Welchen Einfluss hat das Corona-Virus auf Schwangerschaft und Geburt?
Mehr als 3000 Kinder kommen jedes Jahr im UKE auf die Welt. Monatlich sind es also 250 Geburten, auch in Corona-Zeiten, nun aber unter besonderen Sicherheitsvorkehrungen. Auch die Forschung ist hier eingebunden: Die Erfahrungen der Geburtsklinik sollen dazu beitragen, die Auswirkungen einer COVID-19-Infektion in der Schwangerschaft für die Schwangere und das Neugeborene besser zu verstehen.
Bis hierhin und nicht weiter: Spätestens an der gläsernen Eingangstür der Geburtsstation, Hauptgebäude, 5. Stock, müssen die Partner von ihren Frauen zunächst Abschied nehmen. Erst in der aktiven Phase der Geburt darf die Begleitung wieder dabei sein. „Zum Schutz vor einer Ausbreitung des Corona-Virus musste leider auch im Kreißsaal der Publikumsverkehr auf ein Minimum reduziert werden“, erklärt Dr. Ann-Christin Tallarek, Oberärztin an der Klinik und Poliklinik für Geburtshilfe und Pränatalmedizin. „Gleichzeitig ist die Geburt eines Kindes für beide Eltern ein einmaliges Ereignis und der Partner eine wertvolle Unterstützung. Sobald es in den Kreißsaal geht, geben wir deshalb telefonisch Bescheid.“ In den ersten Wochen der Corona-Welle sei es vielen werdenden Eltern schwergefallen, diese Maßnahmen zu verstehen. „Sie müssen doch meinen Mann reinlassen“, schimpften manche. „Unmenschlich“, befanden andere.
Vor allem die Hebammen hätten viel Zeit und Geduld aufgebracht, um die Notwendigkeit zu erklären, berichtet die Fachärztin für Geburtshilfe. Sie hat selbst zwei Töchter und kann die Gemütslage der Betroffenen gut nachvollziehen. „Aus medizinischer Sicht gibt es aber leider keine Alternative.“ Mit den aktuell sinkenden Zahlen konnte glücklicherweise auch das Besuchsverbot auf der Wochenstation gelockert werden. Seitdem dürfen die Partner täglich eine Stunde zu Mutter und Kind. „Das macht schon einen großen Unterschied für die Familien.“
Grundsätzlich wird im UKE jede Patientin und jeder Patient vor der stationären Aufnahme auf eine mögliche Corona-Infektion getestet. Bis das Resultat vorliegt, vergehen mehrere Stunden. „In einigen Fällen kamen die Babys schneller als das negative Testergebnis“, berichtet Dr. Tallarek. Frauen, die mit Symptomen einer möglichen COVID-19-Erkrankung in die Geburtsklinik kämen, würden von vorneherein isoliert. Nur in sechs Fällen lag tatsächlich eine Infektion vor, vier Frauen haben noch nicht entbunden, die beiden Mütter waren schon vor der Entbindung wieder komplett genesen. Bei der Untersuchung von Nabelschnurblut, Muttermilch und Rachenabstrich der Babys wurden in diesen Bioproben keine aktiven Viren gefunden.
Über mögliche Zusammenhänge noch wenig bekannt
Wie spielt sich eine SARS-CoV-2-Infektion in der Schwangerschaft ab? Besteht ein höheres Risiko für schwere Verläufe? Werden die Babys im Mutterleib infiziert? Gibt es womöglich langfristige Effekte auf das ungeborene Kind? „Wir wissen noch recht wenig über das neue Virus“, sagt Priv.-Doz. Dr. Anke Diemert, Oberärztin an der Geburtsklinik und gemeinsam mit Prof. Dr. Petra Arck Forschungsleiterin der PRINCE-Studie, an der mehr als 700 Frauen mit ihren im UKE geborenen Kindern teilnehmen. Im Fokus der Studie steht die Immunanpassung in der Schwangerschaft mit ihren Prägungen des kindlichen Immunsystems.
Der zur Hälfte mit väterlichen Merkmalen ausgestattete Embryo darf einerseits nicht als fremd erkannt und abgestoßen werden, andererseits aber soll das mütterliche Immunsystem auch in der Schwangerschaft weiter vor Infektionen schützen. Dass dieser Spagat in den meisten Fällen gelingt, sei „ein biologisches Wunder“, so Dr. Diemert. Bei manchen Erkrankungen, etwa der Multiplen Sklerose, wirke die Immunanpassung positiv, die Symptome gehen zurück. Bei einer Grippe hingegen würden die Symptome aufgrund des angepassten Immunsystems oft verstärkt, „Schwangere haben ein erhöhtes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf und erkranken schwerer und sterben leider auch häufiger an der Grippe.“ Für COVID-19 besteht nach aktuellem Kenntnisstand kein besonderes Risiko für Schwangere. Die beiden milden Verläufe bei den Schwangeren im UKE stützen diese Beobachtungen; auch bei ihren Babys wurden keine aktiven Viren gefunden.
UKE-Forschung in weltweite Studien eingebunden
Die Geburtsklinik des UKE und das Labor für Experimentelle Feto-Maternale Medizin beteiligen sich in mehrfacher Hinsicht an der weltweiten Erforschung von SARS-CoV-2-Infektionen bei Schwangerschaft und Geburt, unter anderem mit der Entnahme von Bioproben bei den Müttern und ihren Babys. Diese werden in Zusammenarbeit mit dem Institut für Medizinische Mikrobiologie, Virologie und Hygiene unter Leitung von Prof. Dr. Martin Aepfelbacher analysiert und in der Biobank des PRINCE-Projekts für die weitere Forschung verfügbar gemacht. Zudem ist die Geburtsklinik unter anderem an einem internationalen COVID-19-Register der Universität Lausanne involviert, wo klinische Daten zu Schwangerschaftsverlauf, Geburt und Gesundheit des Kindes erfasst werden. „Unsere Fallzahlen sind zum Glück niedrig, im Verbund helfen sie aber, neue Erkenntnisse zu gewinnen“, so Anke Diemert.
Kürzlich startete am UKE die C19.CHILD Hamburg-Studie unter Leitung von Prof. Dr. Ania C. Muntau, Direktorin der UKE-Kinderklinik. Im Rahmen dieser Studie werden 6000 Kinder und Jugendliche auf das Corona-Virus getestet. Auch viele Familien des PRINCE-Projekts sind beteiligt. „Wir nutzen die Chance, unsere verschiedenen Kohorten zusammenzubringen, und können damit hoffentlich zu einem besseren Verständnis der COVID-19-Erkrankung und -Durchseuchung beitragen“, sagt Dr. Diemert.
Durch Corona sind die Belastungen des Alltags, insbesondere mit Kindern, stark gestiegen, das bestätigen beide Fachärztinnen. Ann-Christin Tallarek legt ihre Dienste im Kreißsaal nach Möglichkeit so, dass die Betreuung ihrer beiden Töchter, sechs und zwölf Jahre alt, sichergestellt ist. „Es ist schon eine Herausforderung“, sagt sie. Auch Anke Diemert berichtet von einem eingespannten „aber frei gewählten“ Alltag, der gefüllt ist mit Diensten im Kreißsaal, mit Forschungstätigkeit, die zurzeit meist im Home Office erfolgt, und der Betreuung der beiden acht und zehn Jahre alten Söhne. Eine besondere Belastung sei das Home-Schooling, erzählt Diemert mit einem Lachen. „Wenn ich nach zwei Nachtdiensten nach Hause komme, bin ich sicher nicht mehr die entspannte Lehrerin für meine Jungs.“