Bypass-OP mit Roboterunterstützung

Premiere: Vor wenigen Wochen wurde eine Bypass-OP am schlagenden Herzen mit dem DaVinci-Roboter durchgeführt. Unterstützt von den Robotik-Expert:innen der Martini-Klinik wagte damit das Team der Klinik und Poliklinik für Herzchirurgie des Universitären Herz- und Gefäßzentrums einen weiteren wichtigen Schritt im Bereich der minimalinvasiven Herzoperationen.


Text: Anja Brandt, Fotos: Axel Kirchhof

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Prof. Girdauskas am Cockpit des DaVinci

Im OP-Saal der Martini-Klinik des UKE herrscht freudige Anspannung: Heute steht hier keine Prostataresektion, sondern eine Bypass-OP am schlagenden Herzen auf dem Plan. Und die wird mithilfe des Operationsroboters DaVinci durchgeführt. „Mit dieser Methode können wir bei unseren Patient:innen noch schonender und weniger belastend herzchirurgische Eingriffe durchführen“, sagt Prof. Dr. Evaldas Girdauskas, Direktor der Klinik und Poliklinik für Herzchirurgie des Universitären Herz- und Gefäßzentrums. Konzentriert sitzt er am Cockpit und steuert mit einem Joy-Stick Instrumente, die am OP-Tisch nahtlos ineinandergreifen. Über drei kleine Zugänge wurden sogenannten Trokare durch die Rippenzwischenräume bis zum Herzen vorgeschoben und bilden jetzt die „Arbeitskanäle“, über die die unterschiedlichen OP-Instrumente eingeführt werden können. „Das Brustkorbtrauma ist für die Patient:innen dadurch viel geringer, da wir jetzt nicht das Brustbein spalten und den Brustkorb spreizen müssen, um Zugang zum Herzen zu erhalten. Hinzu kommt, dass wir am schlagenden Herzen arbeiten und der Patient nicht an eine Herz-Lungen-Maschine angeschlossen werden muss“, erläutert Prof. Girdauskas.

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Das Team wartet geduldig auf seinen Einsatz

Die robotergestützte Chirurgie ist Teamarbeit

Am OP-Tisch stehen ein Assistenzarzt und eine OP-Pflegefachperson, die das Robotiksystem überwachen und im entscheidenden Augenblick die Instrumente wechseln. Aus dem sogenannten „Patient Cart“ ragen drei bewegliche Arme, die die von Prof. Girdauskas gesteuerten Bewegungen im Körper des Patienten ausführen. Eine hochauflösende 3D-Kamera überträgt ein vergrößertes Bild aus dem Inneren des Körpers auf große Flachbildschirme im gesamten OP-Saal.

Im Hintergrund steht die OP-Fachpflegefrau der Martini-Klinik Cindy Peters und beobachtet entspannt das Geschehen, denn eingreifen muss sie nicht. „Das machen meine UHZ-Kolleginnen alles sehr gut und selbstständig. Ich bin nur die dritte Hand, falls Hilfe benötigt wird.“

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Prof. Cerny (hinten) sitzt als Beobachter am zweiten Cockpit

Für das OP-Team der Klinik für Herzchirurgie ist es die zweite Bypass-OP mit dem Roboter-Operationssystem in der Martini-Klinik. Mit minimalinvasiven Verfahren sind sie bestens vertraut, aber dennoch wurden vor dem ersten Einsatz alle Abläufe intensiv trainiert und dieses Mal noch unter Aufsicht von Prof. Dr. Stepan Cerny durchgeführt. Der Herzchirurg aus Prag besitzt viel Erfahrung und Know-How in robotergestützter Herzchirurgie und das UHZ-Team hat im Oktober bei ihm hospitiert.

