Prof. Dr. Birgit-Christiane Zyriax
Professur für Hebammenwissenschaft - Versorgungsforschung und Prävention
Was hat Ihr Interesse an einer wissenschaftlichen Karriere bzw. Ihr Berufsfeld geweckt?
Die meisten Menschen versterben heute an chronischen Krankheiten, insbesondere Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs. Präventionsmaßnahmen, insbesondere ein gesunder Lebensstil können erheblich dazu beitragen, dass wir alle nicht nur älter werden, sondern "gesund" altern. Verhaltens- und Verhältnisprävention sollten so früh wie möglich starten, idealerweise rund um Schwangerschaft und Geburt. Tatsächlich werden aber weniger als 1% der Ausgaben im Gesundheitswesen für die Prävention zur Verfügung gestellt. Das muss sich nicht zuletzt vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung ändern. Forschung in diesen Bereichen voranzutreiben ist und war mir immer ein besonderes Anliegen.
Wollten Sie schon immer Professorin werden?
Eigentlich seit meiner Schulzeit. Naturwissenschaftliche Fächer haben mir viel Spaß gemacht. Dazu beigetragen hat auch das Lesen verschiedener Fachartikel, die ich spannend fand. Ich erinnere mich noch gut an das Buch eines Biochemikers, Prof. Dr. Frederics Vester, in dem es um "Denken, Lernen und Vergessen", also um die Gehirnfunktion ging. In einer Professur sah ich viele Gestaltungsmöglichkeiten. Dennoch ist meine Karriere zunächst anders verlaufen. Die Forschung zu Lebensstil und chronischen Erkrankungen steckte damals noch in den Kinderschuhen und die universitären Strukturen waren eher wenig familienfreundlich.
Was begeistert Sie als Professorin noch immer?
Mit dem Thema Forschung ist man am Puls der Zeit. Die Ergebnisse aus meinen Bereichen lassen sich häufig direkt in die Praxis übertragen. Forschung zu Prävention, Lebensstil und chronischen Erkrankungen ist durch den demographischen Wandel, eingeschränkte finanzielle Ressourcen im Gesundheitssystem und nicht zuletzt den Klimawandel heute wichtiger denn je. Gerade an einer medizinischen Fakultät bieten sich viele interessante Ansatzpunkte für Forschungsprojekte durch Quervernetzung in alle Bereiche - besser geht es nicht. Dazu kommt der Kontakt zu Studierenden und deren Förderung - mich begeistert die Lehre!
Was gefällt Ihnen an der Arbeit als Professorin?
Neue Aufgaben und große Gestaltungsräume haben mich schon immer fasziniert. Hierzu zählt beispielsweise aktuell der Aufbau des Studiengangs "Hebammenwissenschaft" gemeinsam mit Kolleginnen. Neben Lehrinhalten gilt es auch hier Forschungsprojekte zu zentralen Fragestellungen zu initiieren. Die Entwicklung und das Erforschen von interprofessionellen Lehr- und Versorgungskonzepten ist nur eine der großen zukünftigen Herausforderungen. Aus Perspektive einer Professorin ist es darüber hinaus auch leichter, gezielt Frauen im wissenschaftlichen Kontext zu fördern.
Was gefällt Ihnen nicht ganz so gut an Ihrer Arbeit?
Der Verwaltungsaufwand ist manchmal sehr hoch, dies schränkt die wertvolle Zeit für Forschung und Lehre leider ein. Außerdem würde ich mir wünschen, dass Engagement und Forschung in der Lehre einen noch höheren Stellenwert in der Karriereförderung erhalten. Letztendlich bilden wir den Nachwuchs aus - eine enorme Verantwortung.
Gab es kritische Phasen im Laufe Ihrer Karriere, und wie sind Sie damit umgegangen?
Ich habe im Laufe meiner Karriere immer wieder vor größeren Entscheidungen gestanden.Zunächst habe ich eine Leitungsposition und damit Sicherheit und Einkommen aufgegeben, um doch zu promovieren. Das haben viele Kolleg:innen und auch Freunde damals nicht verstanden. Nach Abschluss der Promotion und eingeschränkten Fördermöglichkeiten habe ich lange mit meinem Antrag auf Habilitation gewartet. Ich war dann auch die erste meines Faches, die am UKE dazu einen Antrag gestellt hat. Geholfen haben mir in kritischen Phasen immer wieder meine hohe Eigenmotivation, Vertrauen auf die eigenen Fähigkeiten und die Erkenntnis, dass ich genau das mache, was ich mir immer vorgestellt habe.
Welches sind die Schwerpunkte Ihrer Forschung?
