„Erfüllung des Herzenswunsches“

Seit dem 1. Oktober 2025 ist Prof. Dr. Evaldas Girdauskas neuer Direktor der Klinik für Herzchirurgie im Universitären Herz- und Gefäßzentrum. Warum sich der renommierte Herzchirurg für Hamburg entschieden hat, wie er mit einem integrativen Modell neue Impulse in der Herzmedizin setzen möchte, welche Chancen er im Neubau 060, in der minimal-invasiven und roboterassistierten Herzchirurgie sowie einer biomarker-basierten Forschung sieht, erzählt er im Interview.

Text: Anja Brandt, Fotos: Axel Kirchhof

Herr Prof. Girdauskas, das UKE ist für Sie kein Neuland, von 2016 bis 2020 haben Sie hier bereits in verantwortlicher Position gearbeitet. Zuletzt waren Sie Chefarzt im Universitätsklinikum Augsburg – wieso tauschen Sie Lech und Elbe nun erneut?

Prof. Dr. Evaldas Girdauskas: In meiner herzchirurgischen Laufbahn habe ich mehrere berufliche Stationen durchlaufen und unterschiedliche Organisationsstrukturen kennenlernen dürfen. Keine von denen hat mich mehr überzeugt als das Hamburger Modell der hiesigen Herzmedizin, das sich durch eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit auszeichnet. Diese integrative Struktur in einem modernen universitären Umfeld sowie Hamburg als Standort und in meinen Augen schönste Stadt in Deutschland hat mich vom ersten Tag an begeistert. Mit dieser Berufung geht mein langjähriger Herzenswunsch in Erfüllung.


In einigen Monaten ziehen Sie mit Ihrem Team in einen außergewöhnlichen Neubau, welche Erwartungen verknüpfen Sie mit dem neuen Herz- und Gefäßzentrum?

Mit diesem Neubau beziehen wir das in Deutschland modernste universitäre Zentrum für Herz- und Gefäßmedizin. Die positive Energie und die Teammentalität, die in diesen Neubau einfließen, sind beindruckend und die Einbringung aller Beteiligten am Neubau ist immens. Hinzu kommt, dass der Neubau durch seine integrierende Infrastruktur mit gemeinsamen Stationen und Interventions- und Operationseinheiten exzellente Voraussetzungen für einen unbegrenzten interdisziplinären Austausch bietet.


Ihre Klinik wird künftig nur noch Klinik für Herzchirurgie heißen. Warum?

Der Name der Klinik für Herzchirurgie zeigt nur die klinische Realität und die fortschreitende Spezialisierung des Fachgebiets. An der Tatsache, dass wir das gesamte Spektrum der Erkrankungen der thorakalen Aorta weiterhin in der Herzchirurgie und in Zusammenarbeit mit der Klinik für Gefäßmedizin, im gemeinsamen Hamburger Aortenzentrum behandeln werden, ändert sich nichts.


Welche innovativen Ansätze oder Technologien möchten Sie in der Herzchirurgie am UKE einführen?

Dazu möchte ich drei Stichwörter nennen: „Intersektorales Netzwerk“, „ERAS Modell“ und „Robotik in der Herzchirurgie“, die wir systematisch und konsequent am Standort gemeinsam einführen und weiterentwickeln werden.


Die minimal-invasive Herzchirurgie stellt zunehmend eine Alternative zu „offenen“ Operationsverfahren dar. Wie sehen Sie diese Entwicklung am Universitären Herz- und Gefäßzentrum?

Sehr positiv. Herr Prof. Reichenspurner hat die minimal-invasiven Verfahren im Universitären Herz- und Gefäßzentrum über viele Jahre konsequent etabliert und weiterentwickelt. Darauf können wir aufbauen und die aktuellen Neuentwicklungen wie beispielsweise die Robotik-Chirurgie weiterverfolgen.


Für welche Erkrankungen eignen sich die minimal-invasiven Verfahren besonders?

Grundsätzlich sind die minimal-invasiven Verfahren für alle Erkrankungen in der Herzmedizin geeignet, allerdings sind sie bislang unterschiedlich stark entwickelt. Während sie in der Herzklappenchirurgie inzwischen zum Standard gehören, sind sie in der Koronarchirurgie noch deutlich weniger vertreten. Mein Ziel ist es, in den nächsten Jahren allen elektiven Patient:innen eine minimal-invasive Behandlungsalternative anbieten zu können. In der Notfallversorgung werden wir auf die üblichen lebensrettenden, herzchirurgischen Eingriffe aber nicht verzichten können.


