Besprechung

Organspende in der Diskussion
Hajduk und Lilly

Der gemalte Vogel kommt mit nach Berlin: Lilly und Anja Hajduk

Anja Hajduk MdB besucht das HamburgerTransplantationzentrum

Die bevorstehende Abstimmung im Bundestag zur Neuregelung der Organspende wirft ihre Schatten voraus. In Berlin stehen zu Anfang des Jahres 2020 zwei Initiativen gegeneinander: Der gemeinsame Entwurf von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und dem stellvertretenden SPD-Fraktionsvorsitzenden Karl Lauterbach plädiert für einen Wechsel zur „Widerspruchslösung“ – ein Schritt den die meisten europäischen Länder bereits vollzogen haben. Damit gilt jeder Volljähriger als potentieller Organspender, falls er dem nicht ausdrücklich widerspricht. Einigen Abgeordneten geht dieser Entwurf zu weit. Sie akzentuieren das bisher geübte Procedere der aktiven Entscheidung zur Organspende. Eine Entscheidung, die vielen nicht leicht fällt.

Welche weitreichenden Konsequenzen die Entscheidung im Bundestag hat, davon konnte sich Frau Anja Hajduk MdB persönlich Anfang Dezember im Hamburger Transplantationszentrum ein Bild machen. Das Universitäre Transplantations Centrum (UTC) des UKE hatte die bevorstehende Abstimmung zum Anlass genommen, die Bundestagsabgeordneten der umgebenden Wahlkreise mit dem Angebot einer neutralen Information zum Thema Organspende direkt vor Ort zu kontaktieren. Frau Hajduk nahm das Angebot zu einem „Blick hinter die Kulissen der Organspende und der Transplantationsmedizin“ gerne an. So ging es bei dem Informationsaustausch Anfang Dezember am UKE zunächst um die Strukturen der Organspende in Deutschland und um die Erfahrungen des Hamburger Transplantationszentrums. Besonders augenfällig war der große Unterschied in der Spendebereitschaft zwischen Deutschland und anderen Teilen Europas. Die Bundesrepublik mit einer immer größer werdenden eigenen Warteliste bildet nahezu das Schlusslicht in der europäischen Spenderbilanz. Hier ist das Missverhältnis zwischen benötigen und tatsächlich gespendeten Organen besonders eklatant. Entsprechend intensiv wurden die gegenüberstehenden Bundestags-Inititativen diskutiert. Pro und Kontra wurden abgewogen, Fragen geklärt und Hintergründe erläutert. Hier wurde verständlich, dass die Widerspruchslösung, wie von ihren Gegnern befürchtet, keinesfalls eine Einschränkung individueller Entscheidungsfreiheit bedeutet.

Schnell wurde aber deutlich, dass es hier nicht nur um Zahlen und Statistiken geht, sondern zuallererst um Menschen und ihre Schicksale. Dies wurde besonders in zwei Begegnungen deutlich: Ein 26jähriger Student, seit über einem Jahr an der Bauchfelldialyse, berichtete Frau Hajduk von den alltäglichen Einschränkungen, die dies für einen jungen Menschen mitten im Leben bedeutet. Die „Aussicht“auf eine ungewisse und zermürbende Zeit von 8 bis 10 Jahren auf der deutschen Warteliste zur Nierentransplantation ließ Frau Hajduk nachdenklich zurück.

Besonderen Eindruck hinterließ die kleine Lilly. Geschlagene 18 Monate verbringt die Neunjährige nun schon bereits auf der Kinderherzintensivstation im UKE, angeschlossen an ein Kunstherz, das ihr krankes Herz unterstützt. Doch das Kunstherz, eine laute, große Maschine, die in ihrem liebevoll geschmückten Zimmer auf der Herzstation ständig surrt und brummt, ist nur eine Überbrückung. Lilly braucht dringend eine Transplantation. Fast 600 Tage befinden sich Lilly und ihre Eltern schon im Ausnahmezustand. Nichts ist mehr, wie es vorher war, berichtet Lillys Vater, der auch bei dem Besuch von Frau Hajduk anwesend ist. Das Leben der Familie ist komplett umgekrempelt, die bange Hoffnung auf ein neues Leben ist der ständige Begleiter der Familie, deren Handy niemals ausgeschaltet ist in Erwartung des erlösenden Anrufs, dass endlich ein Organ gefunden wurde. Lilly berichtet Frau Hajduk von ihrem Leben mit der Situation, vom Lernen, Spielen, Freundinnen und ihren Lieblingskuscheltieren. Ein Gespräch, das Frau Hajduk sichtlich nahe geht. Hier ist sie direkt fassbar und in ihren fatalen Auswirkungen deutlich, die mangelnde Organspendebereitschaft. Lilly hat für Frau Hajduk ein Bild gemalt, einen Vogel. Der kommt mit nach Berlin, verspricht Anja Hajduk.

Vorher hatte Frau Hajduk auch von Bedenken in ihrer eigenen Fraktion berichtet, von Vorbehalten gegen die Widerspruchslösung bei zahlreichen Bundestagsabgeordneten, jetzt redet sie mit einer Neunjährigen über die Hoffnung auf ein neues Herz.

Das Gespräch zeigt, wie wichtig die Information bei Betroffenen und eine offene Diskussion sind und welche Tragweite die anstehende Entscheidung in Berlin hat. So zieht Frau Hajduk das Fazit: „Ich bin entschieden für die Widerspruchslösung und werde das auch mit in die Fraktion nach Berlin nehmen. Ich habe ein Interesse daran, dass wir das schaffen! Und an die kleine Lilly gewandt: „Ich werde eine Entscheidung in deinem Sinne treffen.“ Ein kurzer Moment der Hoffnung für das kleine Mädchen sowie für rund 10.000 weitere Menschen in Deutschland, die dringend auf neues Organ warten.