Dünndarmatresie – Duodenalatresie


Was ist eine Dünndarmatresie?

Eine Atresie des Darms bedeutet, dass der entsprechende Darm nicht durchgängig ist (angeborener Darmverschluss). Der Dünndarm wird in drei Hauptabschnitte unterteilt:

  • Duodenum
  • Jejunum
  • Ileum

Darmobstruktionen werden normalerweise danach klassifiziert, in welchem Darmabschnitt die Unterbrechung gefunden wird. Eine Obstruktion im Duodenum wird als Duodenalatresie bezeichnet, Obstruktionen im Jejunum oder Ileum als Jejunalatresie oder Ileumatresie. Eine Atresie des Darms kann prinzipiell alle Darmabschnitte betreffen, betrifft aber am häufigsten den Zwölffingerdarm (Duodenum). Abgesehen vom Anus, bei dem eine Atresie häufiger vorkommt, ist der Dickdarm nur in Ausnahmefällen von einer Atresie betroffen.

Die Gründe für die Entstehung einer Duodenalatresie sind nicht gänzlich geklärt, jedoch geht man davon aus, dass eine Rekanalisierungsstörung der embryonalen Duodenalanlage als Ursache sehr wahrscheinlich ist. Zwischen der dritten und siebten Embryonalwoche besteht die Duodenalanlage aus solidem Gewebe, welches in der achten bis zehnten Embryonalwoche durch Vakuolenbildung rekanalisiert wird. Eine Störung dieses Prozesses kann zu einer Duodenalatresie oder einen anderen Darmobstruktion führen.

Ungefähr die Hälfte aller Säuglinge mit einer duodenalen Obstruktion werden zu früh geboren, mehr als 30 Prozent leiden an einer Trisomie 21 (Down-Syndrom). Ferner weisen zwischen 50 und 75 Prozent dieser Neugeborenen weitere Fehlbildungen auf, welche oft andere Teile des Verdauungssystems, des Herzens oder die Nieren betreffen.

Weniger häufig als die Duodenalatresie sind Atresien des Jejunums/Ileums. Anhand der aktuellen Studienlage gehen Expert:innen davon aus, dass diese Atresie- bzw. Stenoseformen durch eine unzureichende Blutversorgung des Darms während der fetalen Entwicklung verursacht wird. Das heißt, dass die Jejunal- oder Ileumatresie, anders als bei der duodenalen Obstruktion, etwa durch Darmmalrotationen (intrauteriner Volvulus oder Invagination), Hernien, Bauchwanddefekte (Gastroschisis) oder Passagestörungen mit Darmperforation (zystische Fibrose, Morbus Hirschsprung) verursacht werden. Da eine solche Fehlbildung auf eine Ischämie in der Spätentwicklung des Fetus zurückzuführen ist, ist die Jejunum- oder Ileumatresie selten mit weiteren kongenitalen Fehlbildungen anderer Organe assoziiert. Aus diesem Grund sind die Langzeitergebnisse nach Korrekturoperation häufig gut bis sehr gut.


Wie wahrscheinlich ist es, dass mein Kind eine Darmatresie/Stenose hat?

Duodenalatresie: Die kongenitale Duodenalatresie kommt bei etwa einer von 2500 bis einer von 10.000 Lebendgeburten vor.

Jejunal-Ileumatresie: Die Häufigkeit einer jejunoilealen Atresie unterliegt regionalen Unterschieden und liegt bei zwei von 10.000 Lebendgeburten. Somit sind jejunoileale Atresien insgesamt seltener als Atresien und Stenosen des Zwölffingerdarms.


Woran erkennt man eine Darmatresie?

Wenn Ihr Baby eine Dünndarmatresie hat, wird diese normalerweise am ersten oder zweiten Tag nach der Geburt entdeckt. Sie oder die Ärzt:innen Ihres Kindes bemerken möglicherweise, dass Ihr Kind:

  • nicht gut trinkt
  • mehrfach erbricht
  • einen aufgeblähten Bauch hat

Das klinische Erscheinungsbild hängt von der Höhe der Darmatresie ab.

Duodenalatresie: Meist kommt es bereits innerhalb der ersten Stunden nach der Geburt zu Erbrechen. Die Babys haben oft einen geblähten Oberbauch, der Unterbauch ist jedoch ansonsten schlank. Das Kind setzt meist normal Mekonium (das Kindspech) ab.

Jejunal-Ileumlatresie: Innerhalb der ersten Tage nach der Geburt entwickelt das neugeborene Kind einen zunehmend dicken Bauch; häufig zeigt das Kind galliges Erbrechen. In 30 Prozent der Fälle erfolgt ein Mekonium-Abgang. Das Mekonium ist jedoch meist hell schleimig bis gräulich und nicht wie normal tiefgrün-schwarz gefärbt.


