Ausgefragt?! –
Seltene rheumatische Erkrankungen erkennen und behandeln
Interview mit Dr. Martin Krusche
Sektion Rheumatologie der III. Medizinischen Klinik und Poliklinik des UKE
Rund 1,8 Millionen Menschen sind von entzündlichem Rheuma betroffen. Sie haben teilweise starke Schmerzen, leiden unter Erschöpfung und beruflichen Einschränkungen. Im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) werden vor allem Patient:innen mit besonders seltenen rheumatischen Erkrankungen behandelt – unter anderem auch Menschen mit dem VEXAS-Syndrom. Dr. Martin Krusche, stellvertretender Leiter der Sektion Rheumatologie der III. Medizinischen Klinik und Poliklinik des UKE, erläutert, wie das Syndrom diagnostiziert und behandelt werden kann.
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Das Interview zum Nachlesen
Mein Name ist Martin Krusche. Ich bin Rheumatologe und klinischer Immunologe und arbeite als leitender Oberarzt in der Rheumatologie am UKE.
Herr Dr. Krusche, welche seltenen rheumatischen Erkrankungen gibt es?
Neben den sicherlich häufigeren rheumatologischen Erkrankungen wie der rheumatoiden Arthritis gibt es auch eine Vielzahl von seltenen rheumatologischen Erkrankungen. Hier sind unter anderem die Gefäßentzündungen zu nennen, also auch Vaskulitiden genannt oder die bindegeweblich-entzündlichen rheumatischen Erkrankungen, die Kollagenosen. Dazu gehören unter anderem der systemische Lupus Erythematodes oder die Sklerodermie.
Darüber hinaus gibt es noch seltene autoinflammatorische Erkrankungen wie zum Beispiel das Adulte Still-Syndrom oder das Vexas-Syndrom.
Was genau ist das Vexas-Syndrom?
Eine genetische Beratung und ggf. Testung kann sinnvoll sein, wenn in der Familie bestimmte Hinweise auf ein familiäres Risiko vorliegen, zum Beispiel, wenn es eine Häufung von Brust- und Eierstockkrebserkrankungen in der Familie gibt, die Erkrankungen in einem jungen Alter auftreten oder beispielsweise ein Mann in der Familie an Brustkrebs erkrankt ist. Das deutsche Konsortium für familiären Brust- und Eierstockkrebs hat spezielle Kriterien definiert, wann eine genetische Beratung sinnvoll sein kann. Die Beratung hilft, das persönliche Risiko einzuschätzen und über das Für und Wider eines Tests zu entscheiden.
Wie lässt sich das Vexas-Syndrom diagnostizieren?
Die Diagnose des Vexas-Syndroms ist eine Herausforderung, da die Symptome häufig diffus und unspezifisch sein können. Viele der Betroffenen haben zum Beispiel Fieber, es kann aber auch zu Entzündungsreaktionen der Haut, der Gelenke und des Knorpels kommen.
Darüber hinaus gibt es häufig Veränderungen des Blutbildes. Um die Diagnose schlussendlich sicher stellen zu können, braucht man eine genetische Testung auf das UBA1-Gen.
Wie kann das Vexas-Syndrom behandelt werden?
Ein Baustein der Therapie ist eine anti-entzündliche bzw. immunsuppressive Therapie. Hier kommt vor allem Prednisolon zum Einsatz. Darüber hinaus gibt es noch andere rheumatologische Medikamente, die hier eingesetzt werden, wie zum Beispiel Januskinase-Inhibitoren, und ein weiterer Baustein sind hämatologische Medikamente, die Blutbild-stabilisierend wirken können.
Zielgerichtete Therapien werden jetzt aktuell in klinischen Studien, unter anderem auch hier am UKE, erprobt. Und in Einzelfällen kann man bei Schwerbetroffenen auch über eine Stammzelltransplantation nachdenken.
Wo finden Betroffene Hilfe?
Für die Betroffenen ist sicherlich die Anbindung an ein spezialisiertes Zentrum wie zum Beispiel das UKE von großem Nutzen. Denn hier kommen verschiedene Fachdisziplinen, die mit der Erkrankung vertraut sind, zusammen wie die Rheumatologie, die Hämatologie, aber auch die Humangenetik, die dann gemeinsam dabei helfen können, die Diagnose frühzeitig zu stellen und auch individualisierte Therapien mit zu betreuen.
Wer sich noch genauer informieren möchte, den möchte ich gerne an das Deutsche Vexas-Register verweisen. Hier gibt es online alle Informationen über die Erkrankung, und man kann auch nachschauen, welche Heimatort-nahen Zentren sich in der Nähe befinden.
Haben Sie noch eine Botschaft für uns?
Ja, ich möchte eigentlich an alle Patientinnen und Patienten mit rheumatologischen Erkrankungen appellieren, Mut zu haben. In der Rheumatologie ist in den letzten Jahren in der Wissenschaft wirklich ganz viel Neues passiert. Wir haben neue hochwirksame Medikamente, die wirklich einer Vielzahl von Betroffenen ein normales Leben ermöglichen können, was bedeutet eine normale berufliche Teilhabe, aber auch ein normales Familien- und Privatleben.