Soziale Ungleichheit und Multimorbidität in der hausärztlichen Versorgung (MultiCare Cohort Study)

Ingmar Schäfer, Olaf von dem Knesebeck, Heike Hansen, Gerhard Schön, Martin Scherer, Hendrik van den Bussche

Hintergründe und Ziele

Multimorbidität ist hochprävalent und mit schweren Folgen wie Mortalität, Hospitalisierung und funktionalen Einschränkungen assoziiert. Es ist vielfach dokumentiert, dass ältere Menschen mit niedrigerem Einkommen und niedrigem Bildungsstand ein höheres Risiko für eine Vielzahl von Gesundheitsproblemen haben als ältere Menschen mit höherem sozialen Status. Allerdings ist bislang wenig untersucht, ob sich die Krankheitslast bei Multimorbidität zwischen sozialen Statusgruppen unterscheidet. Aus diesem Grund wurde einerseits untersucht, ob multimorbide Patienten mit niedrigerem sozioökonomischen Status mehr Erkrankungen als Patienten mit höherem Status haben. Andererseits wurde analysiert, ob die patientenrelevanten Folgen von Multimorbidität bei Patienten mit niedrigerem Status schwerwiegender sind.

Design und Methodik

3.189 Patienten im Alter von 65 bis 85 Jahren mit mindestens 3 chronischen Erkrankungen wurden in 158 Hausarztpraxen in 8 Studienzentren rekrutiert. Die Daten stammen aus Patienten- und Hausarzt-interviews. Der Zusammenhang zwischen sozioökonomischem Status und Krankheitslast wurde mit hierarchischen Mehrebenenanalysen in den Baselinedaten und der Follow-Up-Untersuchung nach 15 Monaten untersucht.

Ergebnisse

Patienten mit niedrigerem Einkommen und niedrigem Bildungsstand hatten im Schnitt 0,4 Krankheiten mehr (aus einer Liste von 46) als Patienten mit höherem sozialen Status. Ein erhöhtes Risiko findet sich vor allem bei kardiovaskulären Erkrankungen wie Herzinsuffizienz (OR 1,8-1,6) oder KHK (OR 1,5-1,3) sowie Diabetes (OR 1,4-1,3). Patienten mit niedrigerem Einkommen geben eine schlechtere subjektive Gesundheit an und haben einen geringeren Score in ihrem instrumentellen Alltagsaktivitäten und ihrer gesundheitsbezogenen Lebensqualität als Patienten mit höherem Einkommen. Bei der Baselineuntersuchung bewegten sich die Unterschiede je nach Indikator zwischen 2,5 und 5,6 Prozentpunkten. Nach 15 Monaten hatten sich die Unterschiede um weitere 1,4 bis 3,0 Prozentpunkte vergrößert. Diese Unterschiede blieben auch dann signifikant, wenn für die Krankheiten und hausarztbewertete Schweregrade adjustiert wurde. Der Bildungsstand hatte keinen konsistenten Einfluss auf die Krankheitslast.

Veröffentlichungen

Schäfer I et al.
The influence of age, gender and socio-economic status on multimorbidity patterns in primary care. First results from the MultiCare Cohort Study.
BMC Health Serv Res 2012; 12:89.

Förderer: Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)

Laufzeit: 2008 bis 2013

Ansprechpartner: Ingmar Schäfer