Die Kolleg:innen aus dem Universitären Herz- und Gefäßzentrum zu unterstützen, ist auch für Kathi Ehlert, Pflegerische Leitung Funktionsdienst Martini-Klinik, eine Selbstverständlichkeit: „Wir geben pflegerischer und ärztlicherseits unsere robotische Sichtweise und Expertise der Prostatektomien im Hintergrund gern weiter, um die Prozesse und Abläufe, die für eine herzchirurgische OP erforderlich sind, an das roboter-assistierte OP-Verfahren anzupassen. Von diesem engen Austausch und der Zusammenarbeit profitieren beide Seiten und das kommt natürlich den Patient:innen zugute.“ Hinzu kommt, dass im Universitären Herz- und Gefäßzentrum bisher kein DaVinci-Robotersystem vorhanden ist und diese Art von Eingriffen daher in der gut ausgestatteten neuen Martini-Klinik stattfinden.

Nach einigen Stunden ist die OP beendet, der Patient hat einen Bypass von der Brustwandarterie erhalten und kommt nun in den Aufwachraum der Martini-Klinik, bevor es für ihn zurück ins Universitäre Herz- und Gefäßzentrum geht.

ERAS-Konzept: Direkt ins Leben zurück

Durch das minimal-invasive Verfahren verkürzt sich seine Genesungszeit deutlich – schon nach zwei bis drei Tagen kann der Patient nach Hause entlassen werden. Entscheidend dafür ist jedoch nicht allein die schonende roboterassistierte Operationstechnik: Ebenso wichtig ist das moderne perioperative Versorgungsprogramm „ERAS“ des Universitären Herz- und Gefäßzentrums, in das er eingeschlossen war.

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Sensibel dirigiert Prof. Girdauskas die Instrumente

Zukunft der hybriden Herzchirurgie

Die robotergestützte Herzchirurgie zählt heute zu den schonendsten minimal-invasiven Methoden und bedeutet für die Patient:innen vor allem weniger Schmerzen, eine schnellere Erholung und kürzere Aufenthalte im Krankenhaus. Noch lässt sich das Verfahren nicht bei allen herzchirurgischen Eingriffen anwenden. Am Universitären Herz- und Gefäßzentrum wird es derzeit bei ausgewählten Bypassoperationen meist für ältere Patient:innen mit vielen Nebenerkrankungen genutzt. „Die Weiterentwicklung in Richtung roboterassistierte Bypasschirurgie ist für mich ein bedeutender Schritt, der unser operatives Spektrum sinnvoll erweitert. In unserem interdisziplinären Koronarteam stimmen wir gemeinsam mit der Kardiologie ab, bei welchen Patient:innen welche Revaskularisationsstrategie – ob Katheterverfahren oder Bypass-OP oder eine hybride Strategie – sinnvoll sein kann“, erklärt Prof. Girdauskas.

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Prof. Girdauskas (r.) und Prof. Rieß arbeiten zusammen

Komplett arterielle Bypasschirurgie ohne Herz-Lungen-Maschine: Schonender, langlebiger, richtungsweisend

Dafür hat er noch einen weiteren erfahrenen Herzchirurgen an das Universitäre Herz- und Gefäßzentrum geholt: Prof. Dr. Friedrich-Christian Rieß ergänzt das Team seit dem 1. September. Der ehemalige Chefarzt der Klinik für Herzchirurgie im Albertinen Krankenhaus bringt besondere Expertise bei der vollständig arteriellen Bypasschirurgie ohne Herz-Lungen-Maschine mit. Bei diesem Bypass-Verfahren werden ausschließlich die langlebigeren Brustwandarterien für den Bypass genutzt und es wird wie beim DaVinci-Verfahren am schlagenden Herzen, ohne Unterstützung der Herz-Lungen-Maschine operiert. Diese Operation führt langfristig zu deutlich besseren Durchblutungsergebnissen des Herzens und weniger Bypassverschlüssen – ein großer Vorteil, den der emeritierte Professor in zahlreichen Studien belegt hat. „Herr Prof. Rieß hat sich bereits hervorragend in unser herzchirurgisches Team integriert und gibt sein langjähriges Wissen und die OP-Technik nun an den Nachwuchs der Klinik für Herzchirurgie weiter“, freut sich Prof. Girdauskas.