19.06.2020        AKTUELLES

Fragen an… Prof. Dr. Stefan Kluge und Frank Sieberns zum Tag der Intensivmedizin

Die Zahl von COVID-19-Patientinnen und -Patienten in intensivmedizinischer Behandlung ist im Verlauf der vergangenen Wochen in Deutschland deutlich zurückgegangen. Laut DIVI-Intensivregister wurden bis zu 3000 an COVID-19 erkrankte Menschen gleichzeitig auf deutschen Intensivstationen betreut. Anlässlich des „Tages der Intensivmedizin“ am 20. Juni blicken wir auf die vergangenen Monate zurück und sprechen mit Prof. Dr. Stefan Kluge, Leiter der Klinik für Intensivmedizin des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE), und Frank Sieberns, Pflegerische Leitung der Klinik für Intensivmedizin, vor welchen Herausforderungen sie standen.

Etwa die Hälfte der COVID-19-Intensivpatientinnen und -patienten mussten beatmet werden. Warum?

Prof. Dr. Stefan Kluge: SARS-CoV-2 verursacht in erster Linie Erkrankungen der Atemwege. Nach bisherigen Erkenntnissen zeigt sich bei rund 80 Prozent der Infizierten ein milder Verlauf mit Husten und Fieber. Aber das Virus kann bei schwereren Verläufen eine Lungenentzündung, einhergehend mit Luftnot und dem Absinken der Sauerstoffsättigung, hervorrufen. Bei einigen Menschen wird das Lungengewebe durch die Virusinfektion so stark geschädigt, dass sie noch Wochen nach der Genesung nur eine eingeschränkte Lungenfunktion haben.

Im Bereich der Intensivmedizin mussten wir erleben, dass innerhalb kurzer Zeit Patienten mit ein- und derselben Erkrankung beatmungspflichtig wurden und bei ihnen sehr schnell ein schweres Lungenversagen bestand. Viele Patienten mussten invasiv beatmet werden, einige auch mit der sogenannten ECMO – also ein Lungenersatzverfahren, mit der der Körper mit Sauerstoff versorgt wird – eine lebensrettende Maßnahme für Patienten mit schwerem Lungenversagen. Hinzu kam, dass rund ein Drittel der Patientinnen und Patienten ein akutes Nierenversagen entwickelte.

Welche Herausforderung hat die Behandlung von COVID-19-Patienten auf der Intensivstation mit sich gebracht?

Prof. Dr. Stefan Kluge: Wir kannten den Erreger bislang ja nicht, daher gab es auch keine standardisierte Behandlung und keine spezifischen Medikamente. Das erforderte eine individualisierte und stetig angepasste Therapie sowie einen starken interdisziplinären Austausch, beispielsweise mit den Infektiologinnen und Infektiologen. Aus dieser Notwendigkeit heraus haben wir von der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin e.V. (kurz DIVI) innerhalb kürzester Zeit Empfehlungen zur Behandlung dieser Patientinnen und Patienten verfasst. Ziel ist es, vor allem Ärztinnen und Ärzten auf Intensivstationen, die Patienten mit COVID-19 betreuen, eine Hilfestellung zu geben. Und wir haben vonseiten der Gesellschaft ein Intensivregister erstellt, das immer eine aktuelle Übersicht bietet, welche Kliniken derzeit noch über freie Beatmungsbetten für diese COVID-19-Patientinnen und -Patienten verfügen.

Ebenso standen wir vor erheblichen Anforderungen, die über die schon sonst strengen hygienischen Standards einer Intensivstation hinausgehen, sowohl was den Schutz des Personals als auch der Patienten angeht. Das bedeutet, dass wir Abläufe komplett umgestellt und auf die neuen Anforderungen angepasst haben, zudem wurden neue Intensivbetten mit Beatmungsmöglichkeiten geschaffen.

Hat sich die Arbeit der Pflegekräfte auf den Intensivstationen durch die Corona-Pandemie verändert?

Frank Sieberns: Die Corona-Pandemie stellte eine große organisatorische und administratorische Herausforderung dar. Es wurden mehrere Intensivstationen speziell für die COVID-19-Patienten eingerichtet. Alle anderen intensivpflichtigen Patientinnen und Patienten wurden und werden getrennt von ihnen auf den übrigen Intensivstationen behandelt.

Mit den steigenden Anforderungen musste auch die Zahl der Pflegekräfte erhöht werden. Viele Pflegekräfte und Ärzte hatten sich bereit erklärt, uns auf der Intensivstation zu unterstützen. Insgesamt haben wir mehr als 350 Kolleginnen und Kollegen für einen eventuellen Einsatz auf den COVID-19-Intensivstationen geschult und ihr Wissen, beispielsweise in der Handhabung der Beatmungsgeräte, aufgefrischt. Unterstützung erhielten wir aus den Bereichen Anästhesie, OP und von den Normalstationen sowie von Mitarbeitenden externer Kliniken. Um das entsprechend zu steuern, haben wir eine spezielle Kompetenzmatrix entwickelt, welche Aufschluss über die Qualifikationen, den Einarbeitungsstand sowie die Einsatzbereiche der neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gibt.

Ebenso wurden die Prozessabläufe und Dienstpläne geändert, damit gesonderte Teams die COVID-19-Patientinnen und -Patienten versorgen. Es erfolgt bei ihnen je nach Betreuungsnotwendigkeit eine 1:1- bis 1:2-Betreuung. Sie stellt für die Pflegekräfte eine besondere Herausforderung dar. Die Arbeit in kompletter Schutzkleidung ist körperlich anstrengend und die psychosoziale Belastung aufgrund des neuartigen Virus erhöht. Da eine Begleitung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im laufenden Arbeitsprozess sehr wichtig ist, wurden beispielsweise die psychosozialen Versorgungsoptionen des UKE um speziell eingerichtete Telefonhotlines oder durch individuelle Begleitung von Teams durch feste Ansprechpartner erweitert.

Die Arbeit mit den COVID-19-Patientinnen und -Patienten ist nicht ohne Risiko. Hatten Sie Bedenken, sich trotz Schutzausrüstung mit SARS-CoV-2 zu infizieren?

Frank Sieberns: Am Anfang herrschte verständlicherweise bei vielen der Kolleginnen und Kollegen ein unsicheres Gefühl, da wir alle noch wenig über das neuartige Virus wussten. Da wir es allerdings gewohnt sind, mit infektiösen Patienten zu arbeiten, haben wir uns sehr schnell auf die neue Situation eingestellt.

In interprofessioneller Zusammenarbeit wurden zum Beispiel spezielle Hygieneschulungen entwickelt und für alle interessierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des UKE angeboten. Insgesamt wurde dieses Angebot rund 800-mal in Anspruch genommen.

Im Corona-Spezial unseres Online-Magazins UKE Life erzählt der 74-jährige Peter Seifert von seiner Erkrankung. Fünf Wochen lang kämpft der Hamburger im UKE mit dem Corona-Virus, davon 25 Tage auf der Intensivstation und einige Zeit im künstlichen Koma.

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