PiNo Nord
PiNo Nord

Patienten in der Notaufnahme von norddeutschen Kliniken (PiNo Nord):
Klientel, Behandlungspfade und Gründe für die Inanspruchnahme

Ingmar Schäfer, Agata Kazek, Hanna Hardt, Heike Hansen, Dagmar Lühmann, Martin Scherer

Hintergründe und Fragestellung

Die Inanspruchnahme der Notaufnahmen der deutschen Kliniken scheint sich konstant zu erhöhen, insbesondere bei den fußläufigen Patienten. Gründe dafür könnten einerseits in einer älter und kränker werdenden Bevölkerung liegen, oder in den Präferenzen und Erwartungen der Patienten. Andererseits könnten auch strukturelle Probleme der ambulanten Versorgung oder Krankenhausmerkmale für diese Entwicklung verantwortlich sein. Das Projekt PiNo Nord soll untersuchen, welche Patientenpopulation vom ambulanten System in die Notaufnahmen drängt, welche Behandlungspfade die Patienten hinter sich haben und was die subjektiven und krankheitsbezogenen Gründe für die Inanspruchnahme der Notaufnahmen sind.

Design und Methodik

PiNo Nord ist eine querschnittliche Beobachtungsstudie in fünf Kliniken in Hamburg und Schleswig-Holstein. In jeder Klinik wurden über zwei volle Wochen Daten erhoben. Dabei wurde in jeder Klinik jeder Wochentag jeweils zwei Mal in Früh-, Spät- und Nachtschicht abgebildet. Erhebungstage wurden per Zufall über 9 Monate verteilt. Es wurden alle volljährigen Patienten und Minderjährige mit Erziehungsberechtigten in die Studie eingeschlossen. Patienten wurden ausgeschlossen, wenn die Behandlung des Patienten durch das Klinikpersonal als dringend eingestuft wurde oder beim Patienten schwerwiegende funktionale Einschränkungen oder eine hohe Beschwerdelast vorlagen. Weitere Ausschlusskriterien waren fehlende Einwilligungsfähigkeit sowie die Isolierung des Patienten in der Klinik aufgrund eines Gesundheitsproblems. Außerdem musste mindestens eine rudimentäre Verständigung auf Deutsch oder Englisch möglich sein. Patienten, die ohne Wartezeit behandelt oder direkt verlegt wurden, konnten ebenfalls nicht an der Studie teilnehmen. Als Datenquelle dienten eine mündliche und schriftliche Patientenbefragung (Soziodemographie, Gesundheitszustand, Konsultationsanlass, psychosoziale Faktoren, Gesundheitskompetenz, Vorbehandlungen und Gründe für die Wahl der Notaufnahme), sowie medizinische Daten der Kliniken (Diagnosen, Entlassungsbriefe).

Ergebnisse

Die Befragung von 1299 Patienten ist abgeschlossen. Gründe für den Notaufnahmebesuch waren vielfältig und könnten neben der Dringlichkeit des Gesundheitsproblems auch in wahrgenommenen strukturellen Gegebenheiten und individuellen Patientenpräferenzen liegen. Individuelle Beweggründe wie Bequemlichkeitserwägungen, negative Erwartungen der Verfügbarkeit ambulanter Ärzte oder die Erwartung einer besseren Versorgung in der Notaufnahme als im ambulanten System spielten für viele Patienten eine wichtige Rolle.

Erste Ergebnisse der Studie wurden auf einem Symposium präsentiert, das am 5. September 2017 stattfand. Zur Einladung zum Symposium "Überfüllte Notaufnahmen?"

Veröffentlichungen

"Muche-Borowski C, Boczor S, Schäfer I, Kazek A, Hansen H, Oltrogge J, Giese S, Lühmann D, Scherer M. Chronisch Kranke in deutschen Notaufnahmen: Querschnittsanalysen zu Konsultationsanlässen, Gründen für die Inanspruchnahme und Entlassungsdiagnosen. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz. 2019; 62: 1103-12."

Schäfer I, Lühmann D, Scherer M. In Reply. Dtsch Arztebl Int 2018; 115: 66-7.

Lühmann D, Schäfer I, Scherer M. Wahrgenommene Dringlichkeit. Hamb Ärztebl. 2017;71(10):24-25.

Scherer M, Lühmann D, Kazek A, Hansen H, Schäfer I. Patients attending emergency departments—a cross-sectional study of subjectively perceived treatment urgency and motivation for attending. Dtsch Arztebl Int 2017; 114: 645-52

Förderer: KV Hamburg und KV Schleswig-Holstein

Laufzeit: Oktober 2015 bis September 2016; seitdem Auswertungen aus Eigenmitteln

Ansprechpartner: Ingmar Schäfer