Blasenekstrophie


Was ist eine Blasenekstrophie, was ist eine Epispadie?

Eine Blasenekstrophie ist eine Fehlbildung, die zu den Spaltbildungen/Mittelliniendefekten gehört. Jungen sind statistisch häufiger als Mädchen betroffen.

Das Spektrum der Fehlbildungen, welches unter dem Begriff Blasenekstrophie-Epispadie-Komplex zusammengefasst wird, hat sehr verschiedene Ausprägungsformen.

  • Epispadie: isolierter Urethraldefekt
  • Blasenekstrophie: nicht verschlossene Blase mit offenem Becken
  • Blasenekstrophie mit Genitaldefekt
  • Kloakenekstrophie: Es liegt eine Spaltbildung des inneren und äußeren Genitals, der Blase sowie des Darms vor.

Die Epispadie-Blasenekstrophie ist eine ausgesprochen seltene Erkrankung mit einer Inzidenz, d.h. einer Anzahl an Neuerkrankungen, von 1:32.200 Neugeborenen für die Blasenekstrophie, 1:96.800 Neugeborenen für die männliche Epispadie (n = 7), ca. 1:120 000 für die Kloakenekstrophie und 1:677.900 für die weibliche Epispadie.

Die Ätiologie ist bisher unbekannt, epidemiologische Daten deuten aber darauf hin, dass ein multifaktorieller Erbgang zugrunde liegt.


Wie diagnostiziert man eine Blasenekstrophie?

Der Blasenekstrophie-Epispadie Komplex ist eine potenziell pränatal diagnostizierbare Erkrankung. Bereits in der 20. Schwangerschaftswoche kann die fehlende Blase, der tiefliegende Nabel bei normaler Nierenmorphologie identifiziert werden. Jedoch werden derzeit tatsächlich weniger als 20 Prozent aller betroffenen Patient:innen vor der Geburt erkannt.


Was passiert nach der Geburt?

Eine Blasenekstrophie ist kein Notfall und muss nicht sofort operiert werden. Nach der Geburt sollte deshalb eine ausführliche Diagnostik in einem deontologischen Zentrum erfolgen, um weitere assoziierte Fehlbildungen auszuschließen. Eine intensivmedizinische Überwachung ist nicht erforderlich. Die nicht verschlossene Blase wird mit einer sterilen Kompresse abgedeckt. Eine Antibiotikaprophylaxe ist nicht unbedingt erforderlich, wir propagieren diese aber, da wir den Schutz der Nierenfunktion unter Vermeidung von Harnwegsinfektionen als sehr wichtig ansehen.


Wann sollte eine Blasenekstrophie operiert werden?

Prinzipiell ist eine Blasenekstrophie, auch eine Kloakenekstrophie, kein absoluter Notfall. Wichtiger als der primäre Operationszeitpunkt ist die Erfahrung des behandelnden Operationsteams. Im ersten Schritt wird die Blase verschlossen und der vordere Beckenring adaptiert. Dies kann im Neugeborenenalter ohne Umstellungsosteotomie und Beckenosteosynthese erfolgen.

In den Folgeoperationen erfolgt eine Blasenhalsplastik mit Antirefluxplastik beider Harnleiter sowie im dritten Schritt die Korrektur der Epispadie durch den Verschluss der Harnröhre.

Eine Kloakenekstrophie muss dringender operativ versorgt werden, da bei dieser Form der Darm und die Blase an derselben Stelle münden und Blase und inneres Genitale beständig im Stuhl liegen. Eine Versorgung dieser Form der Fehlbildung bedeutet, dass zumindest in der ersten Operation der Darm von der Urogenitalplatte getrennt werden muss.


Wie behandeln wir die Patient:innen mit Blasenekstrophie?

In unserem Centrum wird die Operation nach internistischer Stabilisierung und erfolgter Anpassung des Neugeborenen durchgeführt. Die Stärke unseres Centrums für angeborene Fehlbildungen ist die breite interdisziplinäre Versorgung. Die Betreuung findet in enger interdisziplinärer Zusammenarbeit mit der Abteilung Nephrologie des Kinder-UKE und der Abteilung für Orthopädie des Altonaer Kinderkrankenhauses statt.

Im Verlauf des Wachstums bieten wir auch eine gute Transition durch eine enge Zusammenarbeit mit der Klinik für Urologie, der Klinik für Gynäkologie und Orthopädie des UKE an.


Wie ist die Prognose der Blasenekstrophie?

Bei dem Blasenekstrophie-Epispadie-Komplex ist das Überleben der Kinder primär nicht gefährdet. Die Rekonstruktion der Blase und der ekstrophen Organe kann jedoch mit einer erheblichen Einschränkung der Blasenfunktion, der Sexualfunktion und damit verbunden auch der Lebensqualität einhergehen.

  • Durch die Spaltbildung infraumbilical ist in allen Fällen auch ein Nichtverschmelzen der beiden Symphysenanteile verbunden. Dadurch kommt es zum Aufklappen des Beckens mit der Außenrotation beider Beine. Eine orthopädische Mitbetreuung ist unbedingt erforderlich.
  • Meist zeigen sich im weiteren Verlauf des Wachstums Leistenbrüche, die operativ versorgt werden müssen.
  • Im Rahmen der Erkrankung ist eine Störung der Blasenfunktion zu erwarten. Damit einhergehend ist oft auch das mangelnde Wachstum der Blase (verminderte Blasenkapazität und Compliance).
  • Häufig weisen die Patient:innen einen vesikoureterorenalen Reflux auf, der langfristig zu Nierenbeckenentzündungen und zu einer Störung der Nierenfunktion führen kann.
  • Nicht immer gelingt eine ausreichende Rekonstruktion des Blasenschließmuskels. Dies führt bei einigen Patient:innen zu einer Harnblaseninkontinenz. Meist sind für das Erreichen einer sozialen Kontinenz und einer akzeptablen Sexualfunktion Folgeoperationen erforderlich.

Die beschriebenen Probleme treten natürlich nicht bei allen Patient:innen in gleicher Ausprägung auf. Da Folgeprobleme der Blasenekstrophie rechtzeitig erkannt und behandelt werden müssen, ist aber die interdisziplinäre Zusammenarbeit der verschiedenen Fachabteilungen unabdingbar.