Teilprojekte
Modul 2:
Teilprojekt 1
Zwischenstandsbericht zu den Aktivitäten des Seminars für Sozialpolitik: Der status quo der Gesundheitsselbsthilfebewegung in Deutschland (work in progress)Univ.-Prof. Hon.-Prof. Dr. Frank Schulz-Nieswandt unter Mitarbeit von Dipl.-Ges.-Ök. Francis Langenhorst; Universität zu Köln; schulz-nieswandt@wiso.uni-koeln.de
Wo steht die "Gesundheitsselbsthilfe" in Deutschland heute? Das ist die im Titel ausgedrückte Sicht auf den status quo? Aber allein schon die Begrifflichkeiten sind ein Problem, zumindest ein permanent strittiges Thema im Feld. Dies drückt zumindest Spannungen im organisierten Feld der deutschen Gesundheitsselbsthilfe aus; das diskursive Ringen verweist auf konkurrierende Schwerpunkteim Spektrum der kollektiven Orientierungen. Insofern ist der Markenkern der "Gesundheitsselbsthilfe" nicht unumstritten. Sensibilitäten - auch im Verhältnis zur (ministeriell geförderten) Forschung sind erkennbar.
Nur ansatzweise kann in der Analyse die damit verknüpfte Frage "Wo kommt sie (die Bewegung) her?" aufgegriffen werden; historische Analysen zur Rekonstruktion der Gesundheitsselbsthilfebewegung in einem gründlichen, das zeitgeschichtliche Material in historischer Methodik (auch diskursgeschichtlich) aufarbeitend, gibt es nicht. Es gibt wissenschaftliche Reflexionen über die Entwicklung der letzten vier Dekaden. Oftmals handelt es sich aber nicht um einen fachlich externen Blick, sondern um die Sicht der lange Zeit selbst involvierten Selbsthilfeforschung. Das sichert Expertise im Feld, induziert aber eventuell auch Fragen zur methodischen Distanz zum Gegenstand.
Wohin mag sich die Gesundheitsselbsthilfe weiterhin entwickeln und entfalten? Zumindest in dieser perspektivischen Dimension soll die Analyse vorarbeiten, vor allem dadurch, dass Spannungsfelder herausgearbeitet werden, auf jeder Ebene, aber auch zwischen den Ebenen, die analytisch als Raster der Betrachtung genutzt werden.
Die Analyse ist eine Teilanalyse von SHILD, die die Universität zu Köln im Forschungsverbund mit Hamburg und Hannover, immer aber bitte auch zu lesen vor dem Hintergrund eines sehr begrenzten Budgets, leistet. Ergänzende Bausteine (Wandel der Selbsthilfe in ihrer Gestalt als face-to-face-Genossenschaft im Lichte der Internetentwicklung) hat zusätzlich Frau Dr. Ursula Köstler übernommen (ein Aufsatz erscheint in Heft 4 der "Zeitschrift für öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen" Ende 2013). Abschlussarbeiten zu besonderen Diskursgeschichten der Gesundheitsselbsthilfe in Deutschland sind im Rahmen von Abschlussarbeiten an der Universität zu Köln vergeben worden. Ob diese ertragreich sein werden, ist augenblicklich noch offen. Der Analyse ist theoriegeleitet, wird aber in der Darstellung auf Lesbarkeit gestaltet.
Theoretisch knüpft die Analyse an die bisherige Kölner Forschung im Schnittbereich von Sozialpolitik und Genossenschaftswesen im Bezugssystem der Erforschung des Dritten Sektors an, eine Sicht, die im Lichte der neueren Blüte der Idee des Genossenschaftlichen als Problemlösungsweise für vielerlei sozialer Herausforderungen nicht ohne Relevanz und Attraktivität ist. Dieser "Kölner Blick" wird vertieft dargelegt, eine Blickweise, die die Gesundheitsselbsthilfe als Bewegung dynamisch positioniert in einem Spannungsfeld zwischen Genossenschaft und Herrschaft, zwischen Autonomie und Systemintegration im Rahmen einer öffentlichen Instrumentalisierung/Funktionalisierung. Dabei darf jetzt bereits angedeutet werden, dass die "Natur" der Ambivalenz in ihrer tragischen Unlösbarkeit der Spannung liegt.
