Über DISH

Das Projekt "Digitalisierung in der gesundheitlichen Selbsthilfe in Deutschland - Aktueller Stand und künftige Bedarfe" - kurz: DISH - hat zum Ziel, die mit Digitalisierung verbundenen Prozesse und Herausforderungen in der gesundheitlichen Selbsthilfe zu erheben und die damit verbundenen Potenziale, Erfahrungen und Probleme zu evaluieren. Auf Basis dieser Ergebnisse sollen entsprechende Handreichungen und ggf. Handlungsempfehlungen entwickelt werden, um der Selbsthilfe eine Orientierungshilfe für die Ausgestaltung aktueller und zukünftiger digitaler Angebote zu bieten.


Hintergrund

Mit der Digitalisierung im Gesundheitsbereich sind heute viele Hoffnungen und Erwartungen verbunden. Dabei betrifft der digitale Wandel nicht nur die medizinische Versorgung, sondern ebenso außerklinische Handlungsfelder wie die Informationsvermittlung. Wichtige Akteure in der digitalen Versorgungslandschaft sind längst auch die Selbsthilfeorganisationen (SHO) und ihre Mitglieder. SHO digitalisieren ihr Informationsangebot, speichern ihre Daten digital, manche entwickeln gar digitale Patientenregister zu Forschungszwecken.

Die verschiedenen Möglichkeiten des digitalen Wandels werden von vielen Vertreterinnen und Vertretern der Selbsthilfe einerseits zwar als Chance, andererseits aber auch als Herausforderung verstanden. Die Digitalisierung erleichtert die selbsthilfebezogene Arbeit in Kommunikation, Organisation und Öffentlichkeitsarbeit in erheblichem Maße und hat zudem kostensenkendes Potenzial im Vergleich zu klassischen, insbesondere mit postalischem Versand verbundenen Kommunikationsformen. Allerdings ist die Ausgestaltung der Digitalisierung mit hohen Anforderungen verbunden, von denen die Beschaffung und Bereitstellung der technischen Infrastruktur - von den damit verbundenen Kosten einmal abgesehen - noch das eher kleinere Problem darstellen.

Sorgen bereiten den Selbsthilfeakteuren im Wesentlichen die fachlichen und haftungsrechtlichen Aspekte der Digitalisierung. Haftungsrechtliche Herausforderungen verbergen sich in den Ansprüchen an Daten- und Personenschutz insbesondere in Gestalt der EU-DSGVO. Über diesen Zusammenhang hinausgehend, werden auch ethische und moralische Grundsätze berührt, die bei vulnerablen Gruppen durch telekommunikative Möglichkeiten auftreten können.


Ziele

Im Einzelnen sollen mit DISH die folgenden Fragen beantwortet werden.

    1) Verständnis der digitalen Selbsthilfe: Was wird in den SHO, SHG und Selbsthilfekontaktstellen unter "Digitalisierung der Selbsthilfe" verstanden?

    2) Erkenntnisse zum aktuellen Stand der digitalen gesundheitlichen Selbsthilfe in den Verbänden, Darstellung von bestehenden Ansätzen und ggf. von Projekten: Was gibt es schon? Welche Erfahrungen liegen vor? Gibt es "rein digitale" Selbsthilfeangebote? Wie werden digitale Elemente in die Selbsthilfearbeit eingebunden bzw. integriert?

    3) Erkenntnisse zu aktuellen Bedarfen in näherer und weiterer Zukunft: Welche Bedarfe sehen SHO, SHG und Kontaktstellen? Wie wollen sie den Bedarfen begegnen bzw. wie begegnen sie ihnen bereits?

    4) Erkenntnisse zur Akzeptanz von Digitalisierung in der Selbsthilfe: Welche Chancen und Risiken werden mit der Digitalisierung der gesundheitlichen Selbsthilfe verbunden und wie könnten die Akteure damit umgehen? Welche Rahmenbedingungen müssen für einen sinnvollen Einsatz digitaler Angebote (Technik, rechtliche Fragen, laufende Pflege und Aktualisierung, Datenschutz) berücksichtigt werden?

    5) Skizzierung von Möglichkeiten und Ansätzen sowie Ableitung von konkreten Handlungsempfehlungen zur künftigen Weiterentwicklung der gesundheitlichen Selbsthilfe im Bereich der Digitalisierung; Verbreitung von Handlungsempfehlungen online in Form eines Fact Sheets.


Methodik

Das Projekt setzt sich aus qualitativen wie quantitativen Forschungsmodulen zusammen.

Modul 1 - Literatur- und Internetrecherche

Das Thema "Selbsthilfe und Digitalisierung" ist und war bereits Gegenstand verschiedener Untersuchungen und Erörterungen, insbesondere das Thema "virtuelle Selbsthilfe" ist seit bereits 20 Jahren Gegenstand internationaler Literatur. Für Deutschland liegen durch die NAKOS gut aufbereitete Untersuchungen und Publikationen vor. In der Datenbank des WiSe-Projekts (Wissenstransfer für die Selbsthilfe) sind Projekte zu den Wirkungen virtueller Selbsthilfe methodenkritisch bewertet.

Doch wie die digitalen Technologien als solche, unterliegt auch die damit verbundene Thematik einem schnellen Wandel. Aus diesem Grunde wurde im Modul 1 eine Fachliteratur-Recherche mit Fokus auf die letzten fünf Jahre sowie eine Websiteanalyse zu Online-Selbsthilfe-Angeboten im deutschsprachigen Raum durchgeführt.

