Ausgefragt?! – Warum geht das Thema HIV alle an?
Interview mit Dr. Olaf Degen
check Point für sexuelle Gesundheit des UKE
Anlässlich des Welt-Aids-Tages am 1. Dezember spricht Dr. Olaf Degen, Ärztlicher Leiter der Infektiologie des Ambulanzzentrums im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), über Beratung und Therapie bei HIV-Infektionen.
-
Das Interview zum Nachlesen
Mein Name ist Olaf Degen. Ich leite die Infektiologie im Ambulanzzentrum des UKE.
Herr Dr. Degen, was passiert bei einer HIV-Infektion?
Das HI-Virus befällt Zellen in unserem Abwehrsystem, die eine wichtige steuernde und koordinierende Funktion haben. Im Verlauf der nicht behandelten HIV-Infektionen kommt es zu Erkrankungen und Infektionen, die normalerweise bei HIV-negativen Menschen nicht auftreten.
Inwiefern ist HIV ein Thema, das alle angeht?
In Deutschland leben nach Schätzungen des Robert Koch-Instituts über 90000 Menschen mit einer HIV-Infektion. Es infizieren sich jedes Jahr 2-3000 Menschen neu mit dem Virus. Viele Menschen mit einer HIV-Infektion leiden sehr unter dem damit verbundenen Stigma. Sie sind oft alleine mit der Diagnose, können sich ihren Freunden und Kolleg:innen oder auch ihren Partner:innen nicht mitteilen und erfahren Benachteiligung im Gesundheitswesen oder auch bei der Arbeit. Information und Aufklärung ist von großer Bedeutung. Menschen mit HIV haben heute eine weitgehend normale Lebenserwartung und können durch die guten Therapien heute auch ihre Partner:innen im Grunde nicht anstecken. Die Dunkelziffer ist weiter viel zu hoch. Nach Schätzungen des Robert Koch-Instituts leben über 8000 Menschen in Deutschland mit einer HIV-Infektion, von der sie nichts wissen. Das hat zur Folge, dass über die Hälfte aller Diagnosen in späten Stadien der Infektion erst gemacht werden. Das heißt, die Menschen erkranken unnötigerweise an einer Folgekomplikation vom HI-Virus, die mit einer entsprechenden Therapie vermeidbar gewesen wäre. Aus diesem Grund sollten Menschen mit einem erhöhten Risiko für eine HIV-Infektion sich unbedingt regelmäßig testen lassen. Weiterhin sind entsprechende Präventionsmaßnahmen wie die Einnahme einer Prophylaxe, genannt PrEP, wichtig.
Welche Beratungen und Therapien für Menschen mit HIV gibt es?
Wir bieten in Kooperation mit der Beratungsstelle Hein und Fiete niederschwellige Präventionsberatung und Testung an. Diese richtet sich an alle Menschen, ungeachtet ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Orientierung, die ein erhöhtes Risiko für eine HIV-Infektion oder eine Geschlechtserkrankung haben. Darüber hinaus bieten wir bei uns im „check Point“ ärztliche Gespräche an, in denen wir die Patient:innen über ihr persönliches Risiko informieren und geeignete Schutz- und Präventionsmaßnahmen durchsprechen. Dieses kann zum Beispiel die „Prä-Expositions-Prophylaxe“, die PrEP, sein oder auch andere Präventionsmaßnahmen. Außerdem führen wir bei entsprechender Indikation Testungen auf verschiedene Geschlechtskrankheiten durch. Und natürlich bieten wir auch Schutzimpfungen an.
Wo sehen Sie die Zukunft der HIV-Therapie?
Wir haben in den letzten Jahrzehnten eine deutliche Verbesserung der HIV-Therapie gesehen. Ein Großteil unserer Patient:innen nimmt nur noch einmal täglich eine Tablette ein. Weiterhin haben wir inzwischen auch Depotpräparate, die man sich nur alle zwei Monate injizieren lassen muss. Es gibt weltweit intensive Forschung an Depotpräparaten, die man nur noch wenige Male im Jahr zu sich nehmen muss. Hier müssen wir die Forschungsergebnisse natürlich abwarten.
Haben Sie noch eine Botschaft für uns?
Durch die guten Behandlungsmöglichkeiten ist die Lebenserwartung mit einer HIV-Infektion heute weitgehend normal. Menschen mit HIV können niemanden anstecken, wenn sie gut behandelt sind. Meine Botschaft ist, dass wir Menschen mit einer HIV-Infektion offen und vorurteilsfrei begegnen.