Zugleich wird im Rahmen der Mehr-Ebenen-Analyse der Gesundheitsselbsthilfe (Makro-, Meso-, Mikro-Ebene) also überaus deutlich, dass eine kritische Sichtung auf Phänomene der Ambivalenzen und Rollen-Ambiguitäten abstellt (etwa mit Blick auf die Situation zwischen Laienstatus und Professionalisierung), vor allem in der längerfristigen Entwicklung in Deutschland abstellen muss.
Noch substantiell gefüllt wird innerhalb der Wirkungsabschätzung und Ambivalenzanalyse die Frage nach der Bedeutung der Selbsthilfegruppen in der Versorgungsverkettung im kommunalen (lokalen) Sozialraum. So wird dieses Thema auch empirisch vertieft. Eingeflossen sind bereits Aspekte aus zwei anders gelagerten Forschungsprojekten, an der Frank Schulz-Nieswandt beteiligt war. Diese Themendimension wird zu Beginn des Jahres 2014 durch Interviews in zwei Kommunen in Rheinland-Pfalz noch gezielt vertieft. Literatur und Praxisentwicklungsrecherchen zu dieser Themendimension in Deutschland sind durchgeführt. Das Material muss aber erst noch eingearbeitet werden. Vertieft werden noch die daseinsanalytisch fassbaren Wirkungsabschätzungen (Bewältigung von Krankheit/Behinderung im Lebenslauf im Lichte gelingender Existenzführung der Person). Auch hier fließen Erkenntnisse zweier Forschungsprojekte zum Thema des Persönlichkeitswachstums (sowohl bei jungen Erwachsenen wie auch im höheren Alter) im Rahmen von bürgerschaftlichen Engagements ein. Reflektiert werden jedoch auch die methodischen Grenzen einer auf Effektivität abstellenden medizinischen Wirkungsforschung.
Erste argumentative Strukturen einer europa-, wettbewerbs- und sozialrechtlichen Debatte zum Feld sind erarbeitet worden, bedürfen aber bis zum Abschluss des Projekts noch vertiefende Ausführungen. Es wird aber bereits deutlich, dass das moderne rechtsphilosophische Denken der Inklusion dringend mehr Partizipationsräume für die Patientenzentriertheit und Patientenorientierung bedarf. Wettbewerbsrechtlich wird es daher (mit Blick auf nicht-diskriminierende Gleichbehandlung konkurrierender Leistungsanbieter) weniger (was in dem zur Voraussetzung erklärten Formprinzip der genossenschaftsartigen Selbsthilfe als Gegenseitigkeitshilfe begründet ist) um die Verfahrensfragen im Vergabe- bzw. Beihilferecht, sondern um Transparenzfragen und um ein niedrigschwelliges Zugangsmanagement seitens der Förderinstanzen (hier vor allem der GKV-Kassen nach SGB V).
Dennoch zeichnet sich eine spannende Problematik im "sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis" der Sozialgesetzbücher ab: die der hybriden Natur der Gesundheitsselbsthilfegruppen, deren Mitglieder einerseits Versicherte, andererseits uno actu Leistungsanbieter im Versorgerstatus werden.
Auch die Frage der Mittelbarkeit/Unmittelbarkeit der Verbände der Selbsthilfegruppen als "Gesundheitsproduzenten" und deshalb als Förderobjekte wird einer Reflexion unterzogen. Vertieft werden muss noch die kritische Nachfrage, ob derartige Investitionen in die Governance-Struktur einer inklusiven (bürgerorientierten/partizipativen) gemeinsamen Selbstverwaltung als staatsmittelbarer Sektor der Erfüllung von Aufgabendelegationen des Gewährleistungsstaates nicht vielmehr steuer-finanziert werden müsste.
Schließlich wird es Aufgabe der Analyse sein, Forschungsdesiderate offen zu legen. Das ist eher expansiv leicht möglich …
Skizze zum Teilprojekt 1:
"Vertiefende systematische Analyse der nationalen
und internationalen Selbsthilfe-Literatur"
Teilprojekt 1.pdf (168 KB)
Teilprojekt 2
Skizze zum Teilprojekt 2:
"Multiperspektivische qualitative Befragung
von Vertreterinnen und Vertretern der Selbsthilfe
und ihrer relevanten Stakeholder, Fassung vom 16.10.2013"
Teilprojekt 2.pdf (183 KB)
Teilprojekt 3
Skizze zum Teilprojekt 3:
"Quantitative Struktur- und Bedarfsanalyse"
Teilprojekt 3.pdf (176 KB)