Modul 2 - Online-Surveys mit Selbsthilfeorganisationen (SHO)
und Selbsthilfeunterstützungseinrichtungen (SHU)


Ausgangspunkt der Surveys bei SHO und den SHU bildeten fokussierte und themenzentrierte Telefoninterviews mit Vertreterinnen und Vertretern der gesundheitsbezogenen Selbsthilfe, Dachverbänden (BAG SELBSTHILFE, der PARITÄTISCHE, DHS, ACHSE, Kindernetzwerk, DAG SHG/NAKOS) sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Selbsthilfekontaktstellen. Erfasst wurden Implikationen, die aus der Digitalisierung resultieren und insbesondere für die SHO und SHG von hoher Relevanz sind.

Ausgehend von der zurzeit höchsten Relevanz, waren die SHO die Hauptzielgruppe, denn im Unterschied zu den SHG haben diese einen deutlich höheren Komplexitätsgrad sowie erweiterte Zielsetzungen, von denen viele mit digitalen Techniken verknüpft sind. Aus diesem Grunde haben wir alle ca. 300 gesundheitsbezogenen SHO auf Bundesebene im November 2019 angeschrieben. Um die SHO-Landesverbände zu erreichen und aus Gründen einer höheren Akzeptanz und Beteiligungsbereitschaft, wurden die Bundes-SHO gebeten, die Online-Umfrage diesen weiterzuleiten.

Die Erfahrungen und Bedarfe der SHU wurden mit einem zweiten Online-Survey im Januar 2020 erhoben. Hierzu wurden die SHU auf Basis der Anfang Dezember 2019 aktualisierten ROTEN ADDRESSEN der NAKOS kontaktiert und um ihre Mitwirkung gebeten. Die Online-Erhebungen wurden über die Plattform Questback durchgeführt, deren Server auf deutschem Boden stehen und deren webinterface DSGVO-konform angelegt ist.

Beratung und Unterstützung durch NAKOS

NAKOS unterstützte das Projekt bei der Rekrutierung der SHO durch Bereitstellung der Kontaktdaten der GRÜNEN ADRESSEN. Diese wurden kürzlich aktualisiert, wobei auch hierbei bereits Elemente digitaler Angebote der SHO erfasst werden. Des Weiteren beriet NAKOS bei der Präzisierung und Operationalisierung der Forschungsfragen und stellte ihre Fragebögen aus den Projekten zur virtuellen Selbsthilfe zur Verfügung. Dort genutzte Fragebogen-Items konnten so in die zu entwickelnden Fragebögen des Projektes integriert werden.

Expertise "Ethische und (sozial-) rechtliche Implikationen der Digitalisierung in der Selbsthilfe"

Der Lehrstuhl für Sozialpolitik und Methoden der qualitativen Sozialforschung (Prof. Dr. Frank Schulz-Nieswandt) befasste sich mit den ethischen Implikationen. Einerseits ist es ethisch geboten, die Teilhabechancen von Menschen mit besonderer Vulnerabilität auf dem jeweils höchsten technologischen Niveau zu fördern. Durch die europäische und nationale Vertragsteilnahme Deutschlands an den UN-Konventionen ist dieses Gebot sogar grundrechtlich fundiert und prägt somit das Sozialrecht in Deutschland. Andererseits stehen im Zentrum der ethischen und rechtlichen Diskussionen - infolge der Nutzungsrisiken der neuen digitalen Technologien - der Schutz der Persönlichkeit und damit eng verbundene datenschutzrechtliche Probleme. Bei vertiefender Sicht kristallisiert sich eine Reihe von Fragen heraus, die in der Expertise behandelt werden.


Ergebnisse

Die Ergebnisse zeigen auf, welche Formen und Funktionen der Digitalisierung in der Selbsthilfe etabliert sind bzw. (noch) nicht genutzt oder evtl. abgelehnt werden, welche Chancen und Risiken aus der Perspektive der Selbsthilfeakteure mit der Digitalisierung verbunden sind, ob und welche Qualifizierungs- bzw. Unterstützungsbedarfe die Mitglieder der Selbsthilfe und die Mitarbeiter/innen der Selbsthilfeunterstützungseinrichtungen bei sich identifizieren und ob und welche synergetischen Maßnahmen in Digitalisierungsprozessen möglich und ggf. gewünscht sind.

Neben Aspekten der praktischen Umsetzung der Qualitätssicherung und des Datenschutzes waren auch grundsätzliche Abwägungen der Verortung einer "digitalen Selbsthilfe" (Online-Foren, Online-Coaching, Chat-Foren, Webinare, Social Media etc.) in Form von Pro und Kontra-Argumenten Ergebnisse der geplanten Untersuchung.

Die daraus resultierenden Handlungsempfehlungen werden für die organisierte Selbsthilfe Hinweise darauf geben, welche Aspekte des digitalen Wandels für die Akteure der Selbsthilfe von hoher Relevanz sind, welche ethischen Besonderheiten im Interesse der Gleichbetroffenenunterstützung dabei insbesondere Beachtung finden müssen und ob bzw. welche Best Practice Beispiele in der internationalen Literatur verortet sind und ggf. adaptiert werden können. Die Handlungsempfehlungen sollen online (auf dieser Website unter: Ergebnisse) für alle Akteure der gemeinschaftlichen Selbsthilfe kostenfrei zugänglich und nutzbar gemacht werden und können digitalen Vorhaben der Selbsthilfe somit eine Orientierungshilfe bieten.

Die Aufarbeitung der ethischen und rechtlichen Implikationen wird der Öffentlichkeit in Form schriftlicher Arbeitspapiere und Publikationen verfügbar gemacht sowie Teil der entsprechenden Orientierungs- und Handlungsempfehlungen sein.