Karte „Die Cholera an der Grenze“
Dass Cholera aus dem Trinkwasser kam, war seit den 1850er Jahren bewiesen. Auch der Erreger war früh entdeckt worden. In Hamburg aber galt die Bakteriologie noch 1892 nur als eine Theorie unter vielen. Und da sie mit lästigen Quarantänemaßnahmen den Handel und Hafen zu behindern drohte, glaubte der Senat mehrheitlich nicht an diese Wissenschaft. Zwei Jahre nach der Katastrophe führte eine Karte den Entscheidungsträgern ihren Irrtum vor Augen.
Im August 1892 kam es in Hamburg zur letzten großen Cholera-Epidemie in Europa. Dabei wurde der Hansestadt ausgerechnet ihr einst vielgerühmtes Trinkwassersystem zum Verhängnis. Das hatte der Senat 50 Jahre zuvor – nach dem großen Brand von Hamburg – von dem englischen Ingenieur William Lindley errichten lassen. Danach aber verpasste man eine Modernisierung: Als sich der Cholera-Erreger in Hamburg verbreitete, entnahmen die Hanseat/innen ihr Wasser noch immer ungefiltert aus der Elbe und der Alster. Über die Leitungen konnte sich die Infektion schnell verbreiten.
Wie diese Karte von Georg Gaffky (1850–1918) – ab 1904 Leiter des „Königlich Preußischen Instituts für Infektionskrankheiten“, dem späteren Robert Koch-Institut – dokumentiert, blieb das benachbarte preußische Altona (links der roten Linie) von der Epidemie größtenteils verschont, obwohl beide Städte längst zu einem Großstadtkomplex zusammengewachsen waren. Besonders sichtbar wurde es im Grenzgebiet zum hamburgischen St. Pauli: Die Karte verzeichnete Erkrankungen in schwarz und Todesfälle in rot.
Altona hatte schon länger eine Sandfilteranlage und somit sauberes Wasser für seine Bevölkerung. Der Senat der Hansestadt hatte eine solche aus Kostengründen abgelehnt; überdies waren viele Senatoren immer noch Anhänger der unwissenschaftlichen Miasmentheorie, nach der Krankheiten aus Ausdünstungen des Bodens entstehen würden. Als endlich mit der Nachrüstung begonnen wurde, war es zu spät. Fast 17.000 Menschen erkrankten, über 8.600 starben an der Seuche. Im Mai 1893 wurde die neue Filtrationsanlage auf der Elbinsel Kaltehofe fertiggestellt. Übrigens: Erst ab 1964 verzichtete Hamburg endgültig auf die Aufarbeitung von Elbwasser.
Literatur:
Evans, Richard J.: Tod in Hamburg. Stadt Gesellschaft und Politik in den Cholera-Jahren 1830-1910.
Gaffky, Georg: Die Cholera in Hamburg. Berlin 1894.
Autor: Luchino Hagemeier
(Foto: Karin Plessing/Reinhard Scheiblich)