein Gesicht hat wieder Farbe, er wird von der Intensivstation zurück auf die Isolierstation verlegt. Acht Tage verbringt er dort, übt im Krankenzimmer am Rollator seine Schritte. Mehr Abwechslung hat er nicht, er fühlt sich allein. „Meine Seele ist Achterbahn gefahren.“ Am 22. April wird er aus dem UKE entlassen; 35 Tage hat er in der Klinik verbracht, davon 25 auf der Intensivstation.

Nun geht es zur Nachsorge und Reha ins Albertinen-Haus, eine medizinisch-geriatrische Klinik in Hamburg-Schnelsen, die eng mit dem UKE kooperiert. Peter Seifert nutzt das vielfältige Angebot: Logo­pädie, Ergo- und Physiotherapie, Massage, 18 Termine pro Woche. Er gewinnt Energie und Zuversicht. Die Muskelschwäche in der rechten Schulter geht deutlich zurück, die Stimme kommt wieder, beim Stufen­steigen trainiert er für den Aufstieg zu seiner Wohnung im zweiten Stock. Bald schon marschiert er eigenständig, ohne Rollator. Seine Krankengymnastin filmt ihn beim lockeren Gang durch den Garten und schickt der Familie das Video-Dokument. „Wir waren begeistert“, sagt sein Sohn. „Die Therapien waren klasse, man muss aber auch selbst den Willen mitbringen, noch mehr zu schaffen“, erklärt der Vater seine überraschend schnelle Mobilisierung.

Familie Seifert steht im Kreis des Teams der Intensivstation
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Einige Wochen später
Freudiges Wiedersehen auf der Intensivstation im UKE
Peter Seifert bedankt sich bei dem Team aus der Intensivstation, sie stehen eng beieinander und tragen Atemschutzmasken. Dr. Sensen mit einem bunten Blumenstrauß in der Hand
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Angeregter Austausch
Im Gespräch mit Dr. Barbara Sensen und Dr. Tim Tristan Hardel
Peter Seifert mit Frau und Sohn schreiben selbstbewusst auf die Kamera zu, im Hintergrund der Haupteingang des UKE. Ein Sommertag
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Erleichtert
Guter Dinge nach schwerer Zeit: Ehepaar Seifert und Sohn Martin

„Uns geht es gut, dafür sind wir dankbar“

Seit dem 14. Mai ist Peter Seifert wieder zu Hause. Die zwischenzeitlich viel zu hohen Leberwerte waren ein Stimmungsdämpfer, konnten durch Umstellung seiner Diabetes-Medikamente aber bereits zum großen Teil normalisiert werden. „Uns geht es gut, dafür sind wir sehr dankbar“, sagt er. Bis heute ist nicht klar, wo seine Frau, die nur milde Krankheitssymptome hatte, und er sich infiziert haben könnten. So viel steht für ihn fest: „Das UKE hat mir das Leben gerettet, und im Albertinen-Haus hat man mich wieder auf die Beine gebracht.“

Einige Wochen später kommt er noch einmal auf die Intensivstation zurück – um Danke zu sagen. Es sind bewegende Momente im Kreis der Pflegekräfte, Ärztinnen und Ärzte, die Peter Seiferts Entwicklung über Wochen begleitet haben. „Ich bin unendlich dankbar für all das, was hier für mich getan wurde.“

Text: Ingrid Kupczik, Fotos: Ronald Frommann, Axel Kirchhof