Prof. Dr. Karin Oechsle
Professur für Palliativmedizin mit Schwerpunkt Angehörigenforschung
Was hat Ihr Interesse an einer wissenschaftlichen Karriere bzw. Ihr Berufsfeld geweckt?
Die Erkenntnis im Studium und v.a. bei den Famulaturen, wie viel Engagement und Ressourcen in der Medizin in kurative Maßnahmen gesteckt wird und wie schlecht oft die Menschen versorgt sind, die nicht mehr kurativ oder Erkrankungs-spezifischmedizinisch behandelt werden können. Ich war bestürzt, über die Fortschritte der modernen Medizin einerseits und die dazu im krassen Gegensatz stehende Unter- und Fehlversorgung der Menschen, deren Leben nicht mehr lebenswert verlängert werden kann.
Wollten Sie schon immer Professorin werden?
Nein. Mein Interesse wuchs mit den im Laufe meines Berufslebens sich zunehmend eröffnenden Möglichkeiten, Dinge nachhaltig zu verändern.
Was begeistert Sie als Professorin noch immer?
Das Zusammenspiel von Patient:innen- und Angehörigenversorgung mit der Forschung und der Lehre und dass, wenn dieses gemeinsam gut funktioniert, sich etwas verändern kann.
Was gefällt Ihnen an der Arbeit als Professorin?
Dass ich auf vielen Ebenen etwas verändern - hoffentlich verbessern - kann: sei es im klinischen Alltag an der aktuellen Situation der erkrankten Menschen und ihren Angehörigen, an der mittelfristigen Verbesserung deren Versorgung durch Aus- und Weiterbildung der nachwachsenden Kolleg:innen und auf vielen Ebenen durch unsere Forschungsarbeit, die zukünftige Versorgung von Menschen mit unheilbaren, fortschreitenden Erkrankungen und deren Angehörigen.
Was gefällt Ihnen nicht ganz so gut an Ihrer Arbeit?
Der große Anteil administrativer Arbeit, die im Zeitalter der Digitalisierung nicht wirklich einfacher wird.
Gab es kritische Phasen im Laufe Ihrer Karriere, und wie sind Sie damit umgegangen?
Eine schwere Erkrankung mit bleibenden Einschränkungen. Mich danach wieder trotzdem in meinen Beruf zurück zu kämpfen war schwer, aber alle Mühe wert!
Welches sind die Schwerpunkte Ihrer Forschung?
Probleme und Bedürfnisse von Angehörigen von Menschen mit unheilbarer fortschreitender Erkrankung, aber auch der Erkrankten selbst: Integration vonPalliativversorgung in Erkrankungs-spezifische Versorgungskonzepte, psychische Belastungen und Probleme inkl. Trauer, nicht-medizinische Therapieformen, Schulungsprogramme, Kommunikation, etc..
Muss man sich, Ihrer Meinung nach schon in einer sehr frühen Karrierephase dafür entscheiden, den Weg zur Professur einzuschlagen?
Ich habe mich erst mit den sich eröffnenden Möglichkeiten nach und nach entschieden und halte dies daher auch für einen guten Weg. Nicht immer verläuft das Leben so, wie man es sich wünscht oder plant.
Wie würden Sie die Vereinbarkeit ihres Berufes mit Freizeit und Familie einschätzen?
Erzählen Sie uns gerne kurz von einem ganz besonderen Moment in Ihrer Karriere.
Ein zentraler Punkt meiner Karriere war, dass mir Prof. Bokemeyer ermöglicht hat, innerhalb der II. Medizinischen Klinik am UKE die Palliativmedizin aufzubauen - in ihren verschiedenen klinischen Versorgungsstrukturen, aber auch akademisch in Lehre und Forschung.
Welche Unterstützungsangebote auf dem Weg zur Professur waren für Sie sehr hilfreich? Gab es eine Person, die Sie inspiriert hat?
Ich hatte mehrere Vorbilder, die mir gezeigt haben, wie man mit viel Fleiß und Zielstrebigkeit seine Träume verwirklichen kann und wie man sich klug in den Interaktionen auf verschiedenen Ebenen verhält. Konkrete Unterstützungsangebote habe ich nicht in Anspruch genommen.
Welches sind Ihre zukünftigen Visionen, was wollen Sie im Weiteren erreichen?
Ich würde mir wünschen, dass es am UKE und in Deutschland gelingt, deutlich zu machen, dass Sterben nicht das Versagen der modernen Medizin ist, sondern ein normaler Prozess, der zu unser aller Leben gehört. Und ein Verständnis zu wecken, dass ein großer Anteil der Erkrankungen, die uns täglich begegnen, nicht wirklich kurativ behandelt werden und dass die Palliativmedizin ein essentieller Bestandteil einer Medizin ist, die auch Menschen, die mit einer unheilbaren Erkrankung leben müssen, eine bestmögliche Lebensqualität ermöglichen will. Und dass Palliativmedizin viel mehr ist und viel früher in die Versorgung integriert werden muss als erst in der Sterbephase.
Was würden Sie gerne jungen Wissenschaftlerinnen und Studierenden mit auf den Weg geben?
Glauben Sie an sich und Ihre Träume! Unser Beruf ermöglicht uns auf so vielen verschiedenen Wegen, etwas kurzfristig und nachhaltig zu verbessern. Wir, die wir diese Möglichkeit haben, sollten Sie nutzen. Dies gibt einem so vieles zurück!
| MEILENSTEINE | |
|---|---|
| 2020 | Promotion, Eberhard-Karls Universität zu Tübingen |
| 11/2007 | Fachärztin für Innere Medizin |
| 04/2008 | Zusatzbezeichnung Palliativmedizin |
| 02/2009 | Fachärztin für Innere Medizin, Hämatologie und internistische Onkologie |
| 02/2011 | Habilitation im Fach Innere Medizin, UKE |
| 11/2015 | APL-Professur der Universität Hamburg |
| 2017 | Universität Hamburg: Universitätsprofessur für Palliativmedizin mitSchwerpunkt Angehörigenforschung (2017 - 2022 als Stiftungsprofessur) |