Stellenwert des Lebensstils zur Prävention chronischer Erkrankungen in verschiedenen Lebensphasen, Förderung von Strukturen zur Gesunderhaltung und Forschung zur Zusammenarbeit in den Gesundheitsberufen.
Muss man sich, Ihrer Meinung nach schon in einer sehr frühen Karrierephase dafür entscheiden, den Weg zur Professur einzuschlagen?
Ein typischer Lebenslauf macht vieles sicher leichter. Vielen jungen Menschen fällt es aber oftmals schwer, sich sehr früh beruflich schon festzulegen. Das ist auch verständlich. Hinzu kommt, dass eine Karriere nicht komplett planbar ist, manchmal ergeben sich im Leben überraschende Wendungen. Wichtig finde ich es, gerade Frauen zu ermutigen, Karrierewege nachzuholen. Dazu benötigen sie berufliche aber auch private Unterstützung, vor allem ein gutes Netzwerk.
Wie würden Sie die Vereinbarkeit ihres Berufes mit Freizeit und Familie einschätzen?
Heute ist es leichter, Beruf und Familie zu vereinbaren, dennoch besteht nach wie vor Verbesserungsbedarf. Denn immer wieder gibt es Situationen, die sehr herausfordernd sind. Beim Thema Familie geht es aufgrund der langen Lebensarbeitszeit nicht nur um die eigenen Kinder, sondern möglicherweise auch um pflegebedürftige Eltern. Das erfordert mitunter einen Balanceakt, der ein gutes Netzwerk, hohe Eigenmotivation aber auch geeignete berufliche Strukturen voraussetzt.
Erzählen Sie uns gerne kurz von einem ganz besonderen Moment in Ihrer Karriere.
Diesen einen Moment gab es eigentlich nicht, sondern mehrere. Immer ging es darum,etablierte Wege zu verlassen und sich mutig auf Neues einzulassen. Das galt bereits für mein Studium, später in Verbindung mit der Promotion und danach auch im Werdegang. Ich habe gelernt, dass es sich lohnt "anders" zu denken und dass Gespräche und Nachfragen letztendlich viel bewirken können.
Welche Unterstützungsangebote auf dem Weg zur Professur waren für Sie sehr hilfreich? Gab es eine Person, die Sie inspiriert hat?
Die frühste und größte Unterstützung haben meine Schwester und ich sicher im Elternhaus erfahren. Wir sind aufgewachsen mit dem Gedanken, dass (fast) alles im Leben möglich ist.
Welches sind Ihre zukünftigen Visionen, was wollen Sie im Weiteren erreichen?
Ich möchte meine Professur in den nächsten Jahren dazu nutzen, die Themen Prävention und Gesundheitsförderung, rund um Schwangerschaft, Geburt und die langfristige Gesundheit von Mutter und Kind, im UKE gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen voranzutreiben. Das gilt sowohl für die Initiierung von Forschungsprojekten als auch die Weiterentwicklung der Curricula Hebammenwissenschaft und Medizin beispielsweise mit Blick auf die Digitalisierung und die interprofessionelle Zusammenarbeit. Die erfolgreiche Etablierung des Studiengangs Hebammenwissenschaft und die Nachwuchsförderung insgesamt sind weitere wichtige Ziele.
Was würden Sie gerne jungen Wissenschaftlerinnen und Studierenden mit auf den Weg geben?
Gehen Sie Ihren Wünschen und Träumen nach, Netzwerke helfen Ihnen weiter! Finden Sie eine gute Balance zwischen Beruf und Privatleben, es ist Ihr Leben! In kritischen Phasen schließt sich manchmal eine Tür, dafür geht eine andere auf!
| MEILENSTEINE | |
|---|---|
| 2002 | Promotion an der Universität Gießen. Das Forschungsprojektwurde am UKE durchgeführt. Ziel der CORA-Studie (Coronare Risikofaktoren fürArteriosklerose bei Frauen) war die Bestimmung des Einflusses von Ernährungs- und Lebenstil- abhängigen Faktoren auf das koronare Risiko von Frauen. |
| 2014 | Habilitation, Universität Hamburg UKE |
| 2020 | Berufung, Universität Hamburg UKE |
| Weiterbildungen: | |
| Studium der Ernährungswissenschaften und Zusatzqualifikation in Kommunikationund Beratungswesen. Zertifizierung für Ernährungsberatung. | |
| Diverse regelmäßige Weiterbildungen u.a. zur Hochschuldidaktik,Versorgungsforschung, Zertifikat/Zulassung Ernährungsberatung, motivierendeGesprächstechniken, interprofessionelle Lehre | |