zurück zur Übersicht

Passgenau wie ein Legostein

Digitaler Datensatz, 3D-Druck und Künstliche Intelligenz – das sind Zutaten für die rekonstruktive Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Zukunft. Im UKE forscht Prof. Dr. Dr. Ralf Smeets zu gedruckten Gesichtsimplantaten.

Text: Ingrid Kupczik, Fotos: Axel Kirchhof

DIE VISION: MENSCHEN HELFEN, WIEDER GESICHT ZU ZEIGEN

Wissen: Knochendefekte durch individuelle Implantate kompensieren

Forschen: Datenbasis für 3D-Rekonstruktionsmodelle aufbauen

Heilen: Operationszeit verkürzen, Erholung beschleunigen

Im Mittelpunkt seiner aktuellen Studie: die Augenhöhle, Fachbegriff Orbita. Sie wird aus sieben Schädelknochen gebildet, ist stellenweise sehr dünn – und bricht vergleichsweise häufig. „Die Fraktur des Orbitabodens ist eine typische Verletzung bei Schlägereien, Stürzen und Unfällen“, sagt Prof. Smeets, stellvertretender Leiter der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie. Bei kleineren Defekten wird der Bruch mit einer resorbierbaren Folie rekonstruiert, bei umfangreicheren Schäden ein individuelles Gitter aus Titan gedruckt und implantiert.

Zur Herstellung dieses patientenspezifischen Implantats (PSI) wird anhand einer dreidimensionalen CT-Aufnahme im Vorfeld ein digitales Modell des knöchernen Defekts erzeugt. Mittels Künstlicher Intelligenz (KI) wird ein Datensatz erstellt, das Implantatdesign definiert und im Anschluss durch 3D-Druck hergestellt. Das Ergebnis? „Einwandfrei. Wir müssen das Implantat nicht mehr anpassen, die Platte nicht mehr biegen – es passt wie ein Legostein.“ Dadurch verkürze sich die OP-Zeit, und die Patient:innen erholen sich schneller.

Wissenschaftlicher Austausch zwischen drei Hamburger Forschungseinrichtungen

Das Ziel des aktuellen, von der EU geförderten Forschungsprojekts „DigiMed“ des UKE in Kooperation mit der Hamburger Fraunhofer-Einrichtung IAPT und der Helmut-Schmidt-Universität ist es, eine durchgängige KI-basierte digitale Wertschöpfungskette zu etablieren. „Wir wollen gemeinsam Methoden entwickeln, um das Design für Gesichtsimplantate automatisiert aus CT-Daten zu erstellen und diese Designs dann in 3D-Druckdaten umzuwandeln“, erläutert Smeets. Langfristiges Ziel sei die nachhaltige Sicherung der Patient:innenversorgung mit individuell angepassten Implantaten.

Die moderne rekonstruktive Chirurgie macht es möglich, dass auch Menschen mit schwersten Knochendefekten nach einem Unfall oder infolge von Tumoren wieder „Gesicht zeigen“ können. Für die Betroffenen ist es ein Segen, für Prof. Smeets ein Ansporn, weiter zu forschen, unter anderem zum Thema Epithesen. Es handelt sich dabei um Prothesen, mit denen ein Gesichtsdefekt optisch abgedeckt wird, um einen ästhetischen Anblick zu erhalten oder wiederzuerlangen. Die 3D-gedruckten Epithesen aus Silikon haben allerdings einen Nachteil: „Ihre Farbe bleibt immer gleich, auch bei Temperaturwechsel oder Sonneneinstrahlung – anders als der Rest des Gesichts“, sagt Smeets. Dadurch fallen sie besonders auf. Smeets möchte herausfinden, ob und inwieweit sich die Epithese etwa durch Beimischung thermochromer oder photocromer Gruppen, die sich je nach Temperatur oder UV-Strahlung verändern, farblich anpassen würde. „Das könnte die Zukunft darstellen, und genau dafür sind wir ja auch am UKE.“

3D-Druckmodell
Prof. Dr. Dr. Ralf Smeets


Prof. Dr. Dr. Ralf Smeets

ist Forschungsleiter und Stellvertretender Klinikdirektor der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie.


Mehr Informationen?

Forschung in der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie: www.uke.de/3d-psi



Vorheriger Beitrag:
Hannes lässt tief blicken

Nächster Beitrag:
3D-Druck in der Kieferorthopädie


Übersichtseite
Zurück zur Übersicht