Welche Vorteile hat die minimal-invasive Koronarchirurgie im Vergleich zur traditionellen Offenherz-Chirurgie für Patient:innen?

Durch die minimal-invasiven Verfahren werden vor allem die Rekonvaleszenzzeiten nach den Eingriffen wesentlich verkürzt und die Patient:innen kommen deutlich schneller ins normale Leben zurück. Dafür ist aber nicht nur der minimal-invasive Eingriff entscheidend: Wichtig sind auch moderne perioperative Versorgungskonzepte, kurz „ERAS“, die wir gemeinsam mit den Kliniken für Anästhesiologie und Intensivmedizin in der Koronarchirurgie konsequent umsetzen werden. Ende August wurden wir als erstes herzchirurgisches ERAS-Zentrum in der Europäischen Union zertifiziert und werden künftig andere herzchirurgische Zentren weltweit ERAS-spezifisch ausbilden und begleiten.


Die Behandlung der terminalen Herzinsuffizienz ist ein Schwerpunkt am Universitären Herz- und Gefäßzentrum, halten Sie daran fest?

Absolut! Das Programm für die Behandlung der terminalen Herzinsuffizienz ist unser Alleinstellungsmerkmal in Hamburg und in Norddeutschland. Die thorakale Organtransplantation und die mechanische Kreislaufunterstützung bleiben unsere Schwerpunkte am neuen UHZ. Die Versorgung von diesen Patient:innen stellt eine große Herausforderung dar, da sie eine hohe Behandlungsintensität und eine sektorübergreifende Koordination erfordert. Hier werden wir uns sowohl infrastrukturell als auch organisatorisch noch breiter aufstellen müssen. Das hat für mich absolute Priorität.


Was sind Ihrer Meinung nach heute die größten Herausforderungen in der Herzchirurgie, und wie wird sie sich in den kommenden Jahren weiterentwickeln?

Da fallen mir drei wichtige Aspekte ein: Erstens ist die größte Herausforderung in der Herzchirurgie der hohe Bedarf an aufwendiger Infrastruktur und Ressourcen – vor allem im Zusammenhang mit dem zunehmenden Fachkräftemangel und den wachsenden komplexen Anforderungen an das spezialisierte Personal. Zweitens: die weiterhin fortschreitende Subspezialisierung des Faches, weil die Erkrankungen der immer älter werdenden Patient:innen immer komplexer werden. Dadurch steigt der Bedarf an hoch spezialisierten Teams und universitären Zentren, um die Versorgungsqualität sicherzustellen. Und drittens ist es das Zusammenspiel mit der modernen interventionellen Kardiologie, welches im einem nachhaltigen Heart-Team-Konzept interaktiv und auf der Augenhöhe gestaltet werden sollte. Für all diese Herausforderungen sind wir im UKE exzellent aufgestellt.


Welche Forschungsprojekte oder klinischen Studien im Bereich Herzchirurgie sehen Sie für das Herz- und Gefäßzentrum als besonders vielversprechend?

Im Bereich der klinischen Studien liegt mein Fokus auf der Versorgungsforschung – insbesondere auf der Etablierung, Weiterentwicklung und Evaluation des intersektoralen ERAS-Versorgungsnetzwerks in der Metropolregion Hamburg. Wir knüpfen an randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) und Versorgungsnetzwerke an und legen einen besonderen Schwerpunkt auf die Anbindung niedergelassener Strukturen sowie auf die Digitalisierung. Ebenso wird die Robotik in der Herzchirurgie künftig eine entscheidende Rolle spielen und wir werden diese von Beginn an wissenschaftlich begleiten. Eine populationsbasierte Forschung, klinische Kohortenstudien, kardiovaskuläre Prävention und biomarkerbasierte Forschung zeichnen die Hamburger Herzmedizin national und international aus. Dies werden wir intensiv fortführen, insbesondere durch die Etablierung einer professionellen Biobanking-Infrastruktur und durch interdisziplinäre Multi-Omics-Projekte. So verfolgen wir konsequent das Ziel einer individualisierten kardiovaskulären Medizin.