Kann eine Darmatresie vor der Geburt diagnostiziert werden?

Die meisten Darmatresien werden bei überwachten Schwangerschaften pränatal entdeckt. Das Bild, welches sich im Ultraschall zeigt, ist ebenfalls von dem betroffenen Dünndarmabschnitt der Atresie abhängig.

Duodenalatresie: Pränatal führt die Duodenalatresie bzw. -stenose in mindestens der Hälfte der Fälle zu einem Polyhydramnion, in einem Drittel zu Frühgeburtlichkeit und häufig zu einer fetalen Wachstumsretardierung. In vielen Fällen lässt sich in der Ultraschalluntersuchung im zweiten Trimester ein erweiterter Magen und Bulbus Duodeni feststellen („double-bubble“).

Jejunal-Ileumatresie: In circa einem Viertel der Fälle entwickelt die Mutter ein Polyhydramnion. Im pränatalen Ultraschall (meist im dritten Trimester) können erweiterte Darmschlingen als Zeichen des gestörten Darmtransports sichtbar werden, wie auch eine allfällige abgekapselte Höhle bei Perforation und Mekoniumperitonitis.


Was passiert während der Schwangerschaft?

Wenn schon während der Schwangerschaft der Verdacht auf eine Darmatresie/Stenose besteht, sollte eine Vorstellung und Beratung in einem Perinatralzentrum erfolgen. Weil eine Operation nach der Geburt bei Bestätigung der Diagnose erforderlich wird, erfolgt eine Beratung der Eltern mit den Geburtshelfer:innen, den Neonatolog:innen und den Kinderchirurg:innen. Eine interdisziplinäre Betreuung während der Schwangerschaft, nach der Geburt sowie in der Kindheit und Jugend ist von großer Bedeutung.

Derzeit gibt es keine Möglichkeit, die Darmatresie bereits vor der Geburt zu therapieren.


Was passiert nach der Geburt?

Duodenalatresie: Da die Diagnose oft vor Geburt bereits bekannt ist, wird direkt nach der Geburt eine Magensonde gelegt, welche den Magen entlastet. Nach Stabilisierung des Babys erfolgt im Verlauf eine Röntgenübersichtsaufnahme des Abdomens. Im Falle einer Duodenalatresie sieht die behandelnde Ärzt:in, der behandelnde Arzt hier eine typische doppelte Spiegelbildung im Oberbauch („double-bubble“) mit luftleerem übrigen Abdomen. Bei Vorliegen einer Stenose ohne komplette Obstruktion findet sich gelegentlich Luft im Dünndarm. Meist erfolgt bis zur Operation eine Infusionstherapie zum Ausgleich einer eventuellen Dehydratation sowie von Elektrolyt- und Säure-Base-Haushaltsstörungen. Nach der Stabilisierung des Babys kann die Korrekturoperation innerhalb der ersten Lebenstage erfolgen.

Jejunal-Ileumatresie: Zur Diagnose der Darmobstruktion dient auch hier ein Röntgenbild des Bauchs, welches meist multiple Darmspiegel sowie fehlende Luft im kleinen Becken darstellt. Ein weniger klares Bild ergibt sich wiederum bei der Dünndarmstenose, da hier die Magen-Darm-Passage erschwert, jedoch meist noch gegeben ist. In diesen eher seltenen Fällen können Kontrastmittelröntgenuntersuchungen mit Kolonkontrasteinlauf und Magen-Darm-Passage durchgeführt werden. Wenn die Symptomatik nicht akut ist und keine rasche chirurgische Intervention indiziert, können weitere Untersuchungen wie eine Rektumbiopsie, molekulargenetische Diagnostik und ein Schweißtest auf zystische Fibrose hilfreich sein.


Wie wird die Darmatresie/Stenose therapiert?

Duodenalatresie: Nach Stabilisierung des Babys und erfolgter Diagnostik erfolgt im Verlauf die Korrekturoperation. Das Vorliegen einer passenden klinischen Symptomatik und eines typischen Röntgenübersichtsbildes sind ausreichend für eine Operationsindikation.

Der operative Zugang erfolgt meist über einen Oberbauchschnitt oder periumbilical. Ein laparoskopisches Vorgehen (minimalinvasiv) kann je nach Patient:innensituation diskutiert werden. Die offen-chirurgische wie auch die minimalinvasive Technik sind beide etabliert.

