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Keine Zeit

Gesellschaftliche Beschleunigung und ihre Auswirkungen auf die medizinische Versorgung

Martin Scherer, Josef Berghold, Helmwart Hierdeis

Hintergründe und Ziele

In nahezu allen Lebensbereichen existiert der zumindest gefühlte Druck, in der gleichen Zeit immer mehr leisten zu müssen. Trotz neuer Technologien, die schnelleres Arbeiten ermöglichen, wird Zeit als immer knappere Ressource empfunden.

Wir untersuchen in diesem Projekt die möglichen Ursachen des Phänomens Zeitnot, dessen Geschichte, Verbreitung und dessen Rolle in der Medizin und in der medizinischen Forschung.

Geplante Kapitelstruktur

Teil I: Grundlegende Annäherungen an das Welträtsel „Zeit“ Um Phänomene wie Beschleunigungsdruck und Zeitnot einigermaßen schlüssig auf den Begriff zu bringen, soll in einem einführenden Teil die für unser Denken von alters her schwer zu fassende Realität von „Zeit“ aus kultureller, philosophischer und physikalischer Sicht ins Visier genommen werden.

Teil II: Sozialwissenschaftliche Streiflichter zur gesellschaftlichen Beschleunigung Anknüpfend an einen Überblick über wesentliche Aspekte und Tendenzen moderner Beschleunigung wird u.a. ein bahnbrechendes Erklärungsmodell erörtert, das auf einem sich selbst immer mächtiger antreibenden Kreislauf zwischen drei Beschleunigungs-Dimensionen aufbaut (der Technik, des sozialen Wandels und des Lebenstempos).

Teil III: Beschleunigungsdruck auf medizinische Forschung und Entwicklung Durch einen zunehmenden Druck, schnelle Ergebnisse vorzuweisen, wird deren Qualität und Zuverlässigkeit auf breiter Front beein­trächtigt – u.a. durch den Zwang, möglichst zahlreiche Forschungsarbeiten zu publizieren, oder durch ein marktgängiges Bias, das „positive“ Ergebnisse durch abkürzende methodische Tricks begünstigt.

Teil IV: Beschleunigungsdruck auf medizinische Versorgung In der medizinischen Versorgung treffen zahlreiche gesellschaftliche Beschleunigungstrends zusammen und verschärfen sich wechselseitig. Vorrangig sind dabei – wie auch in Stellungnahmen von Spitzenfunktionären*innen des Gesundheitswesens zur Sprache kommt – u.a. ein zunehmender Einfluss kurzfristi­ger Rentabilitätsziele, unrealistische Ansprüche auf schnelle Linderung oder Heilung, Trends zur Verkürzung ärztlicher Konsultationszeiten oder eine zunehmende Verbreitung von chronischen Erkrankungen, Multimorbidität und Polypharmazie.

Teil V: Mögliche Alternativen oder Auswege aus den Beschleunigungszwängen Während die Möglichkeiten, die Beschleunigungstrends auf breiter gesellschaftlicher Front auf ein humanver-trägliches Maß zurückzuführen, aktuell sehr beschränkt scheinen, gibt es doch auch eine breite Palette von verfolgenswerten Zugängen zu einer im Alltag erreichbaren „Kultur der Pause“ und des „Zeitwohlstands“.

Laufzeit: ab 10.2015

Ansprechpartner: Josef Berghold