Das Vorgehen wird individuell und zusammen mit den Eltern entschieden. Im Rahmen der Operation inspizieren wir die Bauchorgane, um weitere Fehlbildungen auszuschließen. Bei der Duodenalatresie wird die Kontinuität durch eine Duodeno-Duodenostomie hergestellt. Hierfür wird der obere Blindsack quer, der untere längs eröffnet. Beim anschließenden Vernähen (Anastomosierung) kommt es zu einer diamantförmigen Verbindung, die hinsichtlich Passage und Komplikationsfreiheit die besten Ergebnisse ergeben hat.

Sollte es der allgemeine Gesundheitszustand des Kindes zulassen, kann bereits am Folgetag mit dem Kostaufbau über die transanastomotisch gelegene Sonde begonnen werden. Die eigentliche Passage über die duodenale Anastomose kommt jedoch oft erst nach einer bis zwei Wochen in Gang, da das Duodenum postoperativ oft stark anschwillt.


Jejunal-Ileumatresie:
Die operative Versorgung einer Jejunal- oder Ileumatresie kann meist nicht minimalinvasiv durchgeführt werden. Aufgrund der unterschiedlichen Ätiologie ist eine primäre Anastomose jedoch beim Vorliegen einer großen Kaliberdifferenz von oberen Blindsack zu unterem Blindsack oder beim Vorliegen einer Peritonitis, von Darmwanddurchblutungsstörungen oder eines Volvulus kontraindiziert. In diesen Fällen sollte ein Stoma zur Bauchdecke angelegt werden. Grundsätzlich sollte jedoch die Anlage eines Stomas vermieden werden, da sie oft zu starkem Flüssigkeits- und Elektrolytverlust führt und die enterale Ernährung der Kinder erschwert.

Es gibt besondere Situationen, die eine Anastomose bei der ersten Operation unmöglich machen wie die Typ-IIIb-Atresie mit „Apple-Peel“-Malformation. Ein weiteres Problem besteht bei der Typ-IV-Atresie, die sehr viele Atresien aufweisen, da abgewogen werden muss, wie viele Anastomosen mit eventueller funktioneller Störung angelegt werden müssen, um genügend Darmlänge zu erhalten.

Bei Kindern mit einer einfachen Anastomose oder einer Stomaanlage kann bereits nach einigen Tagen die enterale Ernährung aufgebaut werden. In der Regel jedoch ist die Aufnahme einer gerichteten Peristaltik durchaus protrahiert und es bedarf einer längeren Wartezeit, bis eine orale Ernährung in ausreichender Menge möglich ist. Deshalb wird bei diesen Kindern die Nahrung in den ersten Lebenstagen über die Vene (parenteral) verabreicht.


Welche Risiken und Komplikationen gibt es?

Eine Duodenalatresie hat meist sehr wenig Probleme nach der Korrektur, schwieriger wird es, wenn ungünstige Faktoren für die kindliche Entwicklung wie Frühgeburtlichkeit oder Fehlbildungen anderer Organe vorliegen. Wenn nach zwei bis drei Wochen der Darmtransport nicht eingesetzt hat, ist gegebenenfalls eine erneute Röntgenuntersuchung der Magen-Darm-Passage indiziert. Zeigt diese eine fehlende Darmdurchgängigkeit, ist eine operative Revision anzusetzen.

Bei der Jejunal-Ileiumatresie ist der Kostaufbau manchmal verzögert, wenn der obere und der untere Darmabschnitt einen sehr großen Unterschied im Darmdurchmesser haben. Zudem ist es entscheidend, welche Ursache die Atresie hat.


Wie ist die langfristige Prognose von Kindern mit Darmatresien?

Langzeitkomplikationen sind eher selten. Durch die initial noch vorherrschende Dilatation des proximalen Darmanteils kann es zu lange andauerndem duodenogastralem Reflux oder Stase kommen, die zu vielfältigen abdominellen Beschwerden führen. Im Verlauf bessern sich jedoch meist die Beschwerden nach Tonisierung des Darmes.

Ausschlaggebend für die Prognose ist vor allem die Länge des verbliebenen funktionell intakten Darms.

Eine langfristige, engmaschige und interdisziplinäre Nachsorge durch Kinderchirurgie, Gastroenterologie sowie Psychologie und Ernährungsberatung ist von großer Bedeutung. Die Behandlung der Dünndarmatresie ist Aufgabe eines spezialisierten Perinatalzentrums.

Die guten Ergebnisse der Behandlung dieser Erkrankungen kommen vor allem auch dadurch zustande, dass diese in spezialisierten Zentren mit einer entsprechenden intensivmedizinischen Kapazität und Personalstruktur